3. Art Encounters Biennial in Timisoara, Rumänien

26. Sep. 2019 in Biennalen

Decolonizing Architecture Art Residency / Sandi Hilal & Alessandro Petti, Permanent Temporariness, 2019, exhibition view Art Encounters Biennial 2019, Foto Adrian Câtu

Decolonizing Architecture Art Residency / Sandi Hilal & Alessandro Petti, Permanent Temporariness, 2019, exhibition view Art Encounters Biennial 2019, Foto Adrian Câtu

Zum dritten Mal eröffnete gerade die Art Encounters Biennial in Rumänien. „Eigentlich ist uns die Biennale passiert“, erklärt Ovidiu Sandor. Sandor ist Gründer und Hauptfinancier von Art Encounters in Timisoara (deutsch: Temeswar). Vor fünf Jahren wollte er eine Ausstellung rumänischer Kunst in Timisoara organisieren. Insgesamt gäbe es in Rumänien 8 wichtige Galerien, die Kunstszene des Landes konzentriere sich auf die Hauptstadt Bukarest. Im westrumänischen Timisoara sei die Lage schwierig für die Künstler, es gäbe nur wenig Ausstellungsmöglichkeiten und keinen internationalen Austausch. Das habe er ändern wollen. So lud der Immobilienentwickler 2014 das auf osteuropäische Kunst spezialisierte Art Collection Telekom-Kuratorenduo Nathalie Hoyos und Rainald Schumacher ein und zeigte ihnen eine Auswahl möglicher Ausstellungsräume. Ihre Antwort: Sie wollten alles bespielen!

Timisoara 2019 // SBV

Timisoara 2019 // SBV

Die 400.000-Einwohner-Stadt hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich, die von den Römern über die Awaren reicht, wurde von den Tataren zerstört und anschließend von deutschen Siedlern wiederaufgebaut, im 16./17. Jahrhundert Teil des Osmanischen Reichs, kam ab 1716 unter österreichisch-ungarische Herrschaft kam und gehörte zuletzt zur Sowjetunion. All diese Phasen spiegeln sich faszinierend in der Architektur und Kultur wider, in den Sprachen, in den Traditionen und der Kulinarik.

Ana María Millán, Wanderlust, exhibition view at Youth House, Art Encounters Biennial photo: Adrian Câtu

Ana María Millán, Wanderlust, exhibition view at Youth House, Art Encounters Biennial photo: Adrian Câtu

Mit dem Konzept der vielen Räume war dann die Idee einer wiederkehrenden Veranstaltung geboren, die „so viele Schichten der Stadt wie möglich erkunden soll“, wie Sandor betont. Dank der damals bevorstehenden – und übrigens gewonnenen – Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt erhielten sie auch staatliche Unterstützung. „Nur sollte sie auf keinen Fall ´Biennale´ heißen“, erinnert sich Schumacher. Die Wahl fiel auf ´Art Encounters´, also ´Kunstbegegnungen´, die dieses Jahr zur dritten Ausgabe doch den Zusatz ´Biennial´ erhielt – als Abgrenzung zu den Ausstellungen im Haus der Art Encounters Foundation.
Als Kuratorenduo der 3. Artencounters Biennial wurden Maria Lind (Schweden) und Anca Rujoiu (Rumänien) eingeladen. Lind spricht von einem erfolgreichen „blind date“, denn sie kannten sich vorher kaum. Als Titel wählten sie „The Whole and its parts“. Statt eines Themas sprechen sie von „Winden“, die durch die Räume wehen. Damit sind Muster gemeint, ´Grenzen und Übersetzungen´ in der Bastion (Lawrence Abu Hamdan, Aslan Gaisumov, Thao Nguyen Phan), ´Unsicherheit´ im Youth House (u.a. Ane Hjort Guttu mit ihrem großartigen Film über eine Kunststudentin, die sich als Kunstprojekt mit einer rumänischen Bettlerin anfreundet), ´Grenzen des Sichtbaren´ in der Art Encounters Foundation (u.a. Walid Raad, Forensic Architecture, Ane Graff). Wie auf jeder Biennale gehören auch hier ´indigene Probleme bzw. Problemlösungen´ dazu – ein ´Wind´, der sich im Transport Museum in der Remise mit anderen Werken vermischt.

Peles Empire, Maria Therezia Bastion, Building D, 3. Art Encounters Biennial 2019

Peles Empire, Maria Therezia Bastion, Building D, 3. Art Encounters Biennial 2019

Manche Werke der 3. Artencounters Biennial entstanden als „kontextsensible“ Auftragsarbeiten wie „Tibiscum“ vom deutschen Duo Peles Empire, die in der Maria Therezia Bastion die Wände und Böden mit Collagen tapezieren – man meint in einem zersplitterten Universum zu stehen, in dem eine prähistorische Figur auf ottomanische Architekturfragmente trifft. In der Aula der Central Universität erinnern die nach Fotovorlagen entstandenen, aus Kleidungsresten collagierten Wandbilder der Roma-Aktivistin Malgorzata Mirga-Tas an die Kultur ihres Volkes.

Céline Condorelli, Collection Show with Appointment with History by Mona Vătămanu & Florin Tudor, commissioned work for Art Encounters Biennial, photo: Adrian Câtu

Céline Condorelli, Collection Show with Appointment with History by Mona Vătămanu & Florin Tudor, commissioned work for Art Encounters Biennial, photo: Adrian Câtu

Für die Beiträge der KünstlerInnen im Banat National Museum hat Celine Condorelli neben ihrer eigenen Installation (mit Stoffen des Textil Museums und Objekten des Kommunistischen Museums für Konsumkultur) Displays entwickelt – ein Experiment, dass die kleinformatigen, soziale Revolutionen thematisierenden Bilder des Duos Mona Vatamanu und Florin Tudor leider zu Teilen eines Puppenhauses schrumpfen lässt.

Ciprian Mureșan, The Plague Column, commissioned work for Art Encounters Biennial, Sudului Park, Foto Adrian Câtu

Ciprian Mureșan, The Plague Column, commissioned work for Art Encounters Biennial, Sudului Park, Foto Adrian Câtu

Im Park im Arbeiterviertel Sudului liegt Ciprian Muresans aus Gips gebaute Pestsäule, die anders als ihr historisches Vorbild im Stadtzentrum im Laufe der Zeit verfallen wird. Und immer wieder taucht dazwischen das Maskottchen der Biennale auf: Agnieszka Polskas Fotografie einer stolzen Taube – eigentlich eine Plage in Timisoara, auf der Biennale aber ein Inbild für eine Brieftaube, die sich ihrer Aufgabe verweigert und keine Botschaften transportiert.

In kürzerer Form veröffentlicht in: Kunstforum online
Art Encounters Bienial 2019, 20.9.-27.10.2019, Temeswar / Rumänien
https://www.artencounters.ro/en/bienala/