33. Art Brussels

28. Apr. 2015 in Kunstmarkt

 

Filip Markiewicz, 2009. Aeroplastics Contemporary Brüssel

Die Überraschung zum Auftakt der 33. Art Brussels ist gelungen: Im nächsten Jahr wird die belgische Kunstmesse ihren bisherigen Standort im Brüsseler Messegelände aufgeben. Neue Museen, immer mehr Galerien und eine lebendige Kunstszene verlangen nach räumlicher Nähe zur Stadt, erklärte auf der Pressekonferenz die künstlerische Leiterin der Messe, Katerina Gregos.

Nick Hannes

Zudem erhält die renommierte, seit 1968 bestehende Kunstmesse Konkurrenz: Für 2016 hat die New Yorker Independent ihren Auftritt in Europas Hauptstadt angekündigt. Vor sechs Jahren gegründet, bringt die junge Messe vornehmlich US-amerikanische Händler in die Stadt. Also zieht die Art Brussels ebenfalls ins Zentrum, die neue Herberge wird das Tour & Taxis Gelände (wie Thurn & Taxis hier genannt werden) im Norden Brüssels am Ufer des Willebroek-Kanals sein. Ursprünglich im Besitz der Thurn und Taxis-Familie, kaufte die Stadt die Anlage Ende des 19. Jahrhunderts und erweiterte das Gelände als Bahnhof und als Büroanlage für den Hafen. Ende der 1980er Jahre aufgegeben, begann der Verfall des Geländes, seit 2001 ist es jetzt ein neues, urbanes Quartier.

Aber der Schritt in die Stadt bedeutet auch massive Konsequenzen. Die Eröffnung der Messe ist jedes Jahr ein großes Ereignis, die jeweils rund 190 Galerien ziehen am ersten Abend an die 10.000 Menschen an. Diese große Zahl wird am neuen Standort nicht mehr möglich sein, denn das Gelände ist deutlich kleiner. Auch die Zahl der Galerien wird eingeschränkt – die Art Brussels muss schrumpfen! Das wird schwierige Entscheidungen nach sich ziehen. Denn die Art Brussels gilt als Entdecker-Messe, hier werden junge Positionen gefördert. Wie viele der jungen Galerien werden am neuen Standort noch Platz finden? 14 Galerien nehmen heuer zur 33. Art Brussels an der neuen Sektion „Discovery“ teil, 90 gehören zu „Young“ (weniger als 8 Jahre alt) und 31 KünstlerInnen sind in Solo-Präsentationen vorgestellt – ein Aspekt, der Gregos sehr am Herzen liegt.

Katerina Gregos // David Plas

Denn die erfolgreiche, internationale Kuratorin – sie ist heuer auch für den Belgischen Pavillon auf der Biennale Venedig verantwortlich – will die Messe nicht ausschließlich dem Kommerz überlassen. Als sie die Messe vor drei Jahren übernahm, reduzierte sie als erstes die Menge der präsentierten Künstler: Qualität statt Quantität lautet ihr Motto.

Selcuk Demirel, Defile 2013. Galerie Nev Istanbul (6000,- Euro)

Das geht heuer zur 33. Art Brussels hervorragend auf. Die Qualität bei den Jungen und bei den Etablierten (87 Galerien nehmen an in der Kategorie „Prime“ teil) ist sehr hoch. Allerdings wird gerade bei „Discovery“ und „Young“ unübersehbar, wie problematisch der aufgeblasene Kunstmarkt gerade für den Nachwuchs ist. Der Warenmenge, die für den expansiven Kunstmarkt benötigt wird, fehlt oft die Qualität. Sicherlich, es gibt einige großartige Entdeckungen wie die junge Engländerin Emma Talbot am Stand der Düsseldorfer Petra Rinck Galerie: Emotionale, leicht surreale Zeichnungen, die in Comic-ähnlichen Bildfolgen kurze Situationen schildern, Sexfantasien, aber auch Szenen aus Filmen, die der Künstlerin nicht mehr aus dem Kopf gingen. Die Einzelzeichnungen beginnen bei 900,- Euro.

Emma Talbot, True Love Is Blown Into Every Flower, 2014. Petra Rinck Galerie (13.000,- )

Das sind Preise, bei denen nicht nur ein wichtiger Sammler aus Luxemburg sofort zugriff. Oder der Solo-Stand von Sammy Baloji bei Imane Fares (Paris): Der im Kongo geborene Künstler fand Archivfotografien von Mienen in seinem Heimatland. Die Arbeiter aus den historischen Aufnahmen montiert er in Fotografien der heute verfallenen Anlagen hinein – eine zeitverdichtete Reise in eine traurige Vergangenheit (ab 9.000,- Euro).

Philip Taaffe, Large Panel with Row Ornament, 2012. Jablonka Maruani Mercier (75.000,-)

Die meisten jungen Positionen der 33. Art Brussels lassen jedoch jegliche Schärfe und Experimentierfreudigkeit vermissen – im Gegenteil: Oft werden die Väter brav nachgeahmt. Offenbar wird durch leichtes Variieren von Bekanntem eine schnellere Karriere erwartet, was zumindest in Sachen Verkauf oft aufgeht. Die vielen zur 33. Art Brussels angereisten Kuratoren dagegen werden aus diesem Pool kaum etwas mitnehmen. Interessanterweise gehen arrivierte Künstler zunehmend den umgekehrten Weg: Sie suchen eine aktive, teils brutale Auseinandersetzung mit der Geschichte. Als wichtigste Reibungsfläche erweist sich dabei erstaunlicherweise die Moderne. Bei Künstlern von Sterling Ruby bis Mounir Fatmi kann man sehen, dass diese Phase unserer Kunstgeschichte noch längst nicht abgeschlossen ist. Der in Marokko lebende Fatmi re-inszeniert die strengen Kompositionen der Bauhaus- und De Stijl-Künstler. Aber nicht Pinsel und Pigment sind sein Material, sondern Fragmente von moslemischen Gebetsteppichen. Um den heftigen Kontrast noch zuzuspitzen, montiert er die ornamentalen Stücke auf eine ungrundierte Leinwand und verpasst dem Ganzen einen dieser spießigen Rahmen des frühen 20. Jahrhunderts – Tradition knallt auf Tradition.

Eine gänzlich unerwartete Auseinandersetzung mit der Moderne zeigt der kalifornische Superstar Sterling Ruby. In der Xavier Hufkens Galerie sprach Ruby anlässlich seiner Einzelausstellung“ECLPSE“ mit Dirk Snauwaert, Direktor des Brüsseler Kunsthaus Wiels.

Sterlin Ruby

Ruby wurde durch seine Spraybilder berühmt, die auf Auktionen mehr als eine halbe Millionen Dollar bringen. Aber mit diesen Werken sei jetzt Schluss, erklärt er: Sprayen sei „out“. Stattdessen zeigt er riesige Pappkarton-Bilder. Auf Grundfarben und -formen reduziert, ist die Beschäftigung mit der Bauhaus-Ästhetik unübersehbar.

Sterling Ruby, Galerie Xavier Hufkens

Ruby als Neo-Modernist? Seine Spraybilder seien Dekoration, das sei das Problem seiner Generation und das gelte genauso für die glänzenden Oberflächen und die technische Perfektion der Kunst a la Jeff Koons. Koons sei „the modern of today“ und sähe heute „alt aus“. Er suche jetzt einen Weg aus der „Dekorationsfalle“ und der führe ihn durch eine „Hintertür in die Vergangenheit“: Er will im Atelier arbeiten, mit seinen Händen, ohne Technik, ohne Theorie, ohne Perfektionsanspruch. Darum können die Formen seiner Bilder auch krumm ausgeschnitten, schief aufgeklebt sein, keine monochrome Fläche ist ebenmäßig und die Gesamtform eher zufällig entstanden. Ähnlich wie Fatmi aktualisiert Ruby die Vorgaben der Moderne. Beidesmal ist die Idee von Freiheit im Spiel, bei dem einen aus den Zwängen der Religion, bei dem anderen aus den Zwängen des Kunstmarktes. Wie werden die Jungen auf diese unerwartete Kehrtwende reagieren, die die gerade so beliebte, seichte Abstraktion verabschiedet?

Art Brussels, bis 27.4.