4. Singapur Biennale 2013: If the world changed

17. Nov. 2013 in Biennalen

Singapore Art Museum, vorne: Nguyen Tran Nam (Vietnam), We Never Fell, 2010

Singapore Art Museum, vorne: Nguyen Tran Nam (Vietnam), We Never Fell, 2010

Die letzte Edition der Singapur Biennale vor zwei Jahren wurde niederkritisiert: Singapur benötige nicht westliche Künstler, die nur mittelmäßige Werke auf der Biennale zeigen. Die Region rund um den kleinen Stadtstaat sei reich an spannender, zeitgenössischer Kunst, die es zu zeigen gelte. Also hat Tan Boon Hui, verantwortlich für die staatlich finanzierte Großausstellung, darauf reagiert und zur 4. Singapur Biennale 2013 einen Regionalschwerpunkt bestimmt: Südostasien.

National Museum Singapore

National Museum Singapore

So naheliegend und wohl auch angesichts der ungeheuren Dynamik der südostasiatischen Kunstentwicklungen angemessen diese Entscheidung war, so fatal setzte er einen zweiten Schritt: Bestellt wurden für diese 4. Singapur Biennale 27 KuratorInnen, die unterschiedlicher in ihren kuratorischen Erfahrungen, Kenntnissen über die Kunstszenen und inhaltlichen Interessen kaum sein konnten. Allein aus den Philippinen beispielsweise kommen vier Kuratoren, die hauptberuflich Künstler sind.

Peranakan Museum, Singapur

Kann solch eine Struktur zu einer überzeugenden Ausstellung führen? Wie schwierig solche Prozesse schon in kleineren Teams sind, war letztes Jahr auf der Gwangju Biennale 2012 zu sehen, die ein vierköpfiges Team berufen hatte. Der Titel „Round Table“ machte kein künstlerisches, sondern das kuratorische Prinzip bzw. Problem zum Thema. In Singapur lautet der Titel „If the world changed“ – da passt dann wohl alles hinein.

SAM at 8Q

So weit der Titel reicht, so weit gehen auch die Werke auseinander, in Qualität, Anspruch und Auftritt. Nur weniges kann überzeugen, was teilweise an den ausgesuchten Werken, vor allem aber an der miserablen Präsentation liegt. Denn auf dieser 4. Singapur Biennale entstehen keine Dialoge zwischen den Beiträgen, keine formalen oder inhaltlichen Bezüge, die sich gegenseitig bestärken oder zu Überraschungen führen. Stattdessen sehen wir ein beliebig erscheinendes Verteilen der Werke von 83 KünstlerInnen aus 12 Ländern auf 10 Ausstellungsorte (darunter vier Museen: Singapur Art Museum und die Außenstelle SAMat8Q, National Museum, Peranakan Museum). Die stolze Summe von 6 Mio. Singapur Dollars (gut 3.5 Mio. Euro) stand zur Verfügung. Wofür die ausgegeben wurden, fragt sich in Singapur trotz der gut vierzig für die Biennale produzierten Werke jeder.

Eko Prawoto (Indonesien), Wormhole, 2013, Singapur Biennale 2013

„Wer die Biennale besucht, um sich über die Kunst der Region zu informieren, wird enttäuscht sein,“ fasst es der deutsche Galerist Michael Janssen zusammen. Janssen gehört zu den Pionier-Galerien, die im September 2012 auf dem ehemaligen Militärgelände „Gilmann Barracks“ in Singapur eine Galerie eröffneten und jetzt auch Künstler aus der Region in ihr Programm aufnehmen. Das künstlerische Niveau hier sei weitaus höher, spannender, komplexer als es die Biennale präsentiere, erklärt Janssen.

Rosid (Indonesien), Lumbung limu (Granary of Knowledge), 2005

Tatsächlich sind neben den community-Projekten (Hazel Lim, Singapur, erkundete mit Schulkindern die reiche Flora des Stadtstaates und ließ die Pflanzen auf Porzellanteller aufmalen; Shirley Soh, Singapur, forderte weibliche Gefängnisinsassen auf, ihre Ängste und Anliegen auf Tücher zu sticken, präsentiert als hübsche Deko-Ware) und Folklore-Beiträgen (Eko Prawotos Bamboo-Häuser (Singapur); Rosids Holzhütte (Indonesien)) auf dieser 4. Singapur Biennale nur wenige überzeugende Werke zu finden.

Hazel Lim, A Botanical and Wildlife Survey – Singapore, 2013

Shirley Soh, Seeing (from) the other, 2013

 

Da ist etwa das mäßig originelle Rischka-ähnliche Gefährt namens „Motorela“, ein zum Mini-Auto erweitertes Motorrad , das laut der siebenköpfigen Künstlergruppe Siete Pesos (Philippinen) 1964 in Cagayan de Oro erfunden wurde.

Siete Pesos, 2243: Moving Forwards, 2013

Obendrauf montierten sie ein Kanu, innen läuft eine Videoprojektionen. Ursprünglich sollte es von einem Biennale-Ort zum nächsten chauffieren. Aber jetzt steht es nur im Untergeschoß des National Museums und erinnert doch arg an Rirkrit Tiravanijas Rischka, die er 1997 in der „Cities on the Move“-Ausstellung in der Wiener Secession zeigte.

Ken + Julia Yonetani, Crystal Palace: The Great Exhibition of the Works of Industry of All Nuclear Nations, 2012-13

Anders entwickelt immerhin durch den Titel eine interessante Dimension wie die 31 fluoreszierenden Kronleuchter des Duos Ken + Julia Yonetani (Japan/Australien). Was wie eine harmlose, zeitgenössische Version dekorativer Antiquitäten aussieht, erweist sich als Post-Fukushima-Arbeit, die sich auf die 31 Atomkraftwerk-betreibenden Nationen bezieht. Die jeweilige Größe der Leuchter entspricht der Menge an aktiven Anlagen. Der Titel führt noch weiter: „Crystal Palace: The Great Exhibition of the Works of Industry of All Nuclear Nations“ – eine Anspielung auf erste Weltausstellung 1851 in London, auf den Glauben an technische Entwicklungen, ihre Kosten und Konsequenzen.

 

Tran Tuan, Forefinger, 2013

Manches lässt kurz stutzen wie Tran Tuans (Vietnam) Riesen-Daumen, geknickt wie der Finger am Abzug einer Pistole – eigentlich eine schöne Idee, sieht aber lose im Museum verteilt eher aus wie verlorene Körperteile von Kingkong. Allzu leicht übersehen dagegen werden die Schrubber im Gang des National Museum.

Leroy Sofyan

Aus Marmor, Seife und Holz gebaut, gehören die Objekte zu Leroy Sofyans (Singapur) „Whitewash“-Serie, die weit über einen ´institutional critic´-Anspruch hinausgehen. Sicherlich wird hier auch auf Putzen als Teil des Museums hingewiesen. Mehr noch stellt diese Arbeit aber das Gegenstück zur musealen Aufgabe des Bewahrens dar, ist sozusagen eine gefährliche Gegenwart zur Vergangenheit. In Singapur kommt noch ein Kontext-Bonus hinzu: Anspielungen auf die sauberen Strassen mit den Geldstrafen für Verschmutzung durch Kaugummi, Zigaretten oder ähnliches, aber auch das manische „upgrading“, die stetigen Verbesserungen, die keinen Platz mehr lassen für das Alte.

Khavey Samnang, Untitled, 2012-13

Und weniges lässt ahnen, dass hier in der Region nach einem künstlerischen Ausdruck für die gewaltigen Veränderungen in Gesellschaft und Leben gesucht wird: In einer 3-Kanal-Videoprojektionen sehen wir, wie Khavay Samnang (Kambodscha) im Wasser steht und sich eimerweise Wasser und Sand über den Kopf schüttet. So idyllisch die Szene zunächst erscheint, so traurig ist es: Die Regierung von Kambodscha erlaubt immer mehr privaten Investoren, die vielen öffentlichen Seen in Phnom Penh zuzuschütten, um neues Land zu gewinnen. Und Lam Hieu Thuan (Vietnam) dokumentiert mit kurzen Schnitten aus immer gleicher Perspektive unkommentiert und ungeschönt ein ärmliches, mehrstöckiges Appartmenthaus in Ho Chi Minh City. In den 1960ern stolz als „President Building“ mit 13 Etagen errichtet, haben sich die Bewohner heute eine kleine eigene Sozialstruktur auf den Gängen errichtet, karg, aber kommunikativ – ein verlorener Traum von gestern, angepasst an die Minimalbedürfnisse von heute.

Man möchte mehr von solcher künstlerischer Auseinandersetzung mit unserer Welt sehen. Aber dazu bedarf es einer kuratorischen Struktur, die mit mehr als nur dem Aussuchen von Werken beauftragt wird – zu der Singapur hoffentlich in Zukunft wieder zurückfinden wird.

Singapur Biennale, 26. Oktober 2013 – 16. Februar 2014

Ahmad Abu Bakar (Malaysia): Ein Schiff mit Glasflaschen, die kurze Botschaften von männlichen Gefängnis-Insassen enthalten, Singapur Biennale 2013

 

Vu Hong Ninh (Vietnam), Little Soap Boy, 2009

 

Iswanto Hartono & Raqs Media Collective, The 5 Principle No-s, 2012