56. Biennale Venedig 2015

10. Mai. 2015 in Biennalen

56. Biennale Venedig 2015

Kenia, Costa Rica, auch Grenada: Zur Finanzierung ihres Länderauftritts auf der 56. Biennale Venedig vermieten Kuratoren die Ausstellungsfläche. Da stellen dann vor allem wenig bekannte italienische und zunehmend chinesische Künstler unter bunten Flaggen aus. Das führte im Falle von Kenia zu massiven Protesten.

Kurz vor Eröffnung der renommierten Weltausstellung zog Kenias Kulturminister die Notbremse und sagte den Pavillon ab. Auch im Pavillon von Costa Rica eskalierte die Situation: 5000,- Euro mussten die eingemieteten Gäste zahlen. Ein italienischer Künstler beschwerte sich über die Gesamtsumme von 95.000,- Euro, er wollte eine ganze Etage alleine füllen. Damit wurde das Geschäft überhaupt erst publik, der in Rom ansässige Botschafter Costa Ricas schaltete sich ein – und auch hier folgte schlussendlich der Rückzug.
Beide Länder kündigten an, zur nächsten Edition einen ordentlichen Auftritt vorzubereiten. Dazu bedarf es einer stattlichen Grundfinanzierung, ohne die ein Auftritt in der wichtigsten aller Kunstausstellungen nicht möglich ist. Ob eines jener 29 Länder, die über ein eigenes Gebäude in den Giardini verfügen, oder jene 59 Länder, die Räume im Arsenale bzw. in der Stadt ein Palais anmieten – die Beteiligung ist kostenintensiv. Die größeren Palazzi im Stadtraum kosten bis zu 150.000,- Euro für die heuer sechsmonatige Laufzeit. Aber auch die fixen Pavillons kosten, denn sie müssen zu jeder Ausstellung komplett renoviert werden. Australien ließ die 1988 erbaute, offene und angenehm leichte Architektur sogar abreißen. Der neue, massive, dunkle Kubus kostete 4.7 Mio Dollar. Für die erste Ausstellung inszeniert Fiona Hall „Wrong Way Time“: Eine Wunderkammer mit Hunderten von Objekten, in Vitrinen angeordnet und dramatisch ausgeleuchtet. Nicht weniger als die globale Politik, die Weltfinanzen und unsere Umwelt stehen zur Diskussion – zu viel, um es auch nur annähernd decodieren zu können in den bemalten Geldscheinen, gebastelten Tieren und Masken, mit bedeutungsvollen Texten beschriebenen Standuhren.
Trotzdem passt der Beitrag perfekt in das Gesamtthema dieser 56. Biennale Venedig: „All the world´s futures“. ´Zukünfte´, das funktioniert nicht in unserer Sprache, aber die Botschaft ist klar: Statt eines einzigen, universal angelegten Programms braucht es pluralistische Konzepte – und da schauen alle hoffnungsvoll auf die Kunst. Aber bietet auch nur ein einziger Künstler ein Modell, das nicht schon gedacht ist? Nein, so hoch soll aber auch nicht gegriffen werden. Es geht um die kleinen Entwürfe, die oft weitaus wirkungsvoller sein können als die großen Gesten. Da verwandelt etwa der Schweizer Künstler Christoph Büchel als Länderbeitrag Islands auf der 56. Biennale Venedig die Santa Maria della Misericordia Kirche in eine Moschee. In enger Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinschaft Venedigs entwickelt, ist es die erste Moschee in der langen Geschichte der Lagunenstadt, die immer eng mit der arabischen Welt verknüpft war.

Simon Denny

Für Neuseeland inszeniert Simon Denny eine wilde, gut gemeinte, aber kryptische Installation zur „Post-Snowden-Welt“. Deutlicher nimmt der brasilianische Künstler Vik Muniz Stellung: Er lässt ein 13 Meter langes Boot im Arsenale-Hafen schwimmen. Zwar aus Holz gebaut, scheint es aus einer Zeitung gefaltet zu sein und ist bedruckt mit einer italienischen Ausgabe vom Oktober 2013, in der über afrikanische Flüchtlinge berichtet wird, die vor Lampedusa kenterten. Allerdings liegt das Boot weit hinten auf dem Wasser vor Anker, denn Muniz ist gar nicht eingeladen von der Biennale, sein Beitrag schummelt sich einfach dazu.

Tobias Zilony

Flüchtlinge sind auch in Tobias Zielonys Beitrag im Deutschen Pavillon das Thema. Er ist einer von fünf Künstlern, die jeder einen komplett abgeschotteten, eigenen Raum erhielten. Denn der Pavillon wurde für die 56. Biennale Venedig massiv verändert, eine Zwischendecke ist eingezogen, der Haupteingang zugemauert. Selbst das Dach ist heuer einbezogen, dort lässt Olaf Nicolai Bumerangs produzieren, die ständig ausprobiert und optimiert werden – der Wurf in den weiten Raum als Sinnbild für Kunst.

Heimo Zobernig

Aber nicht alle reihen sich in die Praxis politisierender Kunst ein. Im Österreichischen Pavillon kümmert sich Heimo Zobernig wenig um die Welt und ihre Probleme. Er konzentriert sich auf den direkten Kontext, und der ist architektonisch: Der in Wien lebende, 1958 in Kärnten geborene Künstler ließ die unterschiedlichen Raumniveaus des 1934 erbauten Pavillons auf eine durchgehende Ebene vereinheitlichen und schwärzen, die Decke ist mit einer schwarzen Fläche vier Meter abgehängt. Alles ist sehr elegant, kein Ausstellungsobjekt stört die radikale Reduktion. Man könne hier über die menschliche Präsenz im Raum sinnieren, oder über die Form, wie Kunst präsentiert wird, erklärt der Pressetext. Tatsächlich strahlen die Räume eine angenehme Ruhe aus und sind damit ein starkes Gegengewicht zu vielen anderen Beiträgen.

Chiharu Shiota

Ob in den Pavillons von Spanien (Cabello/Carceller, Pepo Salazar, Francecs Ruiz, Salvador Dali), Kanada (Künstlerkollektiv BGL), USA (Joan Jonas) und auch Japan (Chiharu Shiota): Dort herrscht ein Mehr ist Mehr-Prinzip. In dieser Hinsicht ist Zobernigs Beitrag doch politisch lesbar: Die Beschränkung auf das Wesentliche ist der perfekte Ausgangspunkt für eine Neubesinnung, über die Zukunft unserer Welt, aber auch über die Zukunft der Biennale: Ist das – durchaus legale – Geschäftsmodell vermieteter Ausstellungsflächen in den Länderpavillons der Biennale sinnvoll? Müssen die Budgets für die Länderpavillons immer weiter wachsen? Geht der Wettberwerb des Überbietens endlos weiter? Wäre ein radikaler Schnitt nicht notwendig?

Kanada, BGL

Biennale Venedig, 9.5.-22.11.2015

veröffentlicht in: Die Presse, 7.5.2015

Frankreich: Celeste Boursier-Mougenot

 

Venezuela: Felix Molina