6. Beaufort Triennale (Belgien) 2018

07. Mai. 2018 in Ausstellungen

6. Beaufort Triennale // SBV

6. Beaufort Triennale // SBV

In Belgien leben gut 11 Millionen Menschen. Mindestens die Hälfte will offenbar eine Ferienwohnung an der nur 65 Kilometer kurzen Küste bewohnen. Den Eindruck vermitteln jedenfalls die Mengen von 1970er Jahre-Hochhausburgen und jüngst gebauten Luxusapartment-Blocks. Und man kann es den Menschen nicht verübeln. Denn die Nordsee zwischen De Panne im Süden und Knokke im Norden bietet nicht nur Sonne, Sand und Meer.

Michal Gabriel, 4. Beaufort Triennale 2012 // SBV

Michal Gabriel, 4. Beaufort Triennale 2012 // SBV

Hier entstand in den letzten fünfzehn Jahren auch ein einzigartiger Freiluft-Skulpturen-Parcours. Auf den Plätzen in den Ortschaften, vor allem aber in den Dünen, unten am Strand und sogar umspült von Wellen mitten im Wasser platzierten Künstler ihre Werke.

Nick Ervinck, 4. Beaufort Triennale 2012

Nick Ervinck, 4. Beaufort Triennale 2012

22 permanente Kunstwerke wurden bisher angekauft, die alle im Rahmen der Beaufort Triennale entstanden.
2018-05-05-11-33-48-kopieGegründet 2003, findet die nach dem Erfinder der Windstärken-Skala benannte Triennale heuer zum sechsten Mal statt. 
Kuratorin ist Heide Ballet, die das „Meer als unbeherrschbaren Ort“, aber auch die „Rolle der Denkmäler“ als Thema vorgab: „Wie kann ein Denkmal einem Ort eine Bedeutung verschaffen? Welche Auslegung erhält es von den Anwohnern?“ Finanziert werden die Produktionen je zur Hälfte von den Städten und der staatlichen Tourismusagentur Westtoer, jede Gemeinde steuert 75.000 Euro bei. Damit konnten heuer 19 Werke in 9 Gemeinden realisiert werden, darunter zwei ephemere Konzepte: Edith Dekyndts Performance, die das Denkmal von Albert I putzen lässt. Es sei eine Kritik an der einseitig männlichen Monument-Kultur, in der die Leistungen von Frauen während der Kriege vergessen werden, erfuhren wir bei der Besichtigungstour.

Installation von ROTOR auf der 2. Brügge Triennale // SBV

Installation von ROTOR auf der 2. Brügge Triennale // SBV

Und das belgische Architektenteam Rotor lässt an einigen ausgewählten Termin Spitzenköche in Pop-Up-Restaurants Speisen mit der chinesischen Wollhandkrabbe zubereiten. Die Tiere wurden um 1930 wahrscheinlich durch Schiffe aus China nach Bremen eingeschleppt, vermehren sich seither massiv und breiten sich bereits bis Portugal aus. Rotor recherchierte das Thema für die 2. Brügge Triennale, wo sie einige eingefangene Tiere, historische Schiffe und ähnliches Material ausstellen. Mit dem Restaurant wollen sie demonstrieren, dass die Tiere nicht nur als böse Invasoren getötet, sondern als Delikatessen verspeist werden können.
Massiv und monumental dagegen besetzt das Duo Jos De Gruyter & Harald Thys den Strand von De Panne mit ihrer Skulptur „Die Drei Naseweis“: Drei Köpfe thronen auf formal merkwürdig uninspirierten Stelen und schauen in verschiedene Richtungen, auf das Meer, Richtung Frankreich und Richtung Belgien. Eigentlich erinnern sie eher an faschistische Denkmäler als an Naseweis.

Simon // SBV

Simon Dybbroe Moller, The Navigator Monument, 6. Beaufort Triennale 2018 // SBV

 

Überdimensional ist auch Simon Dybbroe Mollers maritimes Steuerrad, dass in Westende-Bad im Sand versunken zu sein scheint und schnell zum Instragram-Liebling avancierte (#beaufort2018). Was wie ein altmodisches Teil historischer Schiffe erscheint, ist zugleich ein Symbol für unsere Internetzeit, denn der frühe Webbrowser Netscape Navigator verwendete das Teil als Logo.

Ryan Gander // SBV

Ryan Gander, Beaufort Triennale 2018 // SBV

Nieuwpoort kaufte das Werke sofort an, und auch Koksijde-Bad entschied, die kleine, glitzernde Kugel aus Edelstahlteilen von Ryan Gander behalten zu wollen – obwohl sich die inhaltliche Ebene kaum erschließt, was dem Künstler durchaus bewusst ist: „Really Shiny Things That Don´t Really Mean Anything“ ist der Titel.

Nina Beier, Men, 2018 // SBV

Nina Beier, Men, Beaufort Triennale 2018 // SBV

Erzählerisch, kritisch, poetisch ist dagegen Nina Beiers großartiges Reiterfiguren-Ensemble: Sie suchte ausrangierte Reiterdenkmäler, die sie in musealen und privaten Sammlungen fand. Diese Bronzefiguren stehen jetzt eng beisammen auf einer Wellenbrecher-Buhne in Nieuwpoort. Bei Flut schlagen die Wellen hoch, als würden die Reiter aus dem Meer angestürmt kommen.
Humorvoll-kritisch ist Guillaume Bijls Beitrag „Sorry“: Er änderte die Tradition, nur Menschen ein Denkmal zu setzen. So thront jetzt ein Hund auf einem Sockel, rund herum schauen kleine Hunde betrübt zu ihre Artgenossen hoch. Das Bronzetier auf dem Sockel habe im 1.Weltkrieg als Spürhund gedient und sei in Westflandern gefallen, heißt es in der historisch wirkenden Inschrift.

Kader Attia, Holy Land, Beaufort Triennale 2018 // SBV

Kader Attia, Holy Land, Beaufort Triennale 2018 // SBV

Höhepunkt der diesjährigen Triennale ist Kader Attias „Holy Land“ in Middelkerke: Im Sand stehen vierzig Formen. Die Spiegel auf der Meer-Seite zeigen ein idyllisches Bild, das Versprechen einer schillernden Welt.

Kader Attia, Holy Land, Beaufort Triennale 2018 // SBV

Kader Attia, Holy Land, Beaufort Triennale 2018 // SBV

Von der Landseite aus sind die Formen dagegen eingeschwärzt und erinnern an Grabsteine. Unübersehbar ist hier Attias Anspielung auf Migration, womit er einer der wenigen Künstler der Triennale ist, der das Meer als Todesfalle für Migranten zeigt. Aber es ist gerade die Mischung aus schönen Bildmotiven mit komplexen und kritischen Werken, die den Charme dieser Triennale ausmacht.

Beaufort Triennale, 30. März – 30. September 2018, Eintritt frei