7. Art Dubai 2013

30. Mrz. 2013 in Kunstmesse

Mounir Fatmi, Art Dubai 2013

7. Art Dubai

Zwei elegante Sessel stehen vor dem Fenster, eine Schale Obst dazwischen. Dahinter läuft ein Video: ein atemberaubender Blick aus nächster Nähe auf die Kaaba. Der saudi-arabische Künstler Ahmed Mater hat diese Szene für die Sharjah Biennale inszeniert. Dazu zeigt er sieben großformatige Fotografien. Denn dieses Hotel, in dem man für 3000,- $ die Nacht ganz ungestört das zentrale Heiligtum des Islams betrachten kann, ist Teil eines großen Bauprojektes: Rund um die Kaaba entstehen gigantische Architekturen von Zaha Hadid, Norman Foster oder Shigeru Ban.

Mater, im Hauptberuf Spitalsarzt und einer der bekanntesten Künstler Saudi-Arabiens, lebt seit 2011 in Mekka, um diese drastischen Veränderungen künstlerisch zu verarbeiten. Hier entstehe eine „symbolische Stadt“, zu der die Einwohner Mekkas keinen Eintritt haben, in der die Spannungen zwischen dem öffentlichen und privatem Raum immer mehr wachsen, erklärt er.

34_1_Ahmed Mater,Golden Hour aus dem Projekt _Artif,2011,H250 x W300 cm,Artist & Athr Gallery

 

Athr Gallery, Art Dubai 2013

Einige Fotografien dieser „Dessert of Pharan“-Serie bietet die Athr Gallery (Jeddah, Saudi Arabien) auf der Art Dubai an, die eine halbe Autostunde entfernt wenige Tage nach der Sharjah Biennale eröffnete. Stolze 40.000,- $ kosten die Hochglanz-Bilder, die nicht von ungefähr an die Werke von Andreas Gursky erinnern – denn Mater lässt die Großformate in Düsseldorf produzieren. Aber anders als Gursky dienen Mater die Bildmotive als Kritik – die keineswegs ungefährlich ist, wie er zugibt. Er balanciere auf einer „roten Linie“, sagt Mater, eine Art Sicherheitszone, denn hinter seiner scharfen Kritik am Kommerz stehe ein tiefer Respekt für die Menschen in Mekka.

Art Dubai 2013

Mit seinen Fotografien gehört Mater zu den meistdiskutierten Künstlern der diesjährigen 7. Art Dubai. An seinem Werk entzünden sich Fragen zur Überästhetisierung Mekkas; Zensurfragen, inwieweit seine Kombination von Respekt und Kritik sein Werk schützt; aber auch Preisfragen, denn der Kunstmarkt in der Golfregion findet noch hauptsächlich im Segment bis 20.000,- $ statt. Der Markt hier ist noch jung, in Saudi Arabien etwa gebe es höchstens 20 Sammler, erklärt ein Galerist. Aber nicht zuletzt durch die Art Dubai ist die Tendenz steigend, und zwar rasant. Jahr für Jahr kommen mehr Sammler aus Kuwait, Iran und selbst dem unstabilen Irak, aber auch Europa hierher, um Kunst aus der MENASA-Region (Middle East, North Africa, South Asia) zu entdecken. 60% ihres Jahresumsatzes machen die über 50 in Dubai ansässigen Galerien in der Messewoche.

Ayyam Gallery, Dubai

Dubai hat sich innerhalb von nur sieben Jahren zum Kunstzentrum der Golfregion etabliert – und das lässt sich auch an den Verkäufen auf der Messe ablesen. 75 Galerien aus 30 Ländern nehmen heuer teil und zur Voreröffnung waren vor allem Werke von jungen Künstlern gefragt. Wie ein Leitmotiv zieht sich dabei das Thema von Gewalt, Bedrohung, Schrecken durch, in den Bildern das Libanesen Alfred Tarazi, der sich mit den traumatischen Folgen des libanesischen Bürgerkriegs auseinandersetzt (The Running Horse, Beirut, ab $ 4000,-), in dem in Bronze gegossenen, tiefschwarz gefärbten Besteck mit spitzen Dornen von Fadi Yaziji (Atassi Gallery, Damaskus, 3000,- $) oder in Tammam Azzams Fotografie „Freedom Graffiti“: Azzam montiert Gustav Klimts „Kuss“ auf eine von Schüssen durchlöcherte Hausfassade in Syrien – ein intensives Bild für verlorene Träume (Ayyam Gallery, Damaskus, 20.000,- $).

A Nation’s Inflation 5 LL, Alfred Tarazi, 2011 Courtesy The Running Horse, Beirut

 

Tammam Azzam Syrian Spring 112×112 cm Archival Print on Cotton Paper Edition of 5, 2012 Courtesy the artist and Ayyam Gallery

Aber nicht nur in den Themen dieser Arbeiten spiegelt sich die politische Realität dieser Region. Auch die Techniken, Stile und Zitate verweisen auf eine deutliche Orientierung: Immer weniger interessiert hier ein West-Bezug. Stattdessen stehen regionale Verbindungen im Fokus. Und die Betonung liegt hier auf dem Wort ´Verbindungen´, denn die Werke wollen nicht provozieren, nicht in modernistischer Attitüde Tabus brechen oder Schranken einreißen, sondern Brücken schaffen, wo es eigentlich Brüche gibt, neu  ordnen, wo die alte Ordnung nicht mehr funktioniert. Wie ein aufgeschlagenes Buch hat Shazia Sikander ihre Bild „Motif As Transition“ angelegt, auf dem sie die Sprache der Miniaturmalerei mit abstrahierten Stadtansichten kombiniert, überlagert mit brachialen, schwarzen Linien – jede Bildebene ein eigener Ausdruck für eine immer komplexer werdende Welt (Pilar Corias, 140.000,- $) – gekauft von einem chinesischen Sammler.

Shahzia Sikander, Motifs As Transition, 2013, Gouache, handgemalte Goldblätter, Pigmente auf Papiere, 203x20x173cm, c: Pilara Corias

Radikal ist Walid Raads Werk, das um das Entstehen von Kunstszenen im arabischen Raum kreist und nur mehr die Reflexionen der Bilder festhält (Sfeir-Semler, Beirut/Hamburg, ab 25.000,- $), oder Mechac Gabas Bilderrahmen, auf die Motive von Geldscheinen gedruckt sind – und das Bild selbst fehlt (Galerie Fabiene Leclerc, Paris, Triptychon ab 4000,- Euro).

Victoria Miro Gallery, Dubai 2013, Yayoi Kusama

Ein „global ausgerichteter Katalysator für regionale Entwicklungen“ sei die Art Dubai, erklärt Messedirektorin Antonia Carver. Bestärkend wird dazu seit letztem Jahr jeweils ein Schwerpunktland eingeladen, zuerst Indonesien und heuer Afrika. 54 Länder umfasst der Kontinent, weshalb sich die in Lagos lebende Kuratorin Bisi Silva auf Westafrika konzentrierte. „Cities in Transission“ nennt sie ihre Auswahl, denn ähnlich wie die Golfregion seien auch die afrikanischen Städte in einem enormen Veränderungsprozess begriffen. Fünf Teilnehmer lud sie ein, die meisten davon allerdings nicht-kommerzielle Räume. Es ist nur ein erster, kleiner Einblick in eine noch wenig bekannte Kunstszene, aber auch hier fällt das Leitmotiv einer bedrohlichen Welt auf, in den drastischen Fotografien von Müllstilleben, die im Fluss treiben (Charles Okereke), oder in den Fotografien in der Galerie Carpe Diem aus Segou. Es sind Bilder einer neuen Generation von Portrait-Fotografen. Dicko Harandas Menschen allerdings sehen wir nicht als fröhlich in die Kamera Schauende, sondern in von Gewalt geprägten Posen (ab 1500,- Euro). Die Welt, will es auf dieser Messe scheinen, befindet sich im Zustand der Extreme.

Walid Raad,Preface to the Seventh Edition_4,2012,73.6 x 110.5 cm,Sfeir-Semler Gallery, Beirut and Hamburg

veröffentlicht in: FAZ 22.3.2013

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/messen/gegenwartskunst-hier-ist-nicht-alles-eine-frage-des-preises-12124428.html

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Shi Jinsong,The Inner Garden,2013,Art Dubai

Nachbericht 7. Art Dubai 2013

Nach sieben Jahren hat die Art Dubai heuer endgültigen den Durchbruch geschafft. Vorbei die Zeit, dass die Galeristen aus Unsicherheit Pferde- und Falkenbilder anboten. Vorbei auch die Wirtschaftskrise in Dubai, denn heuer wurde soviel verkauft wie nie zuvor. Erstmals kamen in den vier Messetagen mehr als 25.000 Besucher, darunter 75 Museumsgruppen, über 300 Institutionsleiter und zahlreiche Sammler, darunter viele Schweizer und Belgier. Selbst aus dem Libanon ließen es sich die Sammler nicht nehmen, die Messe zu besuchen – obwohl die Flugzeuge einen mehrstündigen Umweg nehmen mussten, um den unsicheren Luftraum über Syrien zu meiden. So konnte die Ayyam Gallery gleich mehrere Skulpturen des libanesischen Künstlers Nadim Karam bei Preisen ab 55.000,- $ verkaufen. Nahezu alle Stände meldeten hervorragende Verkäufe, vor allem von Künstlern der Region, die mit 50% der angebotenen Werke den Schwerpunkt bildeten. Gleich mehrmals hätten sie die filigran-meditative Zeichnung des pakistanischen shooting-stars Waqas Khan verkaufen können, erzählt Ursula Krinzinger (Wien). Ein Schweizer Sammler sicherte sich das Werk für 7.400 Dollar. Aber es waren nicht nur Künstler der MENASA-Region, die hier gefragt waren. Rodolphe Janssen (Brüssel) verkaufte ein Werk von Kendell Geers (31.000,- $) und Victoria Miro (London), die heuer erstmals teilnahmen, gleich drei Werke von Yayoi Kusama. Einen wegweisenden Auftritt legte Wim Delvoy mit seiner Einzelausstellung bei Arndt (Singapur) hin: Der belgische Künstler inszenierte seine ornamentalen Bronze- und Stahlobjekte im Ambiente eines originalen 19. Jahrhundert-Salons aus Aleppo.

Die zunehmende Bedeutung der Art Dubai ist aber nicht nur an den Besucherzahlen und Verkäufen abzulesen, sondern auch am Parallelprogramm, das heuer wieder im Nachbaremirat Katar mit Führungen in Privatsammlungen, Diskussionen und Ausstellungen begann. In Dubai diskutierten Stargäste wie der Schriftsteller Douglas Coupland mit Mike Stipe, ehemaliger Lead-Singer der Band R.E.M. Beide besuchten früher eine Kunsthochschule. „Ich war pathologisch schüchtern und ein schrecklicher Maler – alle Werke von damals habe ich verbrannt“, verrät Stipe. Jetzt startet er einen erneuten Versuch als Künstler. An den Abenden gaben Auktionshäuser, internationale Messen und das neue „Palestinian Museum“ Empfänge. Es wird 2014 in der Nähe von Ramallah eröffnen und es sei ihre Hoffnung, ein „sicherer Platz für unsichere Ideen“ zu werden, benennt Direktor Jack Persekian das Motto des Hauses.

Dieses Motto kann auch über der Art Dubai stehen, denn das Emirat am Golf entwickelt sich zum Magneten für die Region: Immer mehr Galerien und Künstler ziehen hierher, immer weniger Zensur findet statt, immer offener können Künstler kritische Werke präsentieren. Dubai hofft, 2020 Austragungsort der Weltausstellung zu werden, Toleranz ist dafür ein wichtiger Faktor. Zunächst aber wird die 8. Art Dubai stattfinden (19.-22.3.2014), Schwerpunktland: Zentralasien und Kaukasus.

Huma Mulji,The Miraculous Lives of This and Th,2013,Cabinet_ 165.1 cm x 138.4 cm x 231 ,Abraaj Group Art Prize 2013

 

Dicko Harandane,On s’explose devant l’appareil phot,2006,40 X 60,Gallery Carpe diem

 

Charles Okereke,Red Alert,2009,68cm x 50cm,Charles Okereke

 

Batoul S’Himi,Un Monde Sous Pression (World under,2012,30×30 cm,Rose Issa Projects

veröffentlicht in: FAZ, 30.3.2013, Sicherer Platz für Kunst