Anleitung zum Sammeln

07. Dez. 2015 in Kunstmarkt

c Franz Wojda

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Noch nie zuvor wurde so viel Kunst produziert und noch nie gab es derartig viele Menschen, die Kunst besitzen möchten.

c F. Wojda

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Kunstsammeln ist heute nicht mehr nur ein im Privaten betriebenes Hobby, sondern wird zunehmend als Investition angesehen und gilt als soziale Auszeichnung. Man gehört zu einer elitären Schicht, die sich auf Kunstmessen und in eigens etablierten Museumsgremien trifft. Aber ab wann spricht man von einer Sammlung, ist es eine Frage der eingesetzten Kapitals, der Menge an Kunstwerken, des eigenen Wissenstands, der Vernetzung?

c F. Wojda

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Darauf gibt jetzt der österreichische Sammler Franz Wojda eine Antwort: Eine Sammlung sei „das Zusammenspiel und Ergebnis von meist wohlüberlegten Entscheidungen, die im Laufe mehrerer Kunstkäufe getroffen werden“, schreibt er in seinem Buch „Das Sammeln zeitgenössischer Kunst“ (Verlag Für Moderne Kunst, 2015). Genau diese „wohlüberlegten Entscheidungen“, also das ´was´, ´wie´ und vor allem das ´wozu sammele ich´, analysiert Wojda auf 210 Seiten. Das Motto seiner „Gesamtbetrachtung der Kunstwirtschaft“: „Die richtigen Dinge tun und die Dinge richtig tun!“ Seine zentrale These dazu: Erste Voraussetzung ist es, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten in der „Kunstwirtschaft“ zu kennen, denn sonst könne man nicht Agieren, sondern nur Reagieren.

Franz Wojda @ Maximilian Pramatarov

Franz Wojda @ Maximilian Pramatarov

Diese Überzeugung basiert auf Wojdas langjährigen Erfahrungen als Sammler. Sein Einstieg startete 1971 und dient ihm als Fallbespiel. Damals begann er, gemeinsam mit seiner Frau Sigrid Kunst zu kaufen. Um 1980 entschied er, „es benötigt ein Konzept“. Also konzentrierten sie sich zunächst auf österreichische junge, ab 1990 dann auf internationale, zuletzt auf osteuropäische Kunst. Aber Kaufen ist das eine, Sammeln etwas anderes. Immer wieder habe er Bücher darüber gelesen, erzählt der promovierte Betriebswirt. Darunter sei keines gewesen, dass den Prozess selbst beschreibt. Daher beschloss er, diese Lücke zu füllen. Als ehemaliger Leiter des Instituts für Managementwissenschaften kombinierte er für sein Buch eigene Sammler-Erfahrungen mit wissenschaftlichen Methoden, gliederte das weite Feld der Kunstwirtschaft in acht Kapitel und lud Autoren für jene Bereiche ein (u.a. Stefan Kobel, Nina Schedlmayer, Edelbert Köb), die ein Spezialwissen erfordern wie etwa die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen.

c F. Wojda

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Kunstsammeln ist ein komplexer Prozess und zunächst einmal müssen die Ziele geklärt werden: Sind es ökonomische, also möglichst hohe Gewinne durch Wiederverkäufe wie beispielsweise die Wiener Pomeranz Collection, die hauptsächlich auf Wertsteigerung zielt? Das zieht oft Verkäufe jener Werke nach sich, die sich nicht erwartungsgemäß entwickeln. Aber da lauern Gefahren, die im Buch auch beschrieben werden: Wer privat verkauft, muss zwar nichts versteuern, die Grenze zum Gewerblichen ist jedoch dünn. Da muss zum einen die Spekulationsfrist von einem Jahr eingehalten werden. Zum anderen können schon mehrere, regelmäßige Verkäufe die Situation verändern und die Verkäufe als steuerpflichtige Tätigkeit eingestuft werden.

c Franz Wojda

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Oder ist die Motivation zum Kunstkauf eher reine Begeisterung, vielleicht gekoppelt mit dem Wunsch, sich eine gesellschaftliche Geltung zu verschaffen und die Kultur zu unterstützen? Sieben Grundtypen schlägt Wojda in dem Buch vor, in die sich jeder einordnen kann. Um dann über die Ziele und Gründe zu klaren Kriterien und Strategien des Sammelns zu kommen: Will man spontan oder wohlinformiert kaufen, risikoreich oder nur Etabliertes, kann man Qualität erkennen und sucht die Meisterwerke, will man die Sammlung breit anlegen oder eher größere Konvolute einzelner Künstler erstehen? Diese Entscheidungen sind natürlich eine Frage des Wissen – und des Budgets. Aber erst das „konsequente Verfolgen eigener Ziele, nach selbst erstellten Regeln, macht einen Sammler letztlich auch zu einem ´Jäger´, der hartnäckig eine Spur verfolgt, um schließlich ein Werk für sich zu gewinnen,“ schreibt Wojda. Wie breit will man die Sammlung thematisch anlegen, wieviel Platz steht zur Verfügung, wo sollen die Werke gezeigt werden, ist Lagerfläche vorhanden, will man Ausleihen und Ausstellen, wie dokumentiert man die Sammlung?
Alle diese Fragen müssen geklärt werden, und Wojda gibt konkrete Tipps, darunter die „Checkliste für Objekte“: Welche Informationen benötigt man über das Werk, sind die Verleih- und Vervielfältigungsrechte im Kaufvertrag enthalten, ein elektronisches Bild beigefügt, für das man Publikationsrechte hat? Bei solchen Passagen im Buch fragt man sich, wieso Galerien solche Vereinbarungen nicht selbstverständlich in jedem Kaufvertrag übernehmen: „Das wäre der nächste Schritt für Galerien,“ antwortet Wojda darauf diplomatisch. Wichtig auch sein Ratschlag, die Informationen über die Kunstkäufe „in mehrfacher Ausfertigung an sicheren Orten“ zu verwahren – vor allem die Zertifikate von konzeptuellen und performativen Werken übrigens! Denn juristisch gesehen existieren solche Werke ausschließlich mit dem Originalzertifikat, verbrennt oder verschwindet das, ist auch das Werk verloren.
Aber Wojda richtet den Blick nicht nur auf die Käufer, sondern auch auf die Produzenten. Er befragte Künstler, in welcher Beziehung sie zu Sammlern stehen – erfolgt eine Beeinflussung? Sammler seien „Teil des Systems, die ebenfalls Dinge reflektieren und somit die Kunst beeinflussen“ und „ein Korrektiv“ seien, antwortet Erwin Bohatsch. Heimo Zobernig sieht die Nachfrage nach seinen Werken „durchaus relevant für die Produktion, nur reagiere ich darauf eher zurückhaltend.“ Helmut Federle dagegen verneint jeglichen Einfluss und Katharina Grosse gibt sich sibyllinisch: „Alles kann meine Arbeit beeinflussen, Licht, Gestank, Höhlenmalerei, Förg oder verwegene Musik. Am engsten ist der Austausch mit dem Sammler, wenn er zum Auftraggeber wird. Ich liebe es, Erwartungen nicht zu entsprechen und sie dennoch als Echowand zu haben.“ Auch Dasein als Echowand muss gelernt werden, und dafür hat Wojda diesen Ratgeber geschrieben.

veröffentlicht in: Die Presse, 6.12.2015

Das Sammeln zeitgenössischer Kunst, Hrsg. Franz Wojda und Werner Rodlauer, Verlag für moderne Kunst, 2015