Asta Gröting – Im Bauch des Museums

25. Feb. 2006 in Ausstellungen

Asta Gröting – Die Inneren Stimmen in Herford
Irgendwo in Ost-Westfalen, eine Zugstunde von Hannover entfernt, in einer kleinen Kreisstadt mit 65.000 Einwohnern, steht eines der architektonisch spannendsten Museen Deutschlands. Die Wände sind gekrümmt, die Decken endlos hoch und auf kleine Dachluken hin zugespitzt, die von außen wie umgekippte Kübel eine eigene Dachlandschaft bilden. Nach Bilbao und Los Angeles hat nun auch Herford einen weit über die Landesgrenzen hinweg leuchtenden Bau des Architekten Frank O’Gehry. Die ersten Verhandlungen begannen 1997. Geplant war das Museum als ein „Haus der Möbel“, doch Gründungsdirektor Jan Hoet setzte sich kompromisslos für ein Haus zeitgenössischer Kunst ein, das wechselnde Ausstellungen zeigen und eine eigene Sammlung aufbauen sollte. Heute weist nur noch der merkwürdige Name auf die Entstehungsidee hin, in voller Länge „Möbel-Art–Ambiente“. Ende 2004 war Voreröffnung, seit Mai letzten Jahres bespielt Hoet das Haus in Herford mit regelmäßigen Ausstellungen – die ob der dominanten Architektur jedes Mal eine Herausforderung bedeuten. Für die Videoarbeiten von Asta Gröting jedenfalls scheinen die drei geschwungenen Räume wie geschaffen.
1993 drehte Asta Gröting erstmals ein Video mit einem Bauchredner: Die Innere Stimme. Seither folgten 23 weitere Filme mit internationalen Artisten. Die Grundkonstruktion ist immer identisch. Bauchredner sprechen vorgegebene, von Asta Gröting formulierte Dialoge mit einer ebenfalls von Gröting entworfenen Puppe. Dabei dreht es sich um Werte, innere Widersprüche, Zwiespälte, aber auch um Liebe, Hass oder Tod, um Freundschaft und Identität. Die innere Stimme, das ist die individuelle Reibungsfläche mit gesellschaftlichen Autoritäten, die von Eltern über Kirche bis hin zu Massenmedien reichen – oder der kleine Floh im Ohr, der sich in jede Aussage, in jede Entscheidung mischt.
Die Innere Stimme ist auch der Titel von Asta Grötings Einzelausstellung in Herford. Gezeigt werden 14 großformatig an die Wand gebeamte Videos. Die in der wellenförmigen Architektur am intensivsten wirkende Arbeit ist die Schwimmerin, die kopfüber unter Wasser läuft – wir sehen ihre Fußsohlen unter der Wasseroberfläche und für einen Moment meint man, in einer Höhle zu stehen, den Blick hinunter auf das Meer gerichtet. Aber auch mit dem Film Schatten, in dem ein entkleideter Mensch im Nebel herumirrt, oder inmitten der vier Bauchredner-Projektionen verlieren die Räume jede Erinnerung an ihre museale Bestimmung: Stehen wir in Innenwelten? In Vorstellungsräumen? Erst das letzte Video entlässt uns wieder in die Außenwelt: Auf einem kleinen Parkstreifen rangieren Autos hin und her, kämpfen um freie Plätze, ums Weiterfahren – eine beeindruckende Choreographie des alltäglichen Wahnsinns.
Es ist zugleich eine kleine Retrospektive, die Gröting hier zeigt, und eine große Erzählung. Von den Bauchrednern bis zu den Autos, von der jungen Frau, die im Kopfstand an ihrem eigenen Ast sägt, bis zu der Arbeit Wissen, das zu Staub zerfällt – eine kurze Szene in der Bibliothek, wo die Künstlerin als Puppe sich selbst beim Lesen zuschaut – kommen Szenen rund um die Thematik „Ich“ ins Bild. Keine personalisierte Innenschau, sondern verallgemeinerungsfähige Perspektiven, wozu auch Wetteifer und Konkurrenz gehören. In Schneller mit Eichhorn und König sitzen die Künstlerin Maria Eichhorn und der Kölner Museumsdirektor Kasper König in ausgebrannten Autos und liefern sich ein Wettrennen: Wer hat die Nase vorne?
Eine ähnliche Konkurrenzsituation schafft auch Gehrys Architektur für die Kunst, die es mit seinen Räumen aufzunehmen wagt: Wer ist visuell dominanter, wer kann die Aufmerksamkeit gewinnen? In Grötings Ausstellung ist diese Situation grandios gelöst. Wir erleben die geschwungenen Wände als Selbstverständlichkeit, sind wir doch in den Bauch des Museums eingetaucht und hören dort die inneren Stimmen.

veröffentlicht in: www.artnet.de, 15.2.2006

Noch bis zum 5. März 2006 im MARTa Herford, Goebenstr. 4 – 10, 32052 Herford.