Barbara Kruger im Kunsthaus Bregenz

05. Jan. 2014 in Ausstellungen

Barbara Kruger, Untitled (Reminder), 2013, UV-Druck auf PVC-Gewebe, Wände 78 x 5 m, Foto ©: Christian Hinz, © Kunsthaus Bregenz

Barbara Kruger, Untitled (Reminder), 2013, UV-Druck auf PVC-Gewebe, Wände
78 x 5 m, Foto ©: Christian Hinz, © Kunsthaus Bregenz

Barbara Kruger war ein Star in den 1980ern, ihre in suggestiver Werbeästhetik gestalteten, plakativen Slogans trafen den Nerv der damaligen Zeit. Aber hält dieses Werk heute noch? Mit welchen Werken schließt Barbara Kruger heute, nach nahezu 30 Jahre, an ihren früheren Erfolg an?

Barbara Kruger auf der Fassade des Kunsthaus Bregenz („Tears“, 20 x 20 m)

Drei Etagen, drei offene, von strengen Betonwänden begrenzte Räume – das Kunsthaus Bregenz ist eine große Herausforderung für KünstlerInnen, die oft schon zu großartigen Installationen geführt hat. Interessant also, wie die Meisterin der plakativen Slogans es lösen wird. Ihre Methode, das wird schnell deutlich, ist simpel: über Größe. In der ersten Etage eine kleine Retrospektive der 1980er Collagen, übertrumpft von einem Bodentext in Riesenbuchstaben.

Barbara Kruger, Untitled (Suggestions), 2013, UV-Druck auf Vinyl, Boden, 21 x 23 m, Foto ©: Christian Hinz, © Kunsthaus Bregenz

„Gewalt lässt uns vergessen wo wir sind“ in Rot, erdrückt von „Nicht trampeln. Nicht einsperren. Nicht zerdrücken. Nicht schlagen. Nicht stechen. Nicht schießen. Nicht zerschneiden.  Nicht BeschäMEN“ und so weiter.

Da wir aber nur in dem Raum stehen und nicht darüber fliegen, sind diese „Suggestions“ kaum lesbar. So geht man die einzelnen Worte ab, bald aber darüber hinweg, weiter ins nächste Geschoss. Dort plaudern Schauspieler von vier Wänden, vom Boden bis zur Decke projiziert.

Twelve, 2004, Videoinstallation mit vier Projektionen, 15 Min. Loop mit 12 Szenen und 12 Gesprächen, Foto: Christian Hinz, © Kunsthaus Bregenz

Sie lesen Texte von einem Teleprompter ab. „Talking about nothing“ oder eine „God conversation“, bestehend aus lauter völlig belanglosen Dialogen. „Art Critic“: „Contemporary art isn´t a space to be walked through, but a time to be lived through“ – „What´s that supposed to mean?“ – „It means that art doesn´t have to be an object to be contemplated. It can be a formation, not a form“ undsoweiter.

Weiter also: „Der Sinn des Lebens besteht darin dass es endet“ – in wandfüllenden Buchstaben rundherum aufgeklebt. Mit diesem Statement beendet Barbara Kruger ihre Ausstellung. Das ist eine Lebenssicht, die ich zwar in keinster Weise teile, die aber aufschlußreich ist. Möglicherweise spricht aus diesen Worten eine US-amerikanische Perspektive, denn diese Verkürzung passt zur US-Außenpolitik und zu den Actionfilmen Hollywoods. Der Sinn des Lebens besteht aus allerhand, der Aspekt des Endens – also Sterbens – ist eher eine Tatsache denn ein Sinn, allerdings das zentrale, handlungstreibende Moment allzu vieler Hoolywood-Produktionen. Und Obamas Drohnen-Politik.

Auch die Schauspieler sprechen deutlich die Sprache der US-Filmkultur, wenn die Männer und Frauen in einer  jovialen und amikalen ´hey man, call me Jack-´Emphase phrasengesättigte Texte vortragen. Hat Kruger die Texte selbst geschrieben oder von Filmen transkribiert? Warum ist alles, was die SchauspielerInnen vorlesen, so belanglos?

Diese neueren, seit dem Jahr 2000 entstandenen Arbeiten führen die Methode der früheren Arbeiten weiter, indem Sprache auf einfache Slogans reduziert und aus jeglichem Kontext isoliert wird. Anders als früher fehlt allerdings die Kombination zu Bildern, die einen weiten Interpretations- und Assoziationsfreiraum eröffnete. Aber vielleicht lebten auch die Collagen nur von Worthülsen? Habe ich mich in den 1980ern vielleicht getäuscht und auch die frühen Werke kommen über Allerweltsbanalitäten nicht hinaus?

Barbara Kruger, Untitled (Are we having fun yet?), 1987, Collage, 38,5 x 30,5 cm, Courtesy Sprüth Magers Berlin London

Also zurück in den ersten Raum, wo 20 der kleinen Fotocollagen präsentiert sind: Ein halbvolles Glas mit Tabletten auf einem Tisch, dramatisch ausgeleuchtet, quer darüber „You kill time.“

Eine Glasflasche mit Wasserglas, oben und unten „You do what you can to get what you want“ (1984).

Ein Mann hält eine Banane: „We don´t need another hero“ (1988). Ein gepixelter Ausschnitt eines weiblichen Gesichts: „Who is beyond the law?“ (1989)

All das ist, mit Verlaub,  drastisch banal und beliebig. Was nur sprach uns damals so an, dass diese Collagen in reinster Werbeästhetik so ein Erfolg werden konnten? Die als poetisch-philosophisch, sogar als kritisch, gar als subversiv galten – wieso klappt das heute nicht mehr? Vielleicht liegt die Frage der Wertung in unserem Verhältnis zur US-Kultur, die damals noch eine unwidersprochene Führungs- und sogar Vorbildfunktion hatte. Aus einiger Distanz gesehen, wird in dieser Ausstellung im Kunsthaus Bregenz deutlich, wie sehr jedes Werk von Barbara Kruger dominate Aspekte der US-Kultur widerspiegelt: die Übergröße, die plakativen Botschaften, die kurzgefaßten Weisheiten, die alltagsnahe Inszenierung, die Verehrung der Massenmedien. Nur liegt darin heute keine Faszination mehr. Damit gibt uns diese Ausstellung die bemerkenswerte  Möglichkeit, ein berühmtes Werk erneut überprüfen und unser Urteil revidieren zu können: Was wir sehen ist Krugers Versuch, eine facettenreiche, hochkomplexe Welt in wenige Worte und verführerische Wort-Bild-Collagen zu pressen – was schlicht nicht (mehr) klappt.

Barbara Kruger, Kunsthaus Bregenz, 19.10.2013-12.1.2014