Blumen für Kim II Sung“ im MAK, Wien

01. Jul. 2010 in Ausstellungen

Der nordkoreanische Diktaor Kim Sung im MAK, Wien – Sonntagsausflug für Mitläufer

Beim fröhlichen Spaziergang im Park oder auf dem Hügel, heiter im Schneetreiben, umrahmt von Volk und Blumen, geliebt von Kindern, gefolgt von Soldaten und von Arbeitern verehrt –immer aber lacht er. Er, das ist Kim Sung. Bild für Bild zuckersüß-bunt gemalt, lobt, preist und verherrlicht die offizielle Malerei Nordkoreas die Herrschenden. Und das sind auf der nördlichen Hälfte der koreanischen Halbinsel genau zwei Personen: Kim II Sung, der 1994 verstarb und noch immer als der „ewige Präsident“ verehrt wird, und sein Sohn und Nachfolger Kim Jong-il. Gerade laufen die Vorbereitungen, dass der Enkel des großen Führers die Macht übernimmt. Gute Zeiten, wahrscheinlich, für Malerei. Die Generationenfolge einer Diktatur braucht vermutlich ästhetische Legitimation. Vielleicht üben die Maler in Pjöngjang schon die Übertragung des neuen Gesichts ins Großformat.
Doch wir sind nicht in Pjöngjang. All die Propagandapracht ist nicht in einer nordkoreanischen Akademieausstellung, sondern in Wien zu sehen. „Blumen für Kim II Sung“ betitelt das MAK die Ausstellung von Kunst und Architektur in Nordkorea – und das ist durchaus ernst gemeint. In der nordkoreanischen Hauptstadt müssen die Menschen mindestens einmal in ihrem Leben Blumen vor der 20 Meter hohen Bronzestatue des verstorbenen Führers niederlegen. Die Wiener Ausstellung reiht sich in diesen Kult brav ein. Denn ausgestellt ist nicht ein westlich-reflexiver Blick auf eine wenig bekannte Kultur, sondern ein einseitiges und folgsames Einerlei künstlerischer Staatsräson.
Künstler in Nordkorea sind Mitglieder der „Korean Artists Federation“. Sie erhalten einen Monatslohn und müssen eine bestimmte Anzahl von Bildern in vorgegebener Technik produzieren. Ausstellungen organisieren ausschließlich staatliche Organe. Abstrakte oder konzeptuelle Kunst ist verboten. Erlaubt und gefordert sind Ölmalerei und die Tuschemalerei, die sogenannte Chosonhwa-Malerei. Die Themen sind streng reglementiert: glückliche Menschen, Rühmen der Errungenschaften des Staates und seiner Arbeiter und natürlich Portraits der Kims. Selbst jede Landschaft muss Patriotismus und Nationalstolz propagieren – so hat es Kim Jong-il vorgegeben. Im Internet findet man noch ein weiteres Thema: die Greuel der US-Soldaten, die im Koreakrieg 1950-53 auf der Seite Südkoreas kämpften. Diese blutrünstigen Bilder sind aber im MAK nicht zu finden. Hier herrscht eitler Sonnenschein. Alle lachen. Immer. Überall. Am liebsten mit verklärt zum Himmel erhobenen Augen. Wenn mal keiner lacht, preist der leuchtende Sonnenuntergang die Feldarbeit oder die sozialistische Architektur.
Das ist in der Einseitigkeit nahezu unerträglich und man könnte meinen, dass das österreichische Museum diese Überdosis bewusst inszeniert hat, um durch Über-Affirmation einen Bruch zu erzeugen. Weit gefehlt – jedes Detail der Auswahl und der Hängung dieser Ausstellung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Korean Art Gallery, die die 100 Bilder und 30 Plakate auswählte. So hängt jedes der mächtigen Staatsportraits so hoch, dass sich die Unterkante auf Schulterhöhe des Betrachters befindet – ob wir wollen oder nicht, wir müssen vor dem roten Absperrband den Kopf in den Nacken legen und blicken auf zu den heroischen Kims. Plötzlich erscheint selbst der sozialistischen Realismus der DDR voller Realitätsgehalt.
Dabei erweist Nordkorea seinen österreichischen Gastgebern eine außerordentliche Gunst. Vor allem die Kim-Portraits sind ein gehüteter „Schatz“ und wurden „noch niemals außer Landes gezeigt“ (Pressetext). Aber welchen überzeugenden Grund außer dieser Erstmaligkeit gibt es überhaupt für diesen sensationsfreudigen Export? Uns werden „detaillierte Einblicke in die für viele geheimnisvoll erscheinende Kultur hinter dem 38. Breitengrad“ versprochen. Aber was sehen wir hier außer wiederkehrenden Variationen der limitierten Ikonographie nordkoreanischer Propaganda? Nahezu alle Bildkompositionen sind mit frontalen Bildhelden wie für eine Fotografie arrangiert, wobei der Blickwinkel des Betrachters auffallend tief gesetzt ist, um einen heroischen Eindruck zu erzeugen. Dem Prinzip des Goldenen Schnitts folgend, zeigen die Bilder in hellen Farben junge, gut genährte, gesunde Menschen, die uns nur selten direkt anblicken – es sollen ja Momentaufnahmen und keine Inszenierungen sein. Vom realen wirtschaftlichen Stillstand des isolierten Landes, von Hungersnöten, lang anhaltenden Stromausfällen und Engpässen in der Lebensmittelversorgung keine Spur.
Einzig „Tochter“ von Min-Pyong Je aus dem Jahr 1966 spricht eine gänzlich andere Sprache. Hier erzählen die Farben und die Komposition eine eigene Geschichte, sprechen von Bedrohung: Die Frau im Zentrum blickt abweisend bis ängstlich, ihre Kinder verzweifelt und, das krasse Rot auf ihrem Gewand deutet es an, auch gefährdet. Die Gefahr geht ganz offensichtlich von dem überheblich wirkenden Mann am linken Bildrand aus. Man verharrt und vermutet eine Form der Kritik, vielleicht an den frühen japanischen Besatzern? Leider findet sich nirgends eine weiterführende Erklärung.

Unter handwerklichen Aspekten wären allenfalls noch die frühen Tuschemalereien und die handgemalten Propaganda-Poster interessant. Hier wäre eine Gegenüberstellung mit Werken aus den Asiensammlungen des MAK spannend. Aber diese Ausstellung soll ganz offensichtlich nicht einer vergleichenden Betrachtung dienen, sondern dem fraglosen Glorifizieren einer dynastisch-sozialistischen Diktatur. Als hätte es die wütenden Streitigkeiten um das malerische Erbe der DDR in Weimar und Berlin nicht gegeben, als hätte die Kunstgeschichte nicht sorgfältig die sowjetische Kunst aufgearbeitet, als gäbe es nicht die eine oder andere Tendenz post-sozialistischer Ironisierung in der chinesischen Malerei, geht hier eine öffentlich alimentierte Kunst-Institution vor einem Regime und seiner gelenkten Ästhetik in die Knie, um sich ein Sommerspektakel zu gönnen.
Was also ist unser Erkenntnisgewinn aus dem Kraftakt, nach vier Jahren Vorbereitungszeit all diese „Schätze“ in Wien bewundern zu können? Wir finden unsere Vorurteile bestätigt: Propagandamalerei ist und war schon immer unerträglich. Sie hat keine Legitimation. Ein Museum, das sie unkommentiert zeigt, macht sich zum Mitläufer statt zum Vermittler. Das ist nicht weniger unerträglich.

„Blumen für Kim Il Sung“, Kunst und Architektur aus der Demokratischen Volksrepublik Korea – MAK, Wien. Vom 19. Mai bis 05. September 2010

veröffentlicht in: www.artnet.de, 1. Juli 2010