Günther Uecker im Kinsky

05. Okt. 2015 in Kunstmarkt

Günter Uecker, Splitter, 1991. Im Kinsky

Günter Uecker, Splitter, 1991. Im Kinsky

 

 

 

Seit mehr als fünfzig Jahren bleibt der deutsche Bildhauer Günther Uecker einem zentralen Material treu: dem Nagel. Skulpturen mit kleinen Nägeln, große Nägel als Objekte, Nagelabdrücke auf Papier – der Variationsreichtum ist beachtlich. Im Kinsky kommen jetzt 35 Papierarbeiten des heute 85jährigen Künstlers zur Versteigerung. Wie aber kam Uecker überhaupt zu diesem sperrigen Material?

Weißweiß (3000-6000 Euro)

Weißweiß (3000-6000 Euro)

Geboren 1930, wuchs Uecker auf der ostdeutschen Halbinsel Wustrow auf. Nach dem Krieg studierte er zunächst in Wismar, wurde von der FJ als Funktionär angeheuert und floh 1953 nach Westdeutschland – nach dem brutalen Niederschlag des Aufstands vom 17. Juni. Dadurch habe er den Glauben an die Politik der DDR verloren, erklärte Uecker später einmal. In Deutschland lebte er lange in Lagern, wurde von Geheimdiensten verhört, da man in ihm einen eingeschleusten Spion vermutete. 1955 nahm ihn Otto Pankok an der Kunstakademie Düsseldorf auf und gab ihm eine Matratze in der Klasse als Schlafstätte, denn eine Wohnung hatte der junge Künstler nicht.
1961 trat Uecker der Düsseldorfer Künstlergruppe ZERO bei. Die Gründungsmitglieder Otto Piene und Heinz Mack suchten eine neue, eine reduzierte, vom Ballast der Geschichte unbelästigte Ästhetik – einen Neuanfang: „Zero ist die Stille.“ 1966 schon löste sich die Gruppe mit einem großen Fest wieder auf. Otto Piene verfolgte einen ´neuen Idealismus´, Mack realisierte seine Sahara-Projekte und Uecker blieb beim Nagel. Den trug er sogar bei einer Performance 1969 unter dem Arm, als er zusammen mit Gerhard Richter die Kunsthalle Baden-Baden okkupierte. Uecker im Pyjama, Richter im dunklen Outfit, schlugen sie kurzerhand ein Bettlager vor einem Aktbild auf. „Ich denke, dass man die Museen zu bewohnbaren Orten erklären sollte,“ schrieb er später neben die Fotografien der Aktion, die er in seiner „Uecker Zeitung“ 1969 veröffentlichte. Die Zeitung erschien von 1968 bis 1983 und dokumentierte seine Projekte, ein Exemplar der Nummer 7/78 ist in der Auktion im Kinsky auf 500-1000,- Euro geschätzt, im Zentralarchiv Antiquarischer Bücher kann man manchmal Ausgaben ab 100,- Euro finden. 60794a
Bis heute sind Metallstifte in allen Variationen sein Markenzeichen. Wie aber kam Uecker überhaupt auf dieses ungewöhnliche Material? Als
Ursprungsgeschichte wird einmal ein Nagel erwähnt, den er in ein Bild schlug. Oder das Zitat des russischen Dichters Wladimir Majakowski: „Die Poesie wird mit dem Hammer gemacht“. Daraufhin habe er „den Bleistift in das Papier geschlagen. Das war Realismus für mich. Die Emotionen sind in der Hand, die Hand ist das Werkzeug und der Arbeitsplatz. Von da war es nur ein kleiner Schritt, mit Hammer und Nägeln zu arbeiten“ Der immer gleiche, meditative Schlag mit dem Hammer befreie ihn von rationalen Denkstrukturen. Und dann ist da noch das autobiographische Erlebnis, das Uecker gerade der Zeitung „Die Welt“ erzählte: Kurz vor Kriegsende bedrohten Russen die alleinlebenden Frauen in ihren Häusern. Uecker war 14 Jahre alt und hatte überlegt, wie er seine Mutter und Schwestern schützen könnte – und nagelte alle Fenster und Türen von innen zu. „So habe ich mit der Nagelei begonnen.“

Kunstpranger

Kunstpranger, 1984 (Multiple 1000-2000)

Wie viel Mythenbildung, nachträgliche Herleitung und tatsächliche konzeptuelle Überlegungen auch immer am Beginn gestanden haben mögen, Uecker nagelt jedenfalls bis heute weiter – denn: „Wenn einer sein Charakteristikum entwickelt, ist es unvermeidbar, diese Handschrift fortzusetzen. Es ist die Chiffre seines Lebens.“ Das mag manchen Menschen als wenig interessant erscheinen, ist aber absolut konsequent: Wer die Wahrnehmungen mit einfachen Mitteln sensibilisieren möchte, wird das kaum über pausenlose Veränderungen versuchen. Nägel, die Farbe Weiß, Sand, Spiralen, Reihungen – in Ueckers Werk sind alle Formen und Materialien Teil einer strengen minimalistischen Sprache, die durchaus laut und brachial sein kann, was auch die 35 Lose im Kinsky zeigen.

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Do It yourself, ca. 1968/69 (500-1000)

Das beginnt mit einem mit Nägeln befestigten, handelsüblichen Hammer auf einem signierten Brett, „Do it yourself“ von ca. 1968/69, taxiert auf 500-1000 Euro.
Auf ebay bietet jemand namens „Zauberhexe“ ein ähnliches Objekt für 680,- Euro an – ohne hier etwas unterstellen zu wollen, aber gerade aufgrund der Materialien ist das Werk Ueckers ein beliebtes Feld für Fälschungen, gerade bei online-Käufen ist unbedingt Vorsicht geboten! Eine Kassette mit vier Prägedrucken ist „Grenzverhältnisse“ betitelt, eine Lithographie-Mappe von 1980 für den Kunstverein Braunschweig weniger philosophisch, stattdessen erstaunlich poetisch „Drei Beete in zärtlichem Garten“ betitelt (Auflage 75, 1000-2000 Euro). Beidesmal sehen wir Reihungen, die durch die Titel unterschiedlich wahrgenommen werden.

Grenzverhältnisse

Grenzverhältnisse, 1984

Da im Kinsky keine seiner hochpreisigen, bis zu einer Millionen teuren Skulpturen angeboten wird, sind die teuersten Lose der Auktion zwei kleine Prägedrucke („Weißweiß“ von 1989, „oT., 1973, jeweils 3000-6000 Euro). Alle Werke kommen aus einer Wiener Sammlung. Warum aber wird das in Wien und nicht im Rheinland versteigert? „Künstler müssen nicht immer im jeweiligen Herkunftsland bzw. den Topspots des Marktes angeboten werde,“ erklärt Marianne Hulls-Hörmann vom Kinsky. Denn egal wo diese Werke angeboten werden, Uecker „reizt heimische wie internationale Sammler.“

Drei Beete im zärtlichen

Drei Beete in zärtlichem Garten, 1980

o.T., 1973

o.T., 1973

 

 

 

Weißweiß, 19

Weißweiß, 1989