Gülsün Karamustafa

28. Feb. 2011 in Ausstellungen

Zwischen den beiden Weltkriegen bestanden enge kulturelle Verbindungen zwischen der Türkei und Österreich. Immer wieder erhielten österreichische Künstler öffentliche Aufgaben, wurde Margarete Schütte-Lihotzky dort mit dem Bau für Frauen- und Dorfschulen beauftragt, gewann der Bildhauer Heinrich Krippel den Wettbewerb für das „Siegesdenkmal“ in Ankara und konnte Clemens Holzmeister das „Denkmal für Vertrauen und Sicherheit“ vor dem Innenministerium in Ankara entwerfen. Holzmeister war damals Direktor an der Akademie der Künste in Wien und lud seinen Kollegen, den Bildhauer Anton Hanak, zur Mitarbeit an dem mächtigen Denkmal ein. Dieses Monument steht jetzt im Zentrum einer Ausstellung an der Akademie am Schillerplatz. Im Rahmen des „My City“-Projekts, das einen „Dialog von KünstlerInnen aus der EU und der Türkei fördert“, wurde Gülsün Karamustafa nach Wien an die Akademie am Schillerplatz eingeladen.

1946 in Ankara geboren, gehört sie zu den wichtigsten Künstlerinnen der Türkei. „The monument and the child“ nennt sie ihre Ausstellung, in der das Denkmal allerdings nicht das Thema ist, sondern lediglich der Ausgangspunkt –  ein Stellvertreter. Auch steht hier nicht der österreichisch-türkische Kulturaustausch gestern und heute zur Debatte, sondern das Wechselspiel zwischen individuellen und öffentlichen Formen des Repräsentierens.

Die Ausstellung beginnt mit einem historischen Plakat aller Denkmäler in Ankara, gefolgt von einem Wandfries aus einem vervielfachten Kindheitsfoto. Vor mehr als fünfzig Jahren von ihrem Vater fotografiert, nutzte Karamustafa als kleines Mädchen das „Denkmal für Vertrauen und Sicherheit“ als Spielplatz. Das Kind versucht, eine massive, steinerne Frauenfigur wegzuschieben – schon damals reagiert sie nicht mit Ehrfurcht, sondern mit Widerstand gegen das Monumentale. Es folgen Reihen voller Privat-Monumenten aus Flohmarkt-Figürchen auf Sockeln – Engel, Hündchen auf Polstern und Ballerinas sind als Repräsentanten von kindlichen Träumen überhöht. Im letzten Raum finden wir uns in einem Wohnzimmer wieder, über dem Sofa hängt ein Wandteppich, darauf das Kindheitsfoto. Hier ist das staatliche Monument mit einem bürgerlichen Repräsentationsobjekt eins geworden. Wollte das Mädchen damals die erdrückende Monumentalität des Denkmals wegschieben, so schrumpft die Künstlerin es heute zu einem Puzzlestück in einem Wechselspiel zwischen Biographischem und Zeitgeschichtlichem.

Solch ein gezieltes Kombinieren verschiedener Ebenen findet sich immer wieder in Karamustafas Werk. Vor einigen Jahren zeigte sie im Salzburger Kunstverein ihren dokumentarischen Film einer im geheimen entwickelten „Pantermode“, in der sich türkische Frauen in privaten Treffen lasziv kleiden. Das Geschehen ist fiktiv. Es dient ihr dazu, von Klischeevorstellungen und gesellschaftlichem Wandel, von der Idee einer ´Befreiung´ der Frau und der Nahtstelle von kulturellen Brüchen zu erzählen. Auch in ihrer aktuellen Ausstellungen in der Akademie stehen Konflikte und Wandlungen im Zentrum, allerdings nicht auf Frauen konzentriert, sondern auf kulturelle Klischees ausgeweitet. Ob das Denkmal oder der Nippes, das Kinderfoto oder der Wandteppich – all diese Versatzstücke offizieller und individueller Repräsentation sind keineswegs landestypisch, sondern interkulturell. Die Vorstellung scharf voneinander abgegrenzter Nationen, das wird hier deutlich, ist längst überholt. In der Akademie ausgestellt, wird es zudem zu einem überzeugenden Plädoyer für das spielerische Umdefinieren von Autoritäten und Bildsprachen der Macht.

Gülsün Karamustafa, The Monument and the child, x_hibit der Akademie am Schillerplatz, 1.Stock, bis 27.2.2011

veröffentlicht in: Die Presse, 27.2.2011