Installation – Versuch einer Begriffsbestimmung

12. Jun. 1991 in Ausstellungen

VERORTUNGEN – INSTALLATION – KUNST

I.

Mit unterschiedlichen Kunstformen gehen unterschiedliche Ausstellungsweisen einher. In der Malerei vergangener Jahrhunderte z.B. war die Petersburger Hängung die dominierende Präsentationsform. Seit der Moderne ist diese Ballung von verschiedenformatigen Bildern, dicht über- und nebeneinandergehängt, durch eine minimalistische Ausstellungsform abgelöst. Diese auf wenige Objekte beschränkte, die einzelnen Exponate werkgerecht präsentierende Weise entwickelte sich zur Ausstellungs-Norm.

Welch entscheidender Wert der Hängung zugemessen wird, zeigen beispielhaft die von Barnet Newman oder auch Mark Rothko für die Präsentation ihrer Bilder festgelegten Vorschriften, durch die Details wie die Raumsituation und der Abstand zwischen Betrachter und Werk und zu den übrigen Werken geregelt werden. So sollte – auch über den Tod hinaus – eine Kontrolle über die Wahrnehmung der Werke erreicht werden(1), um jene von Newman anvisierte „Erhabenheit“ zu garantieren.

Geradezu konträr hierzu wird die Präsentationsform der Installation eingesetzt. Kontemplation und isolierte Wahrnehmung einzelner Ausstellungsobjekte soll gerade verhindert werden. Denn mit dem Begriff der Installation ist eine Präsentationsform benannt, die über das Zeigen der ausgestellten Werke hinaus den Rahmen mitthematisiert. Betrachter, Raum, Stadt und Land können ebenso zum Teil der Ausstellung werden wie ökonomische, soziale oder gesellschaftliche Systeme.

II.

‚Installation‘ bezeichnet eine meist ortsgebundene, Kontext-bewusste In-Site-Ausstellung, die sich nicht über die einzelnen Objekte, sondern das zugrundliegende Konzept definiert. Entgegen z.B. einer Bilderausstellung – also Einzelobjekt-orientiert – geht mit der Installation ein holistischer Anspruch(2) einher. In einer solchen Ausstellung kann die Isolierung eines einzelnen Objektes zur Bedeutungsveränderung (oder Wertverschiebung) der gesamten Ausstellung führen.

Mit der Form der Installation wird ein mehr auf mentaler denn auf retinaler Wahrnehmung beruhender Anspruch verbunden. Derartige Ausstellungen beruhen im Wesentlichen auf Cross-Referenzen, darauf, Material aus sämtlichen Disziplinen einzuarbeiten, nicht zuletzt um gerade die kontemplative Versenkung vor Kunstwerken zu verhindern. Elemente der Trivialkultur werden eingesetzt, um den Rahmen aufzubrechen; Interaktionen und Schnittmengen werden erstellt, um Wertigkeiten zu verändern und die Möglichkeit der Fetischisierung zu verhindern.

III.

Gekauft – und auch ausgestellt – werden nicht nur die Werke, sondern auch die durch diese materialisierten, kulturellen Werte. So sind die einzelnen Teile einer Installation ohne ihren ursprünglichen Kontext nur in geringem oder zumindest deutlich verändertem Maße Wert-Träger. Nichtautorisierte Re-arrangierungen von Installationen verlieren ihre Bedeutungen, was nicht zuletzt das Werk von Joseph Beuys eindrücklich beweist.

Ein Beispiel der Unterscheidung zwischen additiver Präsentationsweise vs Installation bzw. dem Problem isolierter Weiterverwertbarkeit der Einzelobjekte sind Andy Warhols Brilloboxen, die erstmals 1964 in großer Zahl überall im Raum verteilt und gestapelt ausgestellt waren. Sobald sie vereinzelt auftauchen, verändert sich ihre ursprüngliche Intention. Dann wird der Kunst-Status deutlich über den per Präsentationsweise verstärkten Kommerz-Status erhoben, ja, die von Warhol angestrebte Aufhebung der Trennung zwischen Warenästhetik und Kunstwerk nivelliert. Während Begriffe wie Authentizität, Originalität und Autorenschaft ad absurdum geführt werden, finden derartige Bestimmungen durch den Einzelkauf bzw. die Einzelpräsentation wieder Eingang in die Werkbetrachtung.

IV.

Mit der Form der Installation geht ein Bewußtmachen des Ortes einher – des Ortes der ausgestellten Werke ebenso wie des durch begriffliche und gesellschaftliche Zusammenhänge geschaffenen Kontextes. Welch entscheidende Bedeutung dabei ein vergleichsweise geringfügiger (intellegibler wie visueller) Ortswechsel der Betrachtung zukommt, wird deutlich in Louise Lawlers Fotoarbeiten: in privaten Sammlungen fotografierte ‚Arrangements‘, Lagerräume von Galerien, leere Museumsräume und Zusammenstellungen von Werken verschiedener Künstler dokumentieren die Präsentation und damit die visuellen und begrifflichen Orte der Kunst. ‚Werkgerechtes Präsentieren‘ und Präsentationsplätze werden dabei ebenso zu Stationen wie ‚Luxus‘, ‚Eigentum‘, ‚Autorenschaft‘ und Formen von ‚angewandter Kontemplation‘. Eine Unterscheidung zwischen faktischen und visuellen, zwischen realen, begrifflichen und künstlerischen Orten ist hier kaum zu treffen, denn Louise Lawler installiert einen Nebenort, eine Möglichkeit zu widersprechen: Statt der Präsentation eines ‚entweder – oder‘ (Kultur – Kommerz; Ausstellungsobjekt – Sammlung; Ausstellungsüberblick – Museumsarchitektur etc.) ist das ’sondern‘ gezeigt: Das Funktionieren des Systems, der An- und Abkoppelungen, die Mechanismen und Legenden, die über den Werken liegen.

Ähnlich wie Louise Lawler von diesem Nebenort aus eine Abkoppelung vom binären Denk- und Betrachtungskurs vornimmt, bezeichnet ihr Werk einen Nebenort der Installation, der eher inhaltlich als formal zur hier vorgenommenen Einordnung führt. Aber entsprechend dem Prinzip des ‚Sondern‘ verliert diese Distinktion an Bedeutung.

Entscheidendes Werkzeug der in Installationen erzeugten Cross-Referenzen ist die Sprache, die gleichwertig neben visuellen Elelmenten in geschriebener oder wie z.B. in den Arbeiten des Amerikaners Mark Dion in gesprochener Form eingesetzt ist. Dion benutzt in mehreren Installationen verborgene Lautsprecher, aus denen in jeweiliger Landessprache gesprochene, die visuellen Elemente ergänzende Informationen von einem Endlosband abspulen. Auf der fotografischen Dokumentation der Pariser Installation (Galerie Sylvana Lorenz) wird deutlich, wie sehr diese Werke der Gesamtheit ihrer Medien bedürfen, da in der Reproduktion nicht nur der sprachliche Aspekt verloren geht, sondern auch die Kontextbezogenheit (Frankreich als Ort eines neugeplanten Walt Disney-Parks). Denn der Ort der Ausstellung ist in Mark Dions Arbeiten immer unmittelbarer Bestandteil des Werks.

Dions Arbeiten basieren auf einer die Pop-Art und Neo-Konzept-Kunst verbindenden Haltung: Aus der Welt der bunten Massenproduktion und des Vergnügens entstammen viele seiner Images und Materialien, die in ihrer Funktion als Repräsentanten für Analysen gesellschaftlicher Zusammenhänge (hier der Disney-Park als Kulturträger bzw. Mittel zur Analyse) genutzt werden.

Ein anderes Beispiel ist Hirsch Perlmans Installation (Feature Gallery, New York): Perlman präsentiert verschiedene Objekte (Tische mit juristischen Berufsbezeichnungs-Schildern, Auszüge aus Gerichtsprotokollen), die direkt auf die Institution ‚Gericht‘ verweisen. Hier ist die Sprache direkter Gegenstand der Untersuchung. Durch die Kombination verschiedener Systeme (Kunst, repräsentiert durch den Galeriekontext; Literatur, repräsentiert durch einen auf Video aufgezeichneten, gesprochenen Text von Gertrude Stein; Judikative, repräsentiert durch die Schilder und Protokolle) entstehen verschiedene Aspekte der aus der Installation resultierenden Reflexion, etwa über den Begriff der Wahrheit (einerseits als Schlüsselbegriff sämtlicher Systeme, andererseits als rein sprachlich existierendes Phänomen). Oder generell über die Funktion der Sprache, in geschriebener und gesprochener Version, als Diskurs und Interdiskurs. Und im Gegensat zu Mark Dions Benutzung von Sprache produziert Hirsch Perlman nicht einen eigenen Interdiskurs, sondern fordert diesen vom Betrachter, indem er den Diskurs selbst thematisiert (Diskurs ist im strengen Foucault’schen Sinne verstanden, in der Untrennbarkeit des Rede- und des Handlungsaspektes, also einer Position der Macht – unübersehbar im Beispiel des Gerichts, da die Verurteilung ja ausschließlich über die Sprache erfolgt).

Neben dem faktischen und dem durch Sprache angezeigten Ort der Ausstellung beinhalten Installationen immer auch den Verweis auf die ökonomische Verortung der Kunst. Der Warencharakters der Werke wird hier meist explizit einbezogen. Anhand der letzten Beispiele ließe sich einmal mehr die durch Vereinzelung der Objekte entstehende Sinnentleerung nachweisen. Da sich daraus die Konsequenz ergibt, entweder gleich alles oder gar nichts ökonomisch nutzbar zu machen, entstehen oft parallel zur Ausstellung Multiples.

In eigenwilliger Konsequenz aus solch die Präsentationsmöglichkeiten und die ökonomische Seite einbeziehender Situation organisierte der Düsseldorfer Ring-Club, ein zwangloser Verein Düsseldorfer Künstler und anderer Mitglieder, vor Weihnachten einen einwöchigen Supermarkt. Mit diesem Begriff soll nicht kokettiert werden, denn es handelte sich tatsächlich um einen Laden mit diversen Waren (von -,50 bis 198,- DM), präsentiert in geschäftsüblichen Regalen, bezahlt an handelsüblicher Kasse. Von Baseball-Mützen mit Club-Emblem über Luftblasen oder Glückskugeln (Elke Denda), Sessel (Johan Röing), geknotete Handtücher (Franklin Berger), Bierflaschen mit handgemaltem Etikett (Heinz Hausmann), Platten und Cassetten (u.a. Katharina Fritsch, Stefan Ettlinger und Schwegel) bis zum „Tankstellen-Konfekt“ (Heinrich Weid) konnten Objekte gekauft werden, die sich ob der Präsentationsweise einer Einordnung in das Entweder-Oder-Schema ‚Kunst oder Kommerz‘ entzogen.  Beteiligt waren 65 Produzenten – vom Akademieschüler über Freunde des Vereins bis zu bekannten Künstlern. Daß ein Teil der Waren signiert und nummeriert waren, ist nur eine Nebeninformation. Wer will hier die Trennung zwischen Markt und Ausstellung, zwischen Ware und Kunst ziehen? Selbst der Begriff der Installation will hier nicht recht greifen: Zu deutlich ist ein Schritt Richtung Ausgang aus dem abgesteckten Territorium des Kunstsystems vollzogen – ohne es allerdings vollständig zu verlassen.

V.

Die systemimmanent getroffene Trennung zwischen Kunst und Kommerz betrifft Produktion, Distribution und die damit verbundenen Werbestrategien. Schafft der Ring-Club mit seinen Projekten Nebenorte zur Aufhebung der Trennung zwischen Privat und öffentlich oder wie im Supermarkt zwischen Kommerz und Kunst, so bezieht die amerikanische Künstlerin Marilyn Minter in ihrer Installatin „100 Food Porn“ (Galerie Simon Watson, New York) die Werbung mit ein. Marilyn Minter präsentierte in der Installation ihre Bilder in gleichmäßig dichter Hängung über Länge, Höhe und Breite des – recht schmalen – Raumes: Einzelne Kochanleitungs-Szenen, aus Rezeptbüchern entlehnt, sind in Rasterschemata aufgeteilt. Mit der Form der Petersburger Hängung schafft Minter eine formale Entsprechung für das Sujet. Begleitet wurde die Ausstellung von einem im öffentlichen Fernsehen geschalteten Werbespot, der in schnellem Schnitt den Herstellungsprozeß der Werke (eine Art Wie-koche-ich-ein-Bild-Video) zeigte (natürlich mit Verkaufsort-Angabe versehen). Produktion, Distribution und Präsentation sind so unübersehbar mit der Warenwelt gekoppelt. Eine Strategie, die ähnlich von Jeff Koons angewandt wird, da er die für seine Ausstellungen entworfenen und in Kunstzeitschriften plazierten Anzeigen als Kunstwerke – Multiples – verkauft. Wird die Werbung derartig einbezogen in das Werk, ist ein die Kunst traditionellerweise bestimmender/begrenzender Begriff wie ‚Zwecklosigkeit‘ überholt.

VI.

Galerien als Ort der Präsentation von Kunst sind üblicherweise getrennt vom Ort der Produktion. Als beide Ebenen verbindender Raum, Ort seiner eigenen künstlerischen Arbeit und von galerieartig organisierten Ausstellungen begreift Till Krause seine „Galerie“ in Hamburg. Indem der Ort der Distribution zum Ort der Produktion erklärt wird – und damit zwei getrennte Systeme zusammenfallen – muß hier ein Platzhalter eingefügt werden, da  der Begriff der ‚Galerie‘ nicht mehr zutrifft. Denn hier ist ein Ort zur gemeinsamen Textlektüre bzw. -weitergabe, zur  Organisation analytischer Projekte und zur Diskursproduktion eingerichtet – kurz: ein Kommunikationsknotenpunkt, der sich durch selbstbestimmtes Arbeiten definiert und diese auch öffentlich macht.

In der letzten  Ausstellung zeigten dort Christoph Schäfer & Cathy Skene eine aus Fotografien bestehende Installation. Per Walkman und Katalog boten sie eine Führung durch die Ausstellung an, die über die Verbindung zwischen Stadt und Park (Park als Spiegelbild gesellschaftlicher Ideale) spricht. Der Betrachter wird durch diese Führung zum diskursiven Teilnehmer, einer auf Reflexion basierenden Partizipationsmöglichkeit.

In der hier gefundenen Präzisierung der mit der Installation als Ausstellungsweise einhergehenden Möglichkeiten werden verschiedene Orte verknotet, diverse Systeme gekoppelt: Schäfer & Skene reflektieren über Ausstellung als didaktisches Forum, über die Ausstellungsvermittlung, über repräsentierende Systeme und die – innerhalb der Ausstellung und außerhalb, in Subsystemen wie Vergnügungsparks – verwendeten Mittel. Keineswegs ausgeschlossen dabei wird der Eigenwert der einzelnen Fotos, die sich ergebenden assoziativen oder begrifflichen Verbindungen.

VII.

Der Ort, an dem Kunst existiert, wird meist als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Verortung der Kunst – in begrifflicher, räumlicher und visueller Hinsicht – nimmt eine beträchtliche Bedeutung an, da es einmal unvermeidlich ist und zum anderen zum regulativen, die Kunst oft inhaltlich und formal beeinflussenden Faktor wird. Der Ort ist der ‚Rahmen`,  ist die Sicherheit, aber eben auch die Grenze der Kunstproduktion. Durch die ‚werkgerechte Hängung‘ kann diese Voraussetzungen nicht beeinflusst werden, eine Präzisierung ist höchstens innerhalb der gesteckten Grenzen möglich. Mit der Form der Installation allerdings ist eine ortseinbeziehende Ebene hinzugefügt, die ortsverändernd bis zum Schaffen eines gänzlich neuen – diskursiven – Ortes reicht.  Darin sind dann sowohl traditionelle als auch moderne Präsentationsweisen (Petersburger Hängung; minimalistische Form) bis hin zu Inszenierungen einsetzbar, ebenso wie auch Ansprüche auf Erzielung einer Erhabenheit integrationsfähig sind. Ausgeschlossen allerdings wird die Versenkung in die reine Anschauung.

Die Innovationen dieser Installations-Kunst liegen dabei weniger in der Formensprache als im Status der Objekte (die eben nicht isoliert rezipiert werden können) und des expliziten Einbezugs der Rahmenbedingungen. So erhält die Kunst einerseits die Funktion eines Kommunikationsknotenpunktes, an dem nicht nur kunstimmanente und gesellschaftliche, sondern gerade auch ökonomische und wissenschaftliche Diskurse zusammenkommen. Andererseits zeigen die hier angeführten Beispiele, daß damit eine Kontrollmöglichkeit nicht nur über die Präsentation, sondern auch über die Distribution angestrebt werden kann.

(1) Wie wenig erfolgreich diese Vorschriften sind, läßt sich bestens in der Staatsgalerie Stuttgart studieren: hier hängen Bilder beider Maler in einer von der vorgeschriebenen Raumsituation gänzlich abweichenden Weise dicht neben Werken der Kollegen, von einem immerhin festbestimmten Abstand zum Betrachter ganz zu schweigen.

(2) Mit diesem Begriff aus der Biologie wird die Tendenz bezeichnet, Einheiten zu bilden, die mehr sind als die Summe der Teile.

(3) dazu ein Zitat von Adorno: „Kontemplation ist als Restbestand fetischistischer Anbetung zugleich eine Stufe von deren öberwindung. Indem die aufleuchtenden Dinge ihres magischen Anspruchs sich begeben, gleichsam auf die Gewalt verzichten, die das Subjekt ihnen zutraute und mit ihrer Hilfe selbst auszuüben gedachte, wandeln sie sich zu Bildern des Gewaltlosen, zum Besprechen eines Glücks, das von der Herrschaft über Natur genas. Das ist die Urgeschichte des Luxus, eingewandert in den Sinn aller Kunst.“ (Minima Moralia, Nr. 144)

veröffentlicht: Juni 1991, Artis (Bern, CH)