Interview mit Antonia Carver, Direktorin Art Dubai, 2012

02. Feb. 2012 in Interview, Kunstmesse

P1080366 KopieVor sechs Jahren wurde die erste Kunstmesse am Golf gegründet. Seither hat sich die Art Dubai zum führenden Handelszentrum für zeitgenössische Kunst der boomenden MENASA-Region entwickelt (Middle East, North Africa, South Asia). Rasant wächst hier die Zahl der Sammler und Museen: Ende 2010 eröffnete das Mathaf in Doha, Anfang 2011 das Kiran Nadar Museum of Art in Neu-Delhi und im letzten November das Salsali Private Museum in Al Quoz in Dubai. Gleichzeitig verändert sich auch das Kräftegewicht auf dem weltweiten Kunstmarkt massiv. China vergrößert von Jahr zu Jahr seinen Marktanteil und hat Großbritannien bereits vom zweiten Rang verdrängt – wie reagiert die Art Dubai auf diese Situation?

Und welche Auswirkungen haben die politischen Unruhen der arabischen Welt auf die dortige Kunstproduktion? artnet befragte dazu Antonia Carver, langjährige Mitarbeiterin der auf den Nahen Osten spezialisierten Kunstzeitschrift „Bidoun“ und seit 2011 Leiterin der Art Dubai.

Sabine B. Voge: Frau Carver, letztes Jahr haben Sie in der Nachfolge von John Martin die Direktion der Art Dubai angetreten. Damals war eine zentrale Entscheidung, eine Souk-ähnliche, also eine den arabischen Märkten nachempfunde – Messestandarchitektur mit größeren Plätzen mittendrin zu schaffen. Werden Sie diese ungewöhnliche Anordnung beibehalten?

P1080386 KopieJa, denn wir sind weiterhin eine Messe für Entdeckungen. Wir haben die Architektur auch soweit optimiert, dass für alle Galerien die gleichen Bedingungen gelten, also Aufmerksamkeit, Erreichbarkeit und Sichtbarkeit. Wir denken, dass das dieses Jahr besonders gut funktionieren und die Unterschiedlichkeit der Galerien und Künstler auf der Art Dubai akzentuieren wird.

SBV: 2011 nahmen 81 Galerien teil, darunter 30 erstmalig. Dieses Jahr sind es nur noch 74 Galerien – warum die Einschrumpfung?

Viele Galerien forderten einen größeren Stand, was wir als ein Zeichen des Vertrauens in die Region und den hiesigen Markt werten und dem gerne nachkommen. Bei einer Rücklaufquote der Anmeldungen von 90 Prozent der letztjährigen Galerien, dazu noch zahlreichen Erstanmeldungen, haben wir entschieden, die Messe übersichtlich zu halten. Doch auch viele neue Galerien konnten wir verzeichnen. Zum Beispiel aus Europa Perrotin, PACE, Arndt, Rodolphe Janssen, aus Asien Platform China sowie aus Indien Seven und Mirchandani + Steinruecke. Wir werden auf einer Größe bleiben, die intim genug ist für anregende Gespräche und einen anschlussfähigen Austausch.

SBV: Zuletzt schien es, dass die Art Dubai sich – wie viele andere Kunstmessen auch – mehr und mehr zu einer regionalen Messe entwickelt. Können Sie ein rückläufiges Interesse an westlicher Kunst auf diesem Markt beobachten?

Nein, überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Wir behalten die gleiche Aufteilung wie in den vergangenen zwei Jahren bei, also rund ein Drittel der Galerien aus der MENASA-Region, ein Drittel aus Europa und ein Drittel aus dem Rest der Welt. Nicht zuletzt durch die Entwicklung der Art Dubai als Plattform für die Region wächst gerade auf dieser Messe das Sammlerinteresse an MENASA -Künstlern kontinuierlich. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass der Geschmack der regionalen Sammler immer weiter expandiert – nicht nur in Richtung Westen, sondern auch nach Asien und Lateinamerika.

SBV: Haben Sie Statistiken über die Verkäufe in die MENASA-Region? Ist diese Region für die zeitgenössische Kunst tatsächlich ein Wachstumsmarkt oder nur ein Spielplatz für eine kleine Elite?

Wir haben keine solchen Verkaufsstatistiken, die Geschäfte werden ja zwischen Galerie und Sammler getätigt. Aber wir optimieren unser Sammlerprogramm fortwährend, haben ein spezielles Programm für Museumsgruppen und Kuratoren, für Sammler aus ganz Asien und im Nahen Osten, und – ganzjährig – auch für die lokalen Sammler. Hier ermutigen wir die jüngeren Sammler zum Austausch mit erfahrenen Mäzenen und Familien, die oft seit Generationen Kunst sammeln. Der Nahe Osten ist geprägt von einer sehr jungen Bevölkerung. Besonders in der Golf-Region gibt es viele international denkende, außerordentlich offene und oft finanziell unabhängige junge Menschen. Dubai ist stolz darauf, eine unternehmerische Stadt mit einer steigenden Zahl kulturell interessierter Menschen zu sein.

SBV: Gerade in der Golf-Region steigt die Anzahl privater Museen stetig. Wie viele sind es bisher?

Jedes Jahr kommt mindestens ein neues hinzu, allein in Dubai und Sharjah sind es bereits fünf oder sechs.

SBV: Glauben Sie, dass diese Entwicklung trotz der weltweiten Finanzkrise anhält?

Sicherlich. Allein Doha hat ja bereits drei große Museen und zwei Kunstzentren eröffnet. Und Dubai verfügt über eine Reihe von öffentlichen Non-Profit-Institutionen und ist das Galerienzentrum der Region. Sharjah bietet eine Vielzahl von gut etablierten Museen und die Sharjah Art Foundation. Hier wird zurzeit viel darüber diskutiert, ob und wie die Kunst weiter unterstützt werden kann, sei es durch Beauftragungen, Agenturen für Public Art, neue Institutionen und so weiter. Das Unternehmen Abraaj Capital ist bekannt sowohl für die eigene Sammlung als auch den hochdotierten Abraaj Capital Art Prize, der jährlich auf der Art Dubai vergeben wird. Und es gibt auch andere Unternehmen und Einzelpersonen, die fernab der Öffentlichkeit sammeln.

SBV: Die Art Dubai ist vor allem zeitgenössisch ausgerichtet. Soll die Messe auch für moderne arabische Kunst ausgebaut werden?

Für moderne arabische Kunst auf der Messe haben wir gegenwärtig keine Pläne. Aber wir wollen andere Bereiche erweitern. Dieses Jahr startet das Management-Team die erste Design-Messe dieser Region, die Design Days Dubai, die zwar an einem anderen Ort, aber mit der Art Dubai zeitlich überlappend stattfindet. Es wird die allererste Messe für limitierte Möbel- und Design-Produkte im Nahen Osten und Südasien sein – ungeheuer spannend!

SBV: Bei der Christie´s Auktion im Herbst 2011 für zeitgenössische asiatische Kunst schien es so, als könne der nächste Hotspot Kunst aus Indonesien sein. Sie ging weg wie geschnitten Brot. Ist dieser Erfolg der Grund für die Auswahl Indonesiens als Schwerpunkt-Land der Art Dubai 2012?

Tatsächlich haben wir diese Entscheidung bereits im Frühjahr 2011 getroffen und folgen damit einem Interesse am Aufbau einer kulturellen Verbindung zwischen dem Golf und dem weltweit bevölkerungsreichsten muslimischen Land. Die Art Dubai soll als „Trichter“ oder als Konvergenzpunkt für aufstrebende Künstler aus Ost-Asien, Zentralasien und zunehmend auch aus Teilen von Afrika fungieren – so, wie es Dubai bereits für Kunst aus dem Iran, aus Pakistan, aus der arabischen Welt ist.

SBV: Irritiert die angespannte politische Lage in einigen Staaten der arabischen Welt nicht dieses Ziel? Sehen Sie direkte Auswirkungen des „arabischen Frühlings“?

In all den Diskussionen und Gesprächen während der Messe wird diese Situation sicherlich gegenwärtig sein. Im „Global Artforum“ greifen wir das teilweise mit dem Thema „The Medium of Media“ auch auf. Es wird eine Sitzung geben mit Blick auf „Neue Versammlungen in der arabischen Welt“, und eine andere fokussiert den Druck auf Künstler, solche Ereignisse aufzugreifen – und ob das vielleicht unangebracht ist. Ich denke, dass Künstler mit Kunstwerken immer wieder Wege suchen, um sich solchen seismischen Verschiebungen anzunähern – es ist eine offene Situation, die noch Jahrzehnte Künstler, Schriftsteller und Filmemacher beschäftigen wird. Die Kunstwerke auf der Messe werden zweifellos ein weites Feld verschiedener Themen ansprechen. Ich komme gerade aus Jeddah zurück, wo ich Künstler, Kuratoren und Sammler traf. Es ist sehr erfreulich, dass dort eine neue Generation von Künstlern entsteht, die sich mit lokalen, selbst innenpolitischen Anliegen beschäftigt – mit Blick auf die Probleme, die sie und ihre Kollegen betreffen.

Art Dubai im Madinat Jumeirah. Vom 21. bis 24. März 2012

veröffentlicht in: www.artnet.de, 2.2.2012