Kolkata Centre for Creativity und der indische Markt

14. Jan. 2019 in Kunstmarkt, News

Pinakin Patel und Richa Agarwalm, Kolkata Centre for Creativity, Indien

Pinakin Patel (l) und Richa Agarwalm (r), Kolkata Centre for Creativity, November 2018

Vor zehn Jahren galt die indische Kunst als boomender Markt. Erstmals waren die Preise für zeitgenössische Künstler wie Subodh Gupta oder Jitish Kallat über die Millionengrenze gestiegen. Eine Überblicksausstellung nach der anderen zog durch europäische Museen und machte die neue Kunstszene auch im Westen bekannt. In Mumbai und Delhi etablierten sich immer mehr Galerien. 2008 kam die globale Finanzkrise. Der Markt brach ein. Lediglich Werke der indischen Moderne erzielten noch Rekordpreise im Auktionsmarkt. 2016 kaufte dann die Schweizer MCH Messe Basel Group, Muttergesellschaft der Art Basel, 60,3 Prozent der Aktien der India Art Fair. Was wie ein Hoffnungsschimmer wirkte, erwies sich als Sackgasse: Anfang November 2018 teilte MCH den Ausstieg mit. Die nächste Ausgabe im Februar (1.-3.3.2019) wird zwar noch unterstützt, dann aber muss die Messe neue Partner finden. Aber die im letzten Jahr berufene Messedirektorin Jagdip Jagpal ist absolut optimistisch – und hat allen Grund dazu.

Kolkata Centre for Creativity

Kolkata Centre for Creativity

Wir trafen sie während der Eröffnung des neuen Kolkata Centre For Creativity (KCC). Kolkata ist die Hauptstadt des Bundesstaates Westbengalen und mit über 14 Millionen Einwohnern eine der größten Metropolen Indiens. Anders als in Delhi oder Mumbai gibt es hier nahezu keinen Kunstmarkt. Dabei galt die damals noch Kalkutta genannte Stadt Anfang des 20. Jahrhundert als Zentrum der künstlerischen Avantgarde, in dessen Mittelpunkt der berühmte Literat und Maler Rabindranath Tagore stand. Aber die Blütezeit ist längst vorbei. Tagores grandioser Palast ist heute eine Universität, andere Anwesen der Tagore-Familie sind verfallen. Enorme Luftverschmutzung, Armut und Verkehrschaos bestimmen das Stadtbild. Im krassen Kontrast dazu steht das gerade eröffnete Kulturzentrum KCC. Finanziert und organisiert von dem Unternehmen Emami ist es ein spannendes, neues Modell, das die Aufbruchsstimmung in Indien widerspiegelt. Emami ist mit 25.000 Beschäftigten eines der größten Unternehmen in Kolkata, dessen Geschäftszweige von Körperpflegeprodukten bis zu Immobilien reichen. Dazu gehört auch das non-profit-Projekt Emami Art, geleitet von CEO Richa Agarwal, Schwiegertochter eines der beiden Firmenbesitzer. Sie entwickelte gemeinsam mit KCC-Kreativdirektor Pinakin Patel das Konzept für das mit Emami Art verbundene Zentrum. „Das Projekt wurde dabei immer umfangreicher“, erzählt sie.

Galerie für Design und Collectibles, KCC

Galerie für Design und Collectibles, KCC

Auf rund 10.000 Quadratmeter über fünf Geschosse ist das Kolkata Centre for Creativity jetzt maßgeschneidert für den indischen Kunstmarkt: Im Erdgeschoß beginnt es mit einer Galerie, es folgen Schau- und Verkaufsräume für Design und Collectibles, ein vegetarisches Restaurant, weiter oben kann ein Vortragsraum, die Dienste einer Restaurierungswerkstatt, sogar ein Tanzstudio gemietet werden. Zugleich dient das Zentrum zur kostenfreien Ausbildung von Designern und Restauratoren – „alles in einem Haus, so muss man nicht in den schlimmen Verkehr“, betont Agarwal. Neun Millionen Dollar betrug das Budget für den Bau, die laufenden Kosten sollen zum Großteil durch die Angebote gedeckt werden. Einen „Tempel der Schönheit“ nennt Patel das Zentrum. Er ist gelernter Architekt und verwaltet einen Teil des Nachlasses von Dashrath Patel (1928-2011), dem die teils als Retrospektive, teils als Verkaufsschau angelegte Eröffnungsausstellung mit Malerei, Fotografien und Designobjekten gewidmet ist. In der Mischung zwischen Ausstellung, Verkauf und Ausbildung wird das Zentrum auch neue Wege der Vermittlung gehen, so ist bereits ein Stand auf der kommenden India Art Fair gebucht, erzählt Agarwal.

Galerie für Design- und Collectibles KCC

Galerie für Design- und Collectibles KCC

Diese fließende Grenze zwischen non-profit und kommerziellen Interessen mag unsere westlichen Vorstellungen einer Kunstinstitution irritieren. Tatsächlich aber ist das KCC ein Modell, das perfekt auf die speziellen Erfordernisse des indischen Kunstmarktes eingeht. Denn hier wird freie und angewandte Kunst nicht scharf getrennt. Vor allem aber gibt es keine staatliche Förderung. Daher müssen unsere Modelle von Kunsthallen und Museen adaptiert werden – und da setzt auch der Optimismus der India Art Fair-Direktorin an. Sie sieht ein großes Interesse an privaten Förderungen und ist absolut zuversichtlich bei der Suche nach neuen Messe-Partnern. Die nächste Ausgabe ist dafür eine gute Grundlage. „Mindestens 60 Prozent der Galerien sollen aus Indien stammen, das ist uns wichtig. Und die Qualität der internationalen Teilnehmer muss stimmen“, betont Jagpal: Unter den knapp 80 Teilnehmern der Messe sind David Zwirner, neugerreimschneider und Blain Southern. Vielleicht wurde deren Entscheidung von dem aktuellen South Asian Art Market Report bestärkt, der für den regionalen indischen Kunstmarkt 2017 eine Steigerungsrate von 13 Prozent ausgerechnet hat – die Krisen scheinen überwunden.

veröffentlicht in: WELT, 15.12.2018