Kunst aus Pakistan in Wien

04. Mai. 2016 in Ausstellungen, Kunstmarkt

Ali Kazim. Hinterland Galerie, Wien (mit Aisha Khalid)

Ali Kazim. Hinterland Galerie, Wien (mit Aisha Khalid)

Es kommt nicht oft vor, dass in Wien Kunst aus Pakistan zu sehen ist. Aber die österreichische Botschafterin in Islamabad, Brigitta Blaha, inittierte einen Kulturaustausch. Österreichische Musiker in Pakistan, pakistanische KünstlerInnen in Wien. Für den Kunstteil lud sie Aisha Khalid als Kuratorin ein.
Dass sie damit eine der renommiertesten Künstlerinnen Pakistans auswählte, war ein Glück für Wien – auch wenn es der Diplomatin wohl nicht so recht bewusst war. Die Vorbereitungen gingen keineswegs mit bestem diplomatischen Geschick vonstatten, zwischenzeitlich wollte Khalid schon alles absagen – da nicht nur nahezu kein Geld, keine Flüge, plötzlich sogar  nicht einmal Visa bereitgestellt werden wollten.

Ali Kazim,Hinterland Galerie, Wien

Ali Kazim,Hinterland Galerie, Wien

Zuletzt ging alles gut aus und die Schau „Universal/Personal“ konnte mit Werken von Aisha Abid Hussain, Rubaba Haider, Rehana Mangi, Ali Kazim, Noor Ali Chagani, Hammad Gillani, Adeel uz Zafar in der Hinterland Galerie in Wien eröffnen. Hinterland? Das ist ein kleiner Projektraum in Wien abseits der übrigen Kunstzentren, der über den Umweg des Wiener Musikclubs „Porgy & Bess“ ins Spiel kam. Dieser Club war Teil des Austauschplans. So zeigt dort Ali Kazim in einer Art Showroom seine Zeichnungen, die wie Federn auf jede Bewegung im Raum reagieren. Die Werke der übrigen KünstlerInnen sind in zufällig vorhandenen, mittelpassenden Rahmen – denn auch dafür war kein Geld vorgesehen – in der Galerie ausgestellt.

Szene aus Hamzanama

Szene aus Hamzanama

Die meisten der KünstlerInnen sind ausgebildet in der Miniaturmalerei – eine traditionelle Technik in Pakistan, die auf dem globalen Kunstmarkt gerade zu den neuesten Trends gehört. Ursprünglich aus Persien kommend, illustrieren die traditionellen Miniaturen die persische Literatur. Eines der bekanntesten Werke aus dem 16. Jahrhundert ist das Manuskript Hamzanama. Es umfasst 1400 Seiten, ein großer Teil dieser faszinierenden Blätter befindet sich in Wien im Museum für Angewandte Kunst. Die Seiten sind ein Bezugspunkt gewesen für die Kuratorin, denn sie möchte mit der Schau zeigen, dass die heutigen Miniaturen eine gänzlich andere Bildsprache sprechen.

c Jakob Winkler

Vitrine: Aisha Abid Hussain, hinten: Rubaba Haider. Foto Jakob Winkler

Anders als in den traditionellen Miniaturen wollen also die sieben jungen Künstler keine Heldentaten mehr verherrlichen oder Geschichten illustrieren. Die meisten studierten in Lahore am National Collage of Art bei Imran Qureshi – einer der bekanntesten Künstler Pakistans. Kern seiner Lehre ist das Erlernen der Tradition und anschließende Übersetzen in eine zeitgenössische Bildsprache. Das beginnt bei seinen eigenen Werken, in denen er in den in-situ-Werken auf ausgegossene, rote Farbe florale Ornamente aufmalt – Gewalt und Schönheit werden da zu einem Bild der Hoffnung. Und reicht bis zu spirituellen Ornamenten wie bei Aisha Khalid.

Aisha Khalid

Aisha Khalid, gesehen auf der Art Brussels, Galerie Zilberman, Istanbul

Auch in den Werken von „Universal/Personal“ schreiten keine kleinen Gestalten mit spitzen Schuhen durch die Bildfläche, sondern es sind durchwegs strenge Strukturen, die die Formate füllen. Das ist eine Bildsprache, die keineswegs nur in Pakistan zu finden ist. Ob in Dubai, Köln oder Brüssel, auf allen Kunstmessen fällt gerade auf, dass die junge Kunst ihre Herausforderungen in Gittermustern, regelmäßigen Schraffuren und vor allem selbstvergessenen Linienphantasien sucht. Das mag man von der Minimal Art oder auch Zero kennen. Aber in diesen Werken entsteht eine Ordnung, die durch eine weitreichende Unordnung lebt, denn sie alle leben von vielfältigen Brüchen, in denen eine enorme Spannung steckt.

Rubaba Haider

Rubaba Haider

So sind auch Rubaba Haiders Bilder angelegt: Die dünnen Linien scheinen ein Gewebe zu schaffen, das allerdings zerrissen und zerfetzt erscheint. An Wunden erinnern diese Bilder. Noor Ali Chaganis strenge Bilder sind  aus Miniatur-Ziegeln gebaut. Und in Adeel zu Zafars Zeichnungen sehen wir ein als Tuch geschlungenes Obergewand. Dazu gehört ein Kopfhörer, aus dem ein entsetzlicher Sound schallt – und wir erkennen, dass diese Linien nicht gezeichnet, sondern in schwarzes Vinyl hineingekratzt sind.

Adel uz Zafaar

Adel uz Zafaar

Adel uz Zafaar. Foto J. Winkler

Adel uz Zafaar. Foto J. Winkler

Der Sound sei für viele eine sehr unangenehme Erfahrung, erklärt er, aber er nehme es als Teil seines Lebens wahr, „nicht nur in meinem Werk, sondern auch im sozial-politischen Kontext, in dem ich lebe.“ So verwandelt der Künstler das Liniengeflecht in einen Kommentar zum gewalttätigen Alltag in Pakistan – in eine aggressive Geste, die so gar nicht zu unserer idealisierten Vorstellung von Miniaturmalerei passt. Denn ganz anders als in den historischen Vorbildern werden hier keine überlieferten Geschichten, sondern persönliche Erlebnisse verarbeitet.

Rubaba Haider

Rubaba Haider

Darum auch beginnt Haider ihr Artist Statement mit der Erklärung: „Ich bin eine Hazara Frau“. Die Hazaras sind eine Persisch sprechende, schiitische Bevölkerungsgruppe, die in Afghanistan und Pakistan leben und immer wieder verfolgt werden. Auch ihre Familie musste vor den Übergriffen der Taliban fliehen, heute lebt sie in Australien. Die Stoffe und Nadeln in ihren Bildern symbolisieren die „Wunden und Tränen, aber auch die Umbrüche und Konflikte in meinem Leben“, erklärt sie. In ihrer historischen Rolle webten die Hazara Frauen Kilims, Nähen und Sticken gehörte zu ihrer Ausbildung. Haider lehnte diesen Weg aber, greift die Tradition aber spannenderweise in ihrer Malerei wieder auf. Jede Abweichung der Linien erzählt von den Brüchen, die Struktur von den Überlieferungen.

Rehana Mangi

Rehana Mangi

Auch Rehana Mangi greift eine Tradition auf, wenn sie in ihren nur 12 Zentimeter großen Bildern aus menschlichen Haaren ein Gittermuster legt und mit einer ovalen Goldfläche kombiniert. Schon sehr lange sammelt sie ihre ausgefallenen Haare, wie auch ihre Mutter und ihre Großmutter vor ihr. Die früheren Generationen wollten damit verhindern, dass ihre Haare für Schwarze Magie verwendet wurden. Mangi ersetzt damit den Pinsel, der traditionell aus Haaren gefertigt ist. Und Aisha Abid Hussain verklebt Mengen von Papieren, auf denen sie in minikleiner Schrift Bücher abschreibt, zu einem Objekt, „um Text als Bild zu lesen“, wie sie sagt – Miniaturmalerei heute als persönlich-universelle Sprache.

Hinterland Galerie, Krongasse 20, 1050 Wien, bis 7.5.
veröffentlicht in: Die Presse, 3.5.2016