Yogyakarta

11. Dez. 2013 in Reisen

Nur zwei Flugstunden ist Yogyakarta von Singapur entfernt, aber man landet in einer völlig anderen Welt. Im supersauberen Hochglanz des kleinen Inselstaates Singapur leben gut 5.3 Millionen Menschen. Zeitgenössische Kunst ist Staatsprogramm, Galerien und Sammler kommen von außen. In bevölkerungsreichen Indonesien dagegen übernehmen erfolgreiche Künstler die Förderung der jungen Kunst, bauen Sammler die Museen, findet eine Kunstmesse ohne Galerien statt  und ein Atelierprogramm, das zwei Monate lang Besucher einlädt – alles ohne staatliche Finanzierungen.

Knapp 240 Mio. Menschen leben in diesem viertgrößen Land der Welt auf den mehr als 1000 Inseln in einer Jahrtausend-alten, früher hinduistischen, seit dem 15. Jahrhundert mehr und mehr moslemischen Kultur. Indoneisen ist das größte moslemische Land unserer Zeit. Die ehemalige niederländische Kolonie ist heute eine Präsidialrepublik, seit 2004 wird der Präsident direkt vom Volk gewählt.

Flughafen Yogyakarta

Hauptstadt der indonesischen Kunstszene ist Yogyakarta, knapp eine Flugstunde von Jakarta entfernt. Jogja, wie es auch genannt wird, ist Chaos, ist alte Kultur, ist wunderbare Lebendigkeit.

Ankunfhalle Yogyakarta

Was sofort auffällt: Die globalisierte Appartmentburgen- und Glasfassadenbürohochhaus-Welt – kurz: der Dubai-Stil – hat das Stadtbild von Jogja noch nicht verzerrt, die Stadtplaner die kleineren Strassen noch nicht zerstört, der Neoliberalismus die Gesellschaft noch nicht zersetzt. Hier ist alles sehr direkt. Der Flughafen von Yogya hat die geschätzte Größe eines Sportplatzes. Man geht gemütlich von der Maschine zum Gebäude, wo direkt an einem winzig kleinen Schalter die 25 US$-Visumgebühr bezahlt werden müssen. Schnell staut sich eine kleine Menschenschlange Richtung Flugfeld. Danach einige Schritte durch die Ankunftshalle und schon steht man draußen unter einem outdoor-Kronleuchter.

Es ist Regenzeit, aber das stört nicht. Schnell ein Schirm aufgespannt. Es ist warm. Der Regen nur ein Schauer.

Runderherum Autos und vor allem Mopeds. die eine eigene Spur auf den Strassen befahren.

Zwar herrscht hier nicht der ewige Verkehrsstau wie in der Hauptstadt Jakarta. Aber ohne fahrbaren Untersatz kommt man nur in der inneren Stadt rund um den Palast weiter.

Alle anderen Strecken wären zu weit, vor allem jene zu dem Projekt „YOS“ .

YOS

www.antenaprojects.com

Yogyakarta Open Studio nennt sich dieses Projekt, das vom 10.11.2013-10.1.2014 die Türen zu fünf Künstler-Ateliers öffnet. Man könnte meinen, dass so lediglich fünf Künstler die Chance erhalten, sich vorzustellen – weit gefehlt! Denn in der Künstler-Community in Yogyakarta wird gegenseitige Unterstützung groß geschrieben. Jeder der fünf Atelier-Besitzer lädt weitere Künstler ein, 17 sind es insgesamt.

Künstler als Förderer junger Kunst

Die Infrastruktur für zeitgenössische Kunst in Yogya ist in Künstlerhand! Sie bauen Häuser, um  jüngere KünstlerInnen und KuratorInnen auszustellen. Sie sammeln Kunst, vergeben Ateliersstipendien. „Wir haben ein Auto, ein Haus – was sollen wir mit all dem Geld?“ – das hört man immer wieder. Sie wollen etwas der jungen Kunst weitergeben. Die Preise für zeitgenössische indonesische Kunst liegen zwischen 3000,- -200.000,- US$. Ein Ausstellungshaus wie das SaRang Building koste ca. 300.000,- US$, wird mir erklärt.

SaRang Building

 

Innenraum SaRang Building mit Skulptur von Agus Suwage (Beitrag der Yogyakarta Biennale 2013)

Auch der Sangkring Art Space ist privat finanziert, der Künstler Putu Sutawijaya und seine Frau betreiben dieses Gebäude, das auf zwei Etagen Ausstellungsfläche bietet – plus Vorträgen, Workshops und Stipendien-Aufenthalten.

http://www.sangkringartspace.net

 

Putu Sutawijaya, Memory, 2010

Galerien & Sammler

Die renommierteste Galerie ist ARK, 2007 gegründet und von Alia Swastika geführt. Hier hatten die meisten shooting stars Indonesien ihre erste Solo-Ausstellung.

ARK Galerie, Jogja

Mitgetragen wird die lebendige Kunstszene Indonesiens auch maßgeblich von ca. 20 sehr aktiven SammlerInnen. Manche organisieren Ausstellungen wie Melani Setiawan: Sie ist heuer mitverantwortlich für die Jakarta Biennale. Andere betreiben Privatmuseen wie der gebürtige Chinese Budi Tek (Yuz Museum, Jakarta), der sein Geld mit einer Hühnerfutter-Firma macht und gerade ein weiteres Haus in Shanghai baut; der junge Sammler Tom H. Tandio, Gründer von IndoArtNow (www.indoartnow.com) oder der Inhaber des größten Tabak-Konzern Dr. Oei – so wird der ausgebildete Mediziner und Sammler Oei Hang Djien hier von jedem genannt. Sein Museum befindet sich im ca. 45 Minuten vom Stadtzentrum entfernten Magelan – bzw. seine Museen. Denn es sind ein öffentliches und zwei halböffentliche, die direkt neben seinem Wohnhaus errichtet sind. Hier zeigt er auch seine Sammlung von indonesischer Moderne – ein Haus, das jedem Nationalmuseum Konkurrenz machen kann.

OHD Museum, www.ohdmuseum.com

 

Eko Nugroho, OHD Museum

 

Dr. Oei auf der Terrasse seines privaten Museums

 

Dr. Oeis Museum für Indonesische Moderne

 

Blick in die Sammlung Indonesischer Moderne

 

… und weitere Werke in seinem Haus. Besuch zusammen mit Ursula Krinzinger

Kunstmesse ART JOG

In einer derartig lebendigen Stadt darf auch keine Messe fehlen. Die seit 2011 stattfindende ART JOG ist ein lokales Format, das sich in kürzester Zeit zum Muss für alle Sammler Südostasiens entwickelt hat. Es ist eine Kunstmesse ohne Galerien. KünstlerInnen produzieren oft eigens für die Messe neue Werke. CEO Satriagama Rakantaseta, kurz Seto, lädt jedes Jahr einen prominenten Gast für das Rahmenprogramm ein und ist ständig auf der Suche nach jungen indonesischen KünstlerInnen. Das Modell funktioniert, indem die Messe-Veranstalter Aufbau etc. übernehmen und im Gegenzug an den Verkäufen beteiligt sind.

Satriagama Rakantaseta, CEO Art Jog, www.artfairjogja.com

Doch zurück zu YOS:

Black Goat Studios, Yogyakarta

Das „Black Goat Studio“ gehört dem indonesischen Star-Künstler Entang Wiharso (1967), dessen zweidimensionale Aluminium-Reliefes bereits außen auf dem Haus zu sehen sind. Kleinere Werke kosten ca. 60.000,- US$, vertreten wird er von der Galerie Arndt in Singapur. In sein Studio lud er u.a. Ashley Bickerton  (1959) ein – jenen Star aus dem New York der 1980er Jahre, der für wunderbar-futuristische Wandobjekte berühmt war. Seit längerem lebt er auf Bali und hat sich von den Objekten komplett verabschiedet, malt stattdessen psychodelisch-gruselige Bilder.

Entang Wiharso

Entang Wiharso (links), Ashley Bickerton (Bilder Mitte)

Im Black Goat Studio sehen wir auch Frauenportraits von Fendry Ekel (1971) , dessen Studio ebenfalls zu dem Rundgang gehört: OFCA International, mit Werken von Krisna Murti (1957) und Jumaldi Alfi (1972), der sich in seiner Malerei gerne auf Martin Kippenberger bezieht.

Jumaldi Alfi

Der erstaunlichste Bau ist das Studio Handiwirman:

Studio Handiwirman

Von der Straße  aus betritt man ein garagenähnliches Gebäude, durchquert Kuddelmuddel, landet auf einem Streifen Grünland mit Blick auf die umliegenden Felder, kommt in eine Werkstatt und irgendwann öffnet sich die riesige, grüne Halle.

Handiwirman Saputra (1975), Anusapati (1957), Abdi Setiawan (1971) – im Westen noch wenig bekannte, in Indonesien zu den Bekanntesten gehörende Künstler zeigen hier ihre Skulpturen.

Taufik Ermas (1984)

Den besten Überblick allerdings findet man auf der Biennale Jogja (bis 6. Januar 2013), die heuer mit 35 KünstlerInnen in ihrer 12. Ausgabe stattfindet und als Gast erstmals arabische Länder einlud – denn diese Biennale konzentriert sich auf eine geographische Region: rund um den Äquator. Hauptausstellungort ist das Jogja National Museum, Thema ist Mobilität als Bedingung von Ausstellungen heute, Titel ist: NOT A DEAD END.

Jogja National Museum, Hauptausstellungsort der Biennale Jogjy XII