Anna Dumitriu & Alex May: Kunst mit Hefe

17. Mrz. 2022 in Ausstellungen

Fermenting Object, 2021. Courtesy Anna Dumitriu, Alex May. Foto Alex May

Fermenting Object, 2021. Courtesy Anna Dumitriu, Alex May. Foto Alex May

Bier, Brot, Medikamente, Chemikalien – vom Haushalt bis zur Industrie kommt Hefe zum Einsatz. Jetzt steht der winzige, einzellige Organismus im Mittelpunkt einer hochspannenden Ausstellung im Künstlerhaus: „Fermenting Futures“ nennen Anna Dumitriu und Alex May ihr Projekt. Dumitriu gehört zu den bekanntesten BioArt-Künstlerinnen – jener Kunstrichtung, die mit lebenden, meist synthetischen Organismen arbeiten und die ihr Atelier in wissenschaftlichen Laboren einrichten. Bekannt ist Dumitriu für ihr „Pestkleid“: Die Stickereien auf dem historischen Seidenkleid sind mit der DNA von Yersinia pestis-Bakterien imprägniert.

Fermenting Futures and BioArchaeology of Yeast, Anna Dumitriu & Alex May, Künstlerhaus Vereinigung, Wien 2022: Foto Künstlerhaus

Fermenting Futures and BioArchaeology of Yeast, Anna Dumitriu & Alex May, Künstlerhaus Vereinigung, Wien 2022: Foto Künstlerhaus

In Wien konzentriert sie sich auf den Hefepilz. Das Duo arbeitet mit einer speziellen Hefe, die gleichzeitig Kohlenstoff binden und Milchsäure zur Herstellung von PLA-Kunststoff abgeben kann. Da diese Pichia pastoris-Hefe hier nicht gezeigt werden darf – denn genetisch modifizierte Organismen sind in Ausstellungen nicht erlaubt – präsentieren sie Relikte der Gärungsprozesse: das magisch blubbernde Glasgefäß mit rosafarbenem Wasser, das durch Schläuche mit einem Holzsockel verbunden ist. Außen zieren es merkwürdige Formen, die auch die Wand wie in einer feindlichen Übernahme bevölkern. Es sind 3D-Scans von Schwarzhefe-Kolonien, eigentlich bekannt als krankheitserregende Bösewichte auf Möbeln und in Spülmaschinen – hier verwandelt in wunderschöne Skulpturen. Schaut man genau hin, sieht man auf den Wandobjekten die kleinen Hefezellen. Daneben spielen hausähnliche Blöcke, die aus der Erde „herauswachsen“, wie es Alex May erklärt, auf die Co-Evolution von Mensch und Hefe an. Manche der Objekte sind aus Brot gebacken. Die fünf bestickten Textilien an der Wand wurden mit Hefen braun oder dunkel eingefärbt – denn auch dazu kann dieser Organismus genutzt werden. Ähnlich wie im Pestkleid verbindet Dumitriu auch hier Handwerkstechniken mit biologischen Motiven, um unsere Beziehungen zur Welt der kleinen Organismen anzusprechen.

Fermenting Futures, Anna Dumitriu & Alex May. Künstlerhaus Vereinigung, Wien 2022. Foto Künstlerhaus

Fermenting Futures, Anna Dumitriu & Alex May. Künstlerhaus Vereinigung, Wien 2022. Foto Künstlerhaus

Die Ausstellung erinnert an eine Alchimistenküche, in der auf wundersame Weise Umwandlungsprozesse passieren. Tatsächlich ist es allerdings eng mit Wissenschaft verbunden und basiert auf einer Kooperation mit der BOKU Wien. Deren Sicht auf Hefe folgt im zweiten Teil, gestaltet von Diethard Mattanaovich und seinem Team. Mattanovich ist Professor für Mikrobielle Biotechnologien an der BOKU Wien, dort wird die Evolution der Hefe im Labor nachgebildet und mögliche Nutzungen des Organismus für kommerzielle Produkte entwickelt. Gewöhnlich benötigt der Einzeller für den Gärungsprozess Zucker oder Stärke, was allerdings bei großem Umfang zu viel jener für Nahrung notwendige Anbaufläche vereinnahmen würde. So experimentiert das BOKU-Team mit CO2 als Rohstoff. Ein Zukunftsszenarium der Forschung ist Hefe als Erdölersatz, für Treibstoff, aber auch zur Erzeugung von Plastik – was die daraus produzierten Trinkbecher auf einem der vier wissenschaftlich bestückten Tische bezeugen. Auch das Künstlerduo hat übrigens solche Hefe-Plastik eingesetzt, ein kleines Stück ziert das Glasgefäß.
Noch ist der Prozess aber Zukunftsmusik, die Kosten dafür sind 30-50 Prozent höher als bei der Erdölverarbeitung. Auf einem anderen Tisch sehen wir einen kleinen, dunklen Klumpen: Es ist ein Stück „jungsteinzeitliches Brot“, wie Mattanovich erklärt, das durch seine Form schon auf eine sehr frühe Verwendung von Hefe hinweist. Ein Tisch zeigt den Weg der Hefe von der Natur ins Labor, ein anderer Färbeprozesse, etwa für Zuchtlachs. Selten finden künstlerische und wissenschaftliche Methoden derart kongenial zusammen wie in dieser Ausstellung, die ein klares Ziel verbindet: ein Bewusstsein zu schaffen für neue Lösungswege.

Künstlerhaus Vereinigung, Factory, 3.-22.3.2022
veröffentlicht in: Die Presse, 16.3.2022