Kunsthaus Zürich verklagt Sprayer Naegeli

10. Jun. 2020 in News

Harald Naegeli, Totentanz. Stadtraum Zürich

Harald Naegeli, Totentanz, 2020. Stadtraum Zürich

Skandal um Naegeli in Zürich: Während der Ausgehbeschränkung aufgrund der Covid19-Pandemie tauchten im Zürcher Stadtraum merkwürdige Strichmännchen auf. Diese Graffitis sind deutlich an das historische Totentanz-Motiv angelehnt. Seit dem 14. Jahrhundert bekannt, versinnbildlicht es den Triumph des Tod über das Leben bzw. die Gleichheit aller vor dem Tod. Schnell wurde der seit den 1970er Jahren berühmte, heute 80jährige Sprayer Harald Naegeli als Urheber der Spraybilder gemutmaßt – was jetzt offenbar bewiesen werden kann. Allerding zum massiven Nachteil des Schöpfers. Denn diese bemerkenswerten Bilder zierten auch das Kunsthaus Zürich. Laut Aussage des Pressesprechers befinden sich in der Sammlung des Museums 29 Naegeli-Werke, „erworben seit den 1970er Jahren und einige vom Künstler geschenkt“. Statt stolz auf Naegelis neuestes Werk zu reagieren, auf den spannenden Zusammenhang mit Rodins „Höllentor“ hinzuweisen und eine erstklassige Medienkampagne daraus zu schmieden, entschied Direktor Christoph Becker erschreckend konservativ : Naegelis Graffitis hinter dem „Höllentor“ und auf einer rückwärtigen Wand wurden schnell entfernt.

Harald Naegeli, Totentanz, 2020. Eingang Kunsthaus Zürich

Harald Naegeli, Totentanz, 2020. Eingang Kunsthaus Zürich

Und nicht genug damit: Aufgrund deutlicher Videoaufnahmen wird Naegeli jetzt von der Stiftung Zürcher Kunsthaus wegen Sachbeschädigung verklagt. Während Banksys Spraybilder vorsichtig abgeschlagen und zu Höchstpreisen versteigert werden, sorgt sich der Zürcher Museumsdirektor um eine saubere Fassade.
Dazu merkt der Pressesprecher weiter in seiner email-Antwort am 10.6.:  „Keineswegs verkennen wir sein künstlerisches Talent. Aber wir können auch nicht jedes ´Geschenk´ annehmen.“ Das ist reiner Zynismus: dieses Delikt kann mit Gefängnisstrafe bestraft werden. Während Naegeli gerade mit seiner Aktion „Wolkegabe“ großzügige Vermieter, die sich ihren Mietern gegenüber kulant zeigten, mit einem Bild beschenkte, pocht das Kunsthaus Zürich auf Kosten eines Künstlers auf weiße Wände. In unserer momentanen Situation, wo Autoritäten und längst überkommene Verhaltensweisen auf allen Gebieten überprüft werden, muss sich gerade ein Museumsdirektor die Frage gefallen lassen: Ist eine solche drastische Reaktion eines heutigen Museums würdig? Kann einem solchen Museum noch vertraut werden?