Ugo Rondinone: Künstler & Poeten – Wiener Secession

01. Mrz. 2015 in Ausstellungen

Fassade Wiener Secession, John Giorno

„Ich muss kein Kunstwerk über sprachliche Konventionen verstehen, ich muss es nur fühlen.“ Das ist eine radikale Aussage, die Kunst nicht als Analyse-Werkzeug versteht, sondern auf das letztendlich Unerklärliche eines Werkes zielt. So radikal wie diese Ansage von Ugo Rondinone ist auch seine Ausstellung, die er gerade für die Wiener Secession zusammengestellt hat.

Foto Jorit Aust

Er ist einer der erfolgreichsten Künstler der Schweiz, 1964 geboren, studierte in Wien an der Angewandten und lebt heute in New York. Seine Medien reichen von Comics, Malerei, Fotografie bis zu raumgreifenden Installationen. Seine Neigung, ganze Räume zu gestalten, mag auch ausschlaggebend sein für einen weiteren, ungewöhnlichen Teil seiner künstlerischen Praxis: Ugo Rondinone kuratiert seit 2004 eine Trilogie. Der erste Teil fand 2004 unter dem Titel „The Third Mind“ in Paris im Palais de Tokyo statt, „The Spirit Leven“ als Teil 2 in der Galerie Gladstone New York 2012 und jetzt der dritte und letzte in der Wiener Secession: „Artists and Poets“. Der Auftakt dazu beginnt auf der Fassade: DIAL-A-POEM +43.1.5858433 ist dort zu lesen. Ruft man an, hört man ein Gedicht, „an schüleng neinzk“ von HC Artmann, oder vielleicht „Der Kakao“ von Wolfgang Bauer.

John Giorno, Dial-a-Poem

DIAL-A-POEM ist ein Projekt von John Giorno, 1936 in New York geborener Performancekünstler und Poet, der mit diesen per Telefon abrufbaren Gedichtsaufzeichnungen 1970 bekannt wurde. Für Wien ist das Projekt mit Lyrik von 30 österreichischen Schriftstellern aktualisiert, die auch auf altmodischen Telefonen oben im Kabinett der Secession abrufbar sind.

Aber damit ist der Poeten-Teil der Ausstellung auch bereits abgehakt. Denn Ugo Rondinone will nicht die beiden künstlerischen Ausdrucksformen vermengen, sondern die grundsätzlichen Verbindungen zwischen Kunst und Poesie aufzeigen. 113 Werke von 15 Künstlern und Dichtern hat er aufgrund ihrer Geschichten ausgewählt, über „Kunst und Dichtung im allgemeinen, über die Welt und wie es sich anfühlt, ein Teil davon zu sein, und Geschichten im Verhältnis zu meiner Geschichte,“ erklärte er auf der Pressekonferenz. Die meisten Künstler seien auch in seiner eigenen Sammlung vertreten, erzählt er. Viele sind wenig bekannt, manche wie der britische Minimalist Bob Law (1934-2004) nahezu vergessen oder wie Donald Evans (1945-1977) erst kürzlich wiederentdeckt. Evans gemalten Briefmarken sind mit Heimo Zobernigs frühen, spröden Sockel-Skulpturen kombiniert – eine ähnlich überraschende Zusammenstellung wie die fragilen Drahtobjekte von Fritz Panzer mit Gerwald Rockenschaubs frühen Neo-Geo-Bildern. Kurios sind Andrew Lords (1950) Keramikobjekte inmitten von Klimts Beethovenfries, denn der 1950 in England geborene Künstler orientiert seine unorthodoxen Formen an Gefäßen auf Paul Gauguins Gemälden – ein interessanter Weg, darüber auch Klimt wieder in die Welt der Zeitgenossen zu holen.

Fritz Panzer (Mitte), Gerwald Rockenschaub // Jorit Aust

Das besondere dieser Gruppenausstellung ist Rondinones Entscheidung, in kleinen Räumen von jedem Künstler jeweils eine größere Werkauswahl zu zeigen und dabei immer Malerei mit Skulptur zu kombinieren. Am liebsten wäre es ihm, wenn die Kombinationen während der laufenden Ausstellung untereinander ausgetauscht würden, schlägt er vor. Denn er will keine interpretatorischen Verbindungen schaffen. Manche Dialoge aber treffen eine Zeitästhetik so genau, dass man auf keinen Fall eine Änderung möchte: In der Galerie unten hängen rund um Andra Ursutas (1979) irritierende Po-Abguss-Sessel die bunten Bilder von Michael Williams (1978). Er vermischt die Candy Crash-Ästhetik mit der Filmfigur Shrek und einem Elch mit Antenne am Geweih – sehr schrill!

Andra Ursuta, Michael Williams // Jost Aust

Es ist ein erfrischender Ansatz, wenn sich der Kurator nicht hinter Theorien oder großspurigen, andeutungsüberladenen Titeln versteckt. Was aber hält dann die Werke dieser Künstlern aus mehreren Jahrzehnten zusammen? Ist ein derartig subjektiver Ansatz nicht kryptisch für die Besucher? Die Ausstellung in der Wiener Secession sei ein „Theater der Gefühle“, erklärte er, er zeige uns „energetische Arbeiten, die mich interessieren, beeinflussen und verfolgen. Verstehen muss man die Arbeiten nicht, man muss sie nur anschauen.“

Wiener Secession, 12.Februar – 12. April 2015

veröffentlicht in: Die Presse, 21.2.2015