Neue Messemodelle

12. Mrz. 2018 in Kunstmarkt

ARCO 2018

ARCO 2018

Die Messesaison hat begonnen. Gerade schloss die ARCO in Madrid, bald eröffnet die Art Dubai und Ende des Monats folgt schon die Art Basel Hong Kong. Mehr als 200 Messen finden jährlich statt. Genau 51 Jahre alt ist das Format, das 1967 als Kölner Kunstmarkt von Galeristen begonnen wurde. Damals revolutionierte es den Kunsthandel und verschaffte dem Markt eine breitere Öffentlichkeit. Heute dienen die Plattformen längst nicht mehr nur dem An- und Verkauf von Kunst. Kunstmessen sind zum Instrument von Stadtmarketing, vor allem zu einem gewinnträchtigen Geschäftsmodell geworden. Darum erstaunt es auch nicht, dass in Städten mit einer erfolgreichen Kunstmesse flugs noch weitere hinzukommen, und das noch gerne zeitgleich mit dem Platzhirschen. Zwar scheiterte diese Strategie gerade in Brüssel. Die 2010 in New York gegründete Independent Art Fair hängte sich an die traditionsreiche Art Brussels an. Nach zwei Ausgaben ist der Neuling heuer in den November ausgewichen, die Brüsseler Sammler blieben der altgedienten Messe treu. Der Hoffnung auf Synergien aber schadet das nicht, die nächsten Projekte sind schon in Planung, sogar für Wien. Hat dieses Modell überhaupt noch eine Zukunft? Ist das Konzept der fahrenden Händler, die ihre Ware von Ort zu Ort bringen, in Zeiten von Internetkäufen nicht längst passé?

Sakshi Gupta, Courtesy Galerie Krinzinger, Wien

Sakshi Gupta, 2017, Courtesy Galerie Krinzinger, Wien

Der Hiscox Online-Handelsreport gibt jedes Jahr neue Jubelmeldungen heraus, die von kontinuierlich steigenden Umsatzzahlen erzählen. Allerdings ist der Report auf die USA konzentriert. 57 Prozent der Käufer sind zwischen 25 bis 34 Jahre alt, 79 Prozent kauften Ware unter 5000 Dollar ein. Bei Auktionen mache der Online-Anteil 8 Prozent aus, rechnet der Report vor. Wie sehen das die österreichischen Händler? „Am Anfang waren die online-Portale interessant“, erklärt die Wiener Galeristin Ursula Krinzinger. Über Artsy hätten sie durchaus verkauft, wenn auch nicht viel. Mittlerweile ist das Angebot dort zu undifferenziert. Galeristin Nathalie Halgand ist Kundin bei Artspace, die nicht wie Artsy eine jährliche Gebühr, sondern eine 20%-Kommission im Falle eines Verkaufs verrechnen, darin Transport und Versicherung inkludiert. Bisher konnte sie darüber eher niedrigpreisige Werke handeln.

Installation View Lindsay Lawson, WOKENESS, Galerie Lisa Kandlhofer, 2018

Installation View Lindsay Lawson, WOKENESS, Galerie Lisa Kandlhofer, 2018

Ihre Kollegin Lisa Kandlhofer kommt zu dem Schluss: „Online-Portale sind keine Alternative zu Messen, die Verkäufe laufen da eher schleppend.“ Messen, darin sind sich alle einig, sind daher noch immer notwendig, denn der direkte Kontakt ist unersetzbar. Silvia Steinek: „Der Kunstkauf ist noch immer ein Erlebnis, der Geruch von Kunst, die Verwendung der Sinne spielt eine große Rolle dabei“. Allerdings muss die Qualität der Messe stimmen: „Galerien erwarten von Messen eine internationale Sichtbarkeit und eine Erweiterung ihres Kundenstocks“, erklärt Martin Janda, „und das können die wenigsten Messen einlösen.“

ABHK17, Misc, General Impressions, Courtesy Art Basel Jessica Hromas for Art Basel

ABHK17, Misc, General Impressions, Courtesy Art Basel
Jessica Hromas for Art Basel

Trotzdem: Messen sind die „beste Plattform für Künstler, und zwar jede Messe, auch die kleinen. Dort schauen sich viele Kuratoren um“ und „Sammler lieben Neuentdeckungen.“ Ähnlich argumentiert auch Ursula Krinzinger. „Wir nehmen jährlich an 10 bis 12 Messen teil, denn für die österreichischen Künstler ist es absolut wichtig, international gesehen zu werden.“ 
Aber Messen sind kostenintensiv. Rund 700.000 Euro kostet sie das insgesamt, allein für die Art Basel in Miami fallen für Krinzinger 250.000 Euro an. Standgebühren, Reisekosten, Mitarbeiter, Transporte, Versicherungen – das summiert sich schnell. Beginnend mit der ARCO in Madrid, zieht Krinzinger im März weiter nach Dubai, Hongkong, ist in Brüssel, Basel, London, Paris, Miami, Shanghai und auch Wien dabei. Singapur probierte sie einige Jahre lang aus, aber in dem südostasiatischen Stadtstaat habe sich noch kein stabiler Markt entwickelt. Generell gelte es, einem neuen Messestandort vier bis fünf Jahre zu geben, um einen Kundenstamm vor Ort aufzubauen. „Messe-Hopping“ dagegen funktioniere kaum, weil man eine Beziehung zu dem Land aufbauen müsse. Und das heißt auch, Kunst aus der Region zu zeigen. Gerade junge Galerien sollten an Messen teilnehmen, rät sie. Zumal es in Österreich eine Messeförderung gibt: Jede Galerie kann dafür ansuchen, die großen Veranstaltungen werden mit bis zu 14.000 Euro unterstützt, die kleineren mit einer Pauschale von 4000,- Euro. Zentrale Bedingung: Es muss überwiegend österreichische Kunst gezeigt werden.

Art Basel 2017

Art Basel 2017

Allerdings müssen Galerien selbst für kleinere Messen rund 20.000 Euro einkalkulieren. Da ist die österreichische Messeförderung nur ein kleiner Trost. Oft beginnen die Kosten bereits mit der Anmeldung, für die die Art Basel 450 bis 550 Dollar fordert, was ihnen bei rund 720 Einreichungen schon einen ordentlichen Gewinn bringt. Inhaber der Art Basel ist die MCH Group, die 90 Messen jährlich veranstaltet. Die Gewinnträchtigsten sind die Art Basel und die zweijährliche Uhrenmesse Baselworld, für die eigens eine zehn Meter hohe Halle gebaut wurde. Diese Raumhöhe konnte bisher auch von der Art Basel-Sektion Unlimited mit überdimensional großen Skulpturen genutzt werden. Seit heuer bleiben jedoch die mehrstöckigen Standbauten der Baselworld ganzjährig stehen, die Kunst muss in das weitaus niedrigere, obere Stockwerk ausweichen.

CHART 2017

CHART 2017

Aber nicht alle Messen sind nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Da gibt es etwa die CHART Art Fair in Kopenhagen. 2013 von fünf Galeristen gegründet, können Galerien nur auf Einladung teilnehmen und müssen nordische Kunst vertreten. Die Teilnahme kostet zwischen 5000-8000 Euro. „Wir veranstalten die Messe nicht, um einen Gewinn zu machen“, betont CHART-Direktor Simon Friese, jeder Gewinn wird investiert.

Galerie BSL, NOMAD St. Moritz 2018

Galerie BSL, NOMAD St. Moritz 2018

6000,- Euro ist auch die Untergrenze der neuen Messe NOMAD, die eigentlich keine Messe sein will. Die Gründer Giorgio Pace und Nicolas Bellavance-Lecompte sprechen stattdessen von „Schauräumen“. Austragungsort sind nicht Hallen, sondern Häuser – exklusive Orte, die Geschichten erzählen können. So gastiert NOMAD Monacco im April in der Luxusvilla La Vigie oben auf dem Hügel gleich am Meer. NOMAD St. Moritz 2018 fand im Februar im tiefverschneiten Engadin im Museum für Wohnkultur Chesa Planta statt. Der Eintritt ist frei, Besucher müssen sich jedoch vorab online registrieren. Schwerpunkt der Messe sind Design und „collectibles“, also limitierte Sammlungsstücke der angewandten Kunst.

NOMAD St. Moritz, 2018, Galerie Marlborough Contemporary mit Skulpturen von Tony Martelli. Foto SBV

Galerie Marlborough Contemporary mit Skulpturen von Tony Matelli. NOMAD St. Moritz, 2018, Foto SBV

20 Galerien nahmen in St. Moritz teil, darunter vier aus dem Feld der Kunst: Skarstedt mit George Condo-Zeichnungen, Marlborough Contemporary mit einem Teppich von Francis Bacon und Außenskulpturen von Tony Matelli, Massimo de Carlo mit Keramikobjekten, Eva Presenhuber mit Doug Aitken. 
Im nächsten Jahr will das NOMAD-Team die Nähe zur Kunst bzw. Kunstkundschaft noch weiter ausbauen und startet eine eigene Kunstmesse, den „Wintersalon“ namens SOMMET im Maloja Palace Hotel im Engadin. Mitbesitzer von SOMMET ist Will Ramsey. Er sieht ein enormes Potential im Engadin mit den wohlhabenden Ferienhausbesitzern. Und übrigens auch in Wien. Er überlegt, einen Ableger seiner Affordable Artfair in die Donaustadt zu bringen. Aber gibt es hier überhaupt genügend Interesse für eine Parallelmesse? „Sicherlich, aber es braucht neue Modelle,“ formuliert es Janda diplomatisch.
veröffentlicht in: Die Presse, 11.3.2018