Schloss Morsbroich: Offener Brief von Gerhard Richter

26. Feb. 2016 in News

wikimedia: Schloss Morsbroich, Leverkusen

wikimedia: Schloss Morsbroich, Leverkusen

Man hält es nicht für möglich: Kurzsichtige Wirtschaftsprüfer der Prüfungsgesellschaft KPMG empfehlen die Schließung vom Museum Schloss Morsbroich. Leverkusen muss 1.1 Mio Euro einsparen und wenn man die Welt nur als Zahlen, die Geld bedeuten, sieht – tja, dann sind 778,450.- Euro jährlich genau der Posten, den man streichen kann. Wie so oft wird auch hier mit der Keule der Besucherzahlen argumentiert: Zwar sei die Zahl zuletzt auf 16 500 gestiegen, aber die Summe zahlender Besucher sei zurückgegangen auf knapp 3000 – Schulklassen zahlen keinen Eintritt, das Museum ist ein zentraler Ort für kulturelle Bildung in Leverkusen.
Und um der Ignoranz der Beraterzunft noch eins drauf zu setzen, folgt der drastische Nebensatz in Klammern: „Verkaufserlöse Kunstwerke sind hier nicht enthalten.“ Das ehemalige Barockschloß enthält eine Sammlung von rund 400 Gemälden und Skulpturen plus rund 5000 Druckgraphiken. Noch ein kleiner Zusatz in dem Gutachten: “ „Es ist davon auszugehen, dass eine Schließung des Museums von Protesten begleitet sein wird.
Sofort reagierte die deutsche Presse von der FAZ bis zum Regionalblatt – und jetzt hat Gerhard Richter dem Oberbürgermeister einen bösen Brief geschrieben:
Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Leverkusen

Gerhard Richter, 2014. Foto Raimond Spekking

Gerhard Richter, 2014. Foto Raimond Spekking

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Richrath,
einer Fülle von Presseveröffentlichungen entnehme ich, dass in der Stadt Leverkusen ein Papier der Unternehmensberatung KPMG diskutiert wird, das eine Schließung des Museum Morsbroich und einen Verkauf seiner Sammlung vorschlägt.
Dieser Vorschlag ist erschreckend!
Das Museum Morsbroich ist eine hoch angesehene Institution. Seine vorbildliche Arbeit wird weit über die Grenzen des Landes hinaus wahrgenommen und geschätzt. Eine öffentliche Sammlung ist keine Geldanlage, die je nach Kassenlage geplündert werden kann. Sie ist ein Stück Kunstgeschichte und repräsentiert das Gedächtnis ihrer Träger.
Im Jahr 2009 haben wir gemeinsam eine große Ausstellung meiner übermalten Fotografien veranstaltet. Von meiner Hand befinden sich zwei wichtige Gemälde und zahlreiche Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken im Haus. Sie wurden von mir oder von anderen dem Museum überlassen, weil wir davon ausgegangen sind, dass auch in Leverkusen Museumsbesitz als Erbe und Gedächtnis einer Kommune geschützt ist. Es gibt verbindliche internationale Konventionen, die die Bürger vor solchen Übergriffen bewahren sollen.

Ich protestiere daher gegen die Pläne Schließung des Museums und zum Verkauf seiner Sammlung. Bitte weisen Sie diese Überlegungen als Oberbürgermeister der Stadt Leverkusen unmissverständlich zurück. Ich würde mich freuen, auch zukünftig noch einen guten Grund zu haben, nach Leverkusen zu fahren.

Hochachtungsvoll,
Prof. Gerhard Richter