Optimistische Geschäfte

18. Aug. 2015 in Kunstmarkt

Gerade ist eine der ältesten US-amerikanischen Kunstzeitschriften aufgekauft worden: Art in America gehört jetzt Artnews. Die meisten kennen Artnews nur als Internetseite mit so tiefgründigen Themen wie „Die 200 wichtigsten Sammler der Welt“, tatsächlich aber wurde die Zeitung bereits 1902 gegründet, Art in America folgte erst 1913. Letztes Jahr kaufte Serge Skaterschikov Artnews – er war auch kurzzeitig Miteigentümer der Wiener Kunstmesse Viennafair. Will er die Zeitschriften jetzt im Paket weiterverkaufen? Oder ist ein Börsengang in Deutschland geplant, wie das Handelsblattberichtet?

Eine Kunstzeitschrift an der Börse – klingt das nicht wie ein Superflopp? Gilt diese Sparte nicht als elitär und kommt kaum über eine bisweilen sogar namentlich bekannte Leserschaft hinaus? Nein, das war gestern. Seit wir es mit einer Art Industry zu tun haben, expandiert die Leserschaft, die Menge der Berichte und die Macht der Medien. Denn mit gezielten Statistiken und Berichte kann der Kunstmarkt bestens beeinflusst werden. Zu Recht unbekannte Maler flimmern dann plötzlich als „upcoming“ und „vielversprechend“ durch das Internet. Bisher hielten sich die alten, seriösen Kunstzeitschriften stark zurück bei solchen Manipulationen. Solche Meldungen kommen fast ausschließlich in den Internet-Magazinen vor – und davon gibt es immer mehr. Die bekanntesten sind Seiten wie Artmarketmonitor, Blouin Artinfo oder Artnews. Kennzeichen dieser Seiten: auffallend reißerischen Überschriften mit erschreckend geringen Informationen a la „8 Geheimnisse von Larry Gagosians Erfolg sind enthüllt“. Da lesen wir dann „Frauen mit hohen Absätzen im Team“, „Vertraue deinen Angestellten“ und noch weniger überraschend: „Sales sales sales“. Oft ist die Grenze zwischen Pressetext und Redaktionellem dort sehr weich. Was zählt, ist nicht die Qualität, sondern die Menge der Klicks.

Aber die Fusion und der geplante Börsengang sind nicht die einzige kuriose Meldung der letzten Wochen. Lange galt der britische Künstler Damien Hirst als Kunstmarktliebling. Mittlerweile bleiben seine Werke auf den Auktionen liegen, die Preise für seine Bilder sind um 30 Prozent gefallen. Das scheint den Künstler kaum zu kümmern, der mit seinem Hai in einer riesigen Vitrine, den Regalen mit Edelsteinen und einer Unmenge von Punkt-Bildern berühmt wurde – und reich. Einen Teil seines Vermögens steckt er in Immobilien, zuletzt kündigte er an, eine kleine Stadt bauen zu wollen – und ein Museum. Pünktlich zur Kunstmesse Frieze soll es im Oktober eröffnen, gefüllt mit Werken aus seiner 3000 Werke umfassenden „Murderme“-Sammlung: Jeff Koons, Richard Prince, Sarah Lucas, Francis Bacon – was man halt so sammelt. Bauherr ist Hirsts Firma „Science UK Ltd.“, die ein ehemaliges Theater im Newport Street in Vauxhall, London, in ein „art center“ umwandeln lassen. Die erste Ausstellung ist dem 1934 in Sheffield geborenen, abstrakte Maler John Hoyland gewidmet, laut Hirst ein weit unterschätzter Maler – den Hirst auch selbst sammelt. Aber Hirsts Geschäftsmodell liegt nicht nur in der Wertsteigerung seiner Ankäufe. Das Museum ist Beiwerk, hauptsächlich wird hier vermietet: Galerien, Geschäfte, Büroräume und ein Restaurant sind geplant.

Als lukratives Geschäft erscheint Unternehmern auch immer wieder das Modell Kunstmesse. Läuft es so hervorragend wie die Art Basel, dann kommt allein mit den Anmeldegebühren eine stattliche Summe zusammen, denn die wird den Galerien bei Ablehnung nicht zurückgezahlt. Auf der Messe bringt jeder Sessel, jede Lampe, jedes Stück Wand Gewinn, weswegen die Art Basel sich auch zunehmend ausgefallene, aufwendige Standausbauten von den Galerien wünscht. Aber sind Messen wirklich ein so gutes Geschäft? Mit großem Erstaunen las man letzte Woche plötzlich von einer neuen Kunstmesse in Seattle, USA. Die bei weitem bekannteste US-Messe „Armory Show“ dümpelt seit Jahren vor sich hin, der New Yorker Ableger der Londoner Frieze ist ebenfalls weit von einem Erfolgsgeschäft entfernt. Und da soll also in Seattle mit 640.000 Einwohnern eine wichtige Messe entstehen? Der ganze Medienhype wird erst verständlich, wenn der Drahtzieher der Messe genannt wird: Kunstinvestor und Microsoft-Co-Gründer Paul Allen „sponsert“ das Unternehmen. Seattle ist seine Heimatstadt, dort wird er im Oktober auch im Seattle Art Museum seine Sammlung mit vierzig Landschaftsbildern von Claude Monet, van Gogh, Gustav Klimt bis David Hockney und Gerhard Richter zeigen. Offenbar soll hier das Modell Miami wiederholt werden, wo die Kunstmesse Art Basel maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt beitrug – ob das auch im Nordwesten der USA klappen wird? Voller Optimismus ist auch die junge Messe ART021 in Shanghai. Gegründet 2013 von dem PR-Profi Bao Yifeng und der ehemaligen Galeristin Kelly Ying, will die Messe expandieren und hat sich den ehemaligen Wiener Galeristen Thomas Wüstenhagen für „internationale Angelegenheiten“ ins Team geholt. Denn die 2007 gegründete ShContemporary, die noch letztes Jahr als „beste Messe Chinas“ bejubelt wurde, ist gerade wortlos eingegangen.

Instagram-Foto von Kelly Ying

Noch ist China kaum ein Markt für Westkunst. Zwar flutet die Art Basel Hong Kong seit drei Jahren die Medien mit Meldungen von Rekordverkäufen. Zwischen den Zeilen liest sich das aber anders. Artnet zitierte im April Julia Joern von der David Zwirner Gallery: Es habe endlich “geklickt“, sie würden den Geschmack der Region jetzt – nach Jahren der Beteiligung – besser verstehen: “Wir mussten zuhören und lernen, was hier einflussreich ist, was funktioniert.“ Ob sich dieses Problem auch auf der jungen ART021 stellt, wird sich erweisen. Die Wiener Galerie Krinzinger jedenfalls ist überzeugt von der Messe, sie wird heuer erstmals teilnehmen. Und die Finanzierung der Messe ist ähnlich wie in Seattle gesichert: Co-Gründerin Kelly Ying bringt das nötige Geld für das Projekt mit – von ihrem Ehemann David Chau, der laut Yings Angabe in „Immobiliengeschäften, plastischer Chirurgie und anderem“ (NZZ, 12.6.2015) involviert sei.

veröffentlicht in: Die Presse, 16.8.2015