Paul Gauguin / Glyptotek Kopenhagen

09. Mai. 2016 in Ausstellungen

Paul Gauguin, Frauen am Strand, 1891

Paul Gauguin, Frauen am Strand, 1891

Paul Gauguin Werks erreichen auf dem Auktionsmarkt Spitzenpreise, die kleine Zeichnung der Rückenansicht eines Tahiti-Mädchens aus dem Jahr 1901-02 brachte bei Sotheby´s 2011 rund 577.000 Pfund, ein Ölgemälde mit einem Südsee-Mädchen wechselte letztes Jahr laut Medienmeldungen in einem Privatverkauf für geschätzte 300 Millionen Dollar den Besitzer. Paul Gauguin (1848-1903) ist heute einer der bekanntesten Impressionisten.
Zu seinen Lebzeiten war das allerdings anders. Einige seiner Kollegen schätzten den Maler keineswegs, Edgar Degas und Paul Cezanne gewährtem ihm sogar keinen Zutritt zu ihren Ateliers. Den Grund dafür erfährt man jetzt in einer außergewöhnlichen Ausstellung in Kopenhagen: „Gauguin´s Worlds“ in der Calrsberg Glyptothek zeigt anhand von 71 Werken, dass der berühmte Gauguin weniger ein genialer Maler war als ein knallharter Kunststratege, der seine Bildmotive am Markt ausrichtete.

Paul Gauguin, Hyrdepige fra Bretagne Breton Girl 1889 Ny Carlsberg Glyptotek

Paul Gauguin, Hyrdepige fra Bretagne Breton Girl 1889 Ny Carlsberg Glyptotek

Gauguins gelangte über Umwege zur Malerei. Mit siebzehn Jahren trat er als Offiziersanwärter in die Handelsmarine ein, wechselte zur Kriegsmarine und wurde später Börsenmarkler. Damals sammelte er bereits Werke von Delacroix bis Courbet und begann, selbst zu malen. Aus dieser Zeit stammt auch das früheste Werk, das im Besitz der Glyptothek ist und jetzt erstmals überhaupt ausgestellt wird: Eine kleine Brosche aus Metall und Glas, in die Haare eingearbeitet sind. 1879 hatte Gauguin das Stück für seine Frau Mette gebastelt. 1882 verlor Gauguin wegen eines Börsenkrachs seine Stellung und der 34jährige Vater von vier Kindern – das Fünfte war gerade unterwegs – entschied sich ganz für die Malerei. Er hatte damit gerechnet, schnell bekannt und wohlhabend zu werden.
MIN 3545_01 KopieDer Plan ging nicht auf. Warum ihm der Erfolg so lange verwehrt blieb, erklärt die Kuratorin der Glyptothek, Line Clausen-Pedersen: „In der Maltechnik ist Gauguin ein Moderner gewesen, in seinen Motiven nicht.“ Statt seinen Stil auszubilden, habe er immer geschaut, was bei den Kollegen gut läuft. Denn Gauguin war nicht der geniale Maler, sondern eine Art früher Jeff Koons: „Er war sehr berechnend, wollte unbedingt Erfolg haben und Geld verdienen,“ fasst es die Kuratorin zusammen. So probierte er neben der Malerei einen Markt für Graphiken, Holzschnitte und sogar Keramiken aufzubauen. Heute kennt man 60 dieser faszinierenden Grotesken, die als Gefäße mit Henkeln und Ausguss geformt sind. In Motivik und Verarbeitung erinnern die Objekte an Volkskunst, manche zeigen Gesichter, andere sind nahezu abstrakte Formen. Wahrscheinlich waren es insgesamt 200 Keramiken, 15 davon besitzt heute die Glyptothek.
MIN 3552_01 KopieIn „Gauguin´s World“ wird gerade bei diesen Werkgruppen offensichtlich, dass der Maler schon lange vor Tahiti das Ursprüngliche suchte – nicht aus ethnographischem Interesse, sondern als Motive für seine Kunst. So erklären sich auch die frühen Bildmotive der Bretagne-Trachten oder der dänischen Eisläufer.

Paul Gauguin, Eisläufer in Frederiksberg Gardens, 1884. Ny Carlsberg Glyptotek

Paul Gauguin, Eisläufer in Frederiksberg Gardens, 1884. Ny Carlsberg Glyptotek

1891 schiffte er sich dann nach Tahiti ein auf der Suche nach „glücklichen Bewohnern eines unbeachteten Paradieses“, wie er in einem Brief schrieb. Die Realität sah anders aus: Es war eine französische Kolonie mit Wellblechhütten, westlicher Kleidung und viel Armut. In einem Brief an seine Frau Mette schreibt Gaugin, der auf Tahiti mit einer 13-Jährigen zusammenlebte: „Hier ist das Leben sehr teuer, und ich ruiniere meine Gesundheit, da ich nicht esse. Ich spüre, wie ich alt werde, und zwar schnell.“ In seiner Malerei aber erschuf er sich die erträumte exotische, farbenprächtige Welt eines primitiven Lebens – und erfand sich nicht nur die perfekten Sujets, sondern erntete endlich den heiß ersehnten Erfolg. Aber Clausen-Perdersen betont: „Er malte in der Südsee, aber immer mit Paris im Kopf“. Aus einem Briefwechsel weiß man, dass er sich nicht nur Leinwände und Farbpigmente, sondern auch Blumensamen für Sonnenblumen und Lilien schicken ließ. Tahiti war eine Fiktion, und zwar dezidiert für den Pariser Kunstmarkt.
Bald verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, seine Beine waren zerfressen von Ekzemen, eine Folge seiner Syphilis. Gauguin wollte zurück nach Frankreich. Doch damit hätte er seine eigene Legende vom Leben im Paradies zerstören. „Sie sind jetzt dieser seltsame, legendäre Künstler, der aus der Tiefe Ozeaniens seine bestürzenden, unnachahmlichen Werke schickt“, schrieb ihm ein Freund aus Paris. „Sie dürfen nicht wiederkommen.“ Am 8. Mai 1903 starb Gauguin mit knapp 55 Jahren in Atouana auf La Dominique.

Paul Gauguin, Pape moe (Mysterious Water) 1894, Holz, bemalt. Ny Carlsberg Glyptotek

Paul Gauguin, Pape moe (Mysterious Water) 1894, Holz, bemalt. Ny Carlsberg Glyptotek

Damals befand sich noch kein einziges seiner Werke in Dänemark, obwohl seine Frau Mette Gad bereits seit 1884 mit den Kindern in Kopenhagen lebte. Sie war aus Geldnot zu ihrer Familie zurückgekehrt. Aber erst 1914 begann der damalige Direktor Helge Jacobsen für die Glyptothek Werke von Gauguin anzukaufen, schenkte dem Haus später acht weitere aus seinem Privatbesitz. Heute besitzt die Glyptothek 54 Werke des französischen Meisters, und es wird weiter angekauft. Drei der 15 Keramiken wurden unlängst auf dem Auktionsmarkt erwerben. Diese Skulpturen sind weitaus weniger gefragt als die Malerei, erklärt Direktor Flemming Friborg, die Objekte „kosteten zusammen unter 500.000 Euro“, verrät er. Für das Verständnis des Malers allerdings, das beweist diese Ausstellung, sind sie von unschätzbarem Wert.

Gaugzin´s Worls, bis 28.8.2016, Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen