Rückblick 2015

28. Dez. 2015 in Kunstmarkt

Heuer war das Jahr der Rekorde. Mit nur zehn Kunstwerken erzielten die Auktionshäuser Sotheby´s und Christie´s 2015 gut 996 Millionen Dollar. Spitzenreiter der Liste ist Pablo Picassos „Frauen von Algier“ von 1995, versteigert für 179.350 Millionen Dollar. Spektakulär war das Bietergefecht um Amedeo Modiglianis „Liegender Akt“. Als der italienische Maler das Bild 1917 erstmals zeigte, löste die allzu freizügige Darstellung einen Skandal aus. Heute ist es der Inbegriff des Aktbildes in der Moderne.
Sechs Bieter kämpften um das Bild, nach neun Minuten erhielt der Chinese Liu Yigian bei 170.405 Millionen Dollar den Zuschlag. Der ehemalige Taxifahrer ist ein milliardenschwerer Sammler und unterhält in Shanghai zwei Privatmuseen, wo der Akt bald ausgestellt werden soll. Platz 3 belegt Alberto Giacomettis „L´homme au doigt“ von 1947, verkauft an den Hedge Fund-Milliardär Steven Cohen für 141.285 Millionen Dollar.
Schaut man sich die Liste der zehn Rekordpreise an, fällt eine interessante Schnittmenge auf: Alle zehn Werke stammen von weißen, männlichen Künstlern und wurden in New York in einer Abendauktion verkauft. Neun der zehn Lose sind Gemälde, auf sechs Werken sind Frauen dargestellt und alle stammen aus dem 20. Jahrhundert. Sieben der zehn Lose konnte Christie´s anbieten – ist diese Überlegenheit des Konkurrenten der Grund, warum trotz der Rekordpreise die Aktien von Sotheby´s heuer im Sinkflug sind, von 46,93 Dollar im Juni 2015 auf 26,4 am 21.12.2015?
Ein Grund mag sein, dass Höchstpreise nur für berühmte Werke berühmter Künstler erzielt werden. Darunter bleiben viele Lose liegen. Zudem müssen die Auktionshäuser den einliefernden Kunden immer häufiger Garantien geben. Findet sich kein Käufer, zahlt das Auktionshaus.
Trotzdem herrscht Jubelstimmung, und das nicht nur in New York, auch in Wien. Ressler Kunst Auktionen konnten mit 128.500 Euro einen Rekordpreis für ein Schüttbild von Hermann Nitsch aus dem Jahr 1983 erzielen, und für ein Filmstill von Cindy Sherman zahlte ein Bieter aus New York stolze 125.000 Euro.
Im Kinsyk ging eine kleine Statue von Yves Klein von geschätzten 15.000-30.000 Euro auf 166.320 Euro hoch – die es immerhin in einer Auflage von 228 Stück gibt.
2011 hatte ein ähnliches Exemplar bei Christie´s 79.250 Pfund gebracht, offenbar hofft der Bieter auf einen weiteren, rasanten Anstieg.
Auch heimische Malerei war gefragt, Albin Egger-Lienz „Drei Schnitter“ brachte 592.200 Euro, Ferdinand Georg Waldmüllers „Kind mit blauem Seidenvorhang“ 100.800,- Euro.
Im Dorotheum sind es vor allem die italienischen Maler der 1960er Jahre, die immer höhere Preise erzielen, ein Frühwerk von Enrico Castellani ging auf 965.000 Euro hoch und Lucio Fontanas frühe „Frauenbüste“ brachte 588.533 Euro. Aber auch der hauptsächlich in Österreich bekannte Maler Max Weiler konnte mit 393.400 Euro für das vierteilige Werk „Welt des Wachstums“ einen „Weltrekordpreis“ erreichen.
Verglichen mit diesen Summen verlaufen die Ergebnisse der Alte Meister-Auktionen zurückhaltend. Zwar konnte ein Blumenstrauß von Jan Brueghel der Jüngere Im Kinsky weit über Schätzpreis den Weltrekordpreis von 2.6 Mio Euro erreichen. Aber insgesamt stagniert dieser Markt. In London fielen die Umsätze sogar deutlich vor jene des letzten Jahres zurück, die fünf Alte Meister-Auktionen brachten insgesamt etwas über 50 Millionen Pfund. 2014 lag die Gesamtsumme bei 79 Millionen. Der Jahresumsatz lag 2014 bei 210 Millionen, heuer bei 123 Millionen Pfund – ein Rückgang um 41.4 Prozent, rechnet Colin Gleadell im britischen Telegraph vor. Einen Trend macht er in diesem Marktsegment für italienische Devotionalienmalerei auf Goldgrund aus – italienische Kunst sorgt nicht nur bei den Zeitgenossen für Rekorde, die „Heilige Familie“ von Sebastiono Ricci brachte 389.000 Pfund.
Das Interesse an Werken von Pieter Brueghel der Ältere (1525-1569) dagegen scheint im Sinkflug zu sein, asiatische und russische Käufer suchen eher die weitaus preisgünstigeren Werke von Malern aus Brueghels Atelier. Ein Grund für diese Tendenz mag auch darin liegen, dass die Experten sich bei den Zuschreibungen der Werke nicht ganz einig sind wie etwa heuer das Los Nr. 14 im Oktober im Dorotheum zeigte. Im Katalog ist das auf 120.000-180.000 Euro geschätzte Werk aus der Sammlung Mrs. H. Dietel dem Flamen Jan Brueghel dem Jüngeren (1601-1678) zugeschrieben. Vier Monate zuvor allerdings war es als Werk des ebenfalls flämischen, aber weitaus weniger bekannten Meister Philippe de Marlier (1573-1668) bei Sotheby´s in New York für 50.178 Euro versteigert worden. Im Dorotheum brachte es im Oktober 158.959 Euro – eine Verdreifachung dank des Namenswechsels. Eine andere Verunsicherung erzeugen die oft verwirrend vielen Versionen und Variationen teils desselben Bilds, teils einzelner Bildmotive. So ist etwa die Menge von Pieter Brueghels „Vogelfalle“ mehr als verwirrend. Neue Käufer können da die Qualität nur schwer beurteilen.
Und die Kunstmarkttrends für 2017? Die Auktionshäuser rechnen mit einem gewaltigen Zuwachs des online-Handels, immer mehr reine Internetplattformen stürzen sich in diesen Markt, meist ohne jeden Anspruch auf Qualität. Erstaunlicherweise mischen sich auch immer mehr Museen in diese Popularisierung der Kunst: Anfang 2015 ließ das Van Gogh-Museum 260 Exemplare von insgesamt neun Werken des Impressionisten in einem neuen Verfahren anfertigen. Die Werke sind täuschend echt und wurden für 25.000,- Euro verkauft – ob einige dieser 2340 neuen Van Gogh-Bilder bald im Handel landen werden?
Auf neue Technologie setzt auch Tate London: 2014 konnten Besucher in dem Projekt „After Dark“ nachts mit Kameras ausgestattete Roboter durch die menschenleere Säle fernsteuern. Heuer konnten Besucher in der Ausstellung „Sensorium“ vier Werke durch Riechen, Schmecken, Hören und physisch wahrnehmen. Francis Bacons Bild „Figur in einer Landschaft“ etwa war kombiniert mit essbarer Kohle, Salzwasser und Tea – Geschmäcker, die die „dunkle Natur“ des Bildes erfahrbar machen und eine Idee der Kriegszeit vermitteln sollen, in der das Werk entstand. Dazu roch man das Gras und die Erde des Hyde Park und hörte Industriesound – all das sollte „ein tieferes Verständnis“ für Kunstwerke entstehen lassen. Ob da nicht der Weg des Essl Museums in Klosterneuburg zielführender ist? Auf 600 qm werden im März 2016 zwei Bilder und bequeme Sessel aufgebaut, die maximal zwei Besucher eine Stunde (nach Voranmeldung) anschauen können – „Silence“ nennt sich das neue Format zum Verinnerlichen des Kunsterlebnisses.