Ryan Gander im Offenen Kulturhaus Linz

25. Feb. 2015 in Ausstellungen

Vor England läge die ´einsame Insel der Scheißkunst´ und er möge doch erklären, warum seine Kunst dort nicht landen solle. Diese harsche Frage eines Lehrers aus seiner Studienzeit erzählt Ryan Gander in seinem Video „Things that mean things and things that look like they mean things“ (Dinge, die Dinge bedeuten, und Dinge, die aussehen, als würden sie Dinge bedeuten).

Das Video ist im Offenen Kulturhaus (OK) Linz zu sehen, in der ersten umfassenden Einzelausstellung des britischen Shootingstars im deutschsprachigen Raum. Zwar war der 1976 geborene Brite bereits 2006 im MUMOK in Wien zu Gast, allerdings nur in einer kleinen Präsentation als Gewinner des 7. Baloise Prize. Dort lief sein Film, in dem ein Auto stand. Eine Stimme aus dem Off gab Stichworte dazu, aber was und ob überhaupt irgend etwas passierte, wurde nie ausgesprochen.

Seit dieser frühen Arbeit hat Gander eine beispiellose Karriere hingelegt. Er arbeitet in jedem Medium mit jedem Material, von Skulpturen über Malerei, Fotografie bis zu Lampendesign. Die bastelt Gander aus gefundenen Dingen, zwei Küchensiebe ergeben eine Kugel oder ein Kanister wird zum Leuchtkörper.

Der tiefstapelnde Titel dieser Objekte: „A lamp made by the artist for his wife (fourty fourth attempt)“. „Besser produktiv scheitern als unproduktiv erfolgreich sein“ nennt er als sein Motto.

Einer der Höhepunkte war sein Beitrag zur dOCUMENTA 13. Dort präsentierte er in dem großen Eingangsraum einen Windhauch, erzeugt von Mengen von Generatoren, ausgestattet mit einem langen Titel, aber nicht sichtbar und kaum spürbar. Auf der Art Basel 2014 zeigte er eine vielbesprochene Werbekampagne.

Daydreamers Wanted

Unter dem Slogan „Daydreamers wanted“ ist zu lesen: „Sieh, wie deine Vorstellung eine bessere Zukunft schaffen kann“. Kreativität sei der größte Exportartikel Englands, erklärt Gander, aber die Regierung würde keinerlei Subventionen dafür bereitstellen. Darum habe er diese Kampagne so gestalten lassen, als wäre es ein Projekt der britischen Regierung. Zugleich ist es auch biographisch motiviert: Als Kind lag er viel im Krankenhaus und verwandelte damals tagträumend die Umgebung in eine andere Welt.

Ftt, Ft, Ftt…

Die Banner mit dieser Kampagne wehen jetzt vor dem OK, irritieren ob der professionellen Werbesprache und zugleich eine erstaunliche Verdichtung von Ganders ungewöhnlichem Werk. Er sei ein Geschichtenerzähler, kennzeichnet sich Gander selbst im Pressegespräch. Allerdings haben diese Geschichten merkwürdige bis keine Handlungen. Im „Things That Mean…“-Video etwa wird ein Film dokumentiert – der gar nicht existiert. Thema des Filmes sind Kunststudenten, die im Museum Bilder abzeichnen. Zentral ist dabei die Frage, warum die jungen Menschen in der Institution sitzen und nicht an einem Küchentisch, schließlich sei die Vorlage aus einem Katalog gleich gut. Ganders Antwort: Es sei eine „Romantisierung durch Identifizierung“, sie wollen durch den Kontext als Künstler wahrgenommen werden. Imaginiertes Künstlertum, fiktiver Film, reale Dokumentation – eine verkettete Konstruktion, die in jeder Ebene eben das verbildlicht, was der Titel so kompliziert bezeichnet: Es ist alles eine Frage der Vorstellungskraft.

Diese Magie der Imagination durchzieht die gesamte Ausstellung, von den aus Betttüchern und Stühlen gebauten Zelten aus Marmor (I is … “, 2013) bis zur „Uselett Machine with Blowing Curtain“ (2013): Wir betreten eine stockdunkle Kabine, in der ein Kubus mit lauter kleinen Lampen steht – der keinerlei Funktion hat. Einer der stärksten Räume empfängt uns mit einem Paar Plastikaugen, die rollen, blinzeln, sich wieder schließen. Das Kunstwerk nimmt uns in den Blick. Rundherum hängen dicht beisammen 100 runde Glasscheiben mit Farbspuren darauf: Es seien Paletten, auf denen die Farben von Portraits gemischt worden seien, erklärt Gander – die abwesend sind. Aber es gibt zu jedem Portrait eine herrliche, kurze Geschichte zu lesen. Hier müssen wir nicht die Geschichte, sondern die Bilder dazu selbst erzeugen.

Ryan Gander

Gander ging übrigens nie wieder in die Sprechstunde seines Lehrers, die Herausforderung war zu groß. Jetzt kann man für ihn antworten: Vorstellungskraft schafft Welt und diese mächtige Kraft setzt er in intensive Bilder um. Darum wird Ganders Kunst niemals auf dieser Insel der Scheißkunst landen.

Fotos: Otto Saxinger

Ryan Gander, Make Every Show Like It´s Your Last, bis 28. April 2015, Offenes Kulturhaus, OK Platz 1, Linz

veröffentlicht in: Die Presse, 24.2.2015