Starke Italiener – Zeitgenossen-Auktion im Dorotheum November 2014

02. Dez. 2014 in Kunstmarkt

Lucio Fontana, Concetto spaziale, Attese, 1965/66, erzielter Preis € 769.500

Wer lieferte die die mehr als 50 Werke ein, die unter der simplen Bezeichnung „aus einer österreichischen Sammlung“ im Katalog des Dorotheums laufen? Bekannte Künstler wie Markus Prachensky, Joseph Mikl, Oswald Oberhuber, aber auch die erst jüngst wiederentdeckte Martha Jungwirth kamen da am Donnerstag in der Nachmittagsauktion unter den Hammer. Nach einigem Rätseln setzte sich bald ein Name durch: Das Konvolut stammt aus der Kika-Leiner-Sammlung.

Robert Indiana, NUMBERS ONE through ZERO, 1978 – 2003, Aluminium, 45,7 x 45,7 x 25,4 cm erzielter Preis € 969.419

Der neue Eigentümer Steinhoff scheint damit auf den Umsatzrückgang der Möbelkette zu reagieren oder hat schlicht keinerlei Freude an österreichischer Kunst. Im Auktinssaal dagegen war das Interesse groß: Zwar fand sich kein Gebot für Herbert Brandls in Kooperation mit Blihal gemaltes Diptychon (40-50.000,-), aber schon das zweite Los ging über Schätzpreis hinaus: Siegfried Anzingers „Grüne Weste“, zugeschlagen bei 35.000,-. Im Saal bot Alfred Weidinger für das Belvedere mit und erhielt Hubert Schmalix „Roter Boden“ für 17.000,-, Oswald Oberhubers „Zahnbild“ für 19.000,- und Kurt Kocherscheidts „Im Raum drinnen II“ für 15.000,- Euro. Bei dem gelben Kocherscheidt wurde er überboten, ebenso bei Martha Jungwirth, deren abstrakte Komposition von 1986 über Schätzpreis bei 32.000,- an einen Telefonbieter ging.  Schade, dass eine große Sammlung jetzt zerrissen ist.

Dem Auktionshaus aber hat es nicht geschadet. Zusammen mit den übrigen Losen, die vor allem in der Abendauktion am Mittwoch oft weitaus hochpreisiger angesetzt waren, sind die zwei Termine zur erfolgreichsten Veranstaltung dieser Sparte in der Geschichte des Hauses aufgestiegen. Nahezu alle der rund 100 internationalen wie österreichischen Kunstwerke wurden verkauft. Spitzenwerk ist Robert Indianas skulpturale Serie der zehn Zahlen, das 969.419,- Euro erzielte. Sein Öl auf Leinwand-Werk mit der Aufschrift „Choice Chop 39 c“ ging mit 222.600,- Euro auf mehr als den doppelten Schätzpreis hoch – mehr und mehr US-amerikanische Käufer entdecken das Wiener Dorotheum. Immerhin 38% des globalen Kunstmarktes liegt dort.

Martin Kippenberger,oT, 1989, erzielter Preis € 873.000

Wesentlich dazu beigetragen hat auch Los Nr. 709: Martin Kippenberger. „Witz, Effekt, Gefühl, Bild, Anschauung“ steht quer über das in einem Rot-Ton gehaltene Bild geschrieben – Worte, die das Erfolgsrezept des deutschen Malers, der 1997 in Wien starb, verraten? Als ´Witz´ versteckte er in dem G von ´Gefühl´ einen weißen, an das Kreuz genagelten Frosch – ein kleines Bildelement, dass den Preis noch einmal enorm hochtrieb. Denn „Fred the frog“-Bilder sind sehr gefragt. Und so begann ein heftiges Bietergefecht: Geschätzt auf 280-350.000,- Euro, fiel der Hammer nach zwanzig Geboten bei 873.000,- Euro inklusiv Käufergebühr und Mehrwertsteuer. Sigmar Polke wurde nach fünf Geboten für 588.533,- zugeschlagen, zum unteren Schätzpreis – vielleicht, weil die von Violett dominierte Komposition auf Karton gemalt ist, also auf einem konservatorisch heiklen Bilduntergrund? Oder gelten hier Farbvorlieben?

Sigmar Polke (1942-2010) Ohne Titel, 1986, Acryl, Gouache auf Karton, 199 x 135,5 cm erzielter Preis € 588.533

Brett Gorvy, Vorstandschef von Christie´s, erstellte jüngst eine Liste der lukrativsten Farben auf Auktionen: Rot erzielt die höchsten Preise, gefolgt von weiß, blau, gelb, grün und am Ende der Skala liegt schwarz. Violett kommt darin gar nicht vor.

Paolo Scheggi (1940-1971), Zone riflesse, 1964, Acryl auf übereinandergelegten Leinwänden, erzielter Preis € 454.400

Rot war auch in anderen Werken eine Erfolgsfarbe: Paolo Scheggis durchlöcherte, knallrote „Zone riflesse“ ging vom Schätzpreis 200-300.000,- auf stolze 454.400,- Euro hoch. Er folgt mit dieser Methode, die Oberfläche nicht zu bemalen, sondern mit Schlitzen und Löchern zu bearbeiten, seinem Idol Lucio Fontana.

Dessen knallgelbes Werk erzielte allerdings nur 630.000,- exklusiv Aufpreise, immerhin 20.000,- unter dem oberen Schätzpreis – lag es am Gelb? Sein sehr expressiv durchgeformter Jesus am Kreuz aus Keramik dagegen wurde bei 234.800,- Euro zum mehr als Vierfachen des oberen Schätzpreises zugeschlagen. Die Farbe: weiß.

Italienische Kunst, das bewies diese Auktion zeitgenössischer Kunst einmal mehr, ist der Verkaufsschlager des Dorotheums. Wann immer Lose italienischer Kunst der 1960er Jahre aufgerufen wurden, begann ein hektisches Treiben in der Telefonecke, in der bis zu vierzig in einheitlichem Schwarz gekleidete Mitarbeiter und vor allem Mitarbeiterinnen dicht bedrängt standen. Ohne diese Möglichkeit, aus der Ferne mitzubieten und dabei zugleich noch anonym bleiben zu können, ist heute keine Auktion mehr möglich. Sotheby´s und Christie´s lassen dafür nur wenige Ausgewählte zu, das Dorotheum dagegen „betreut alle Kunden, solange es uns möglich ist. Mittlerweile sind wir aber am Limit angekommen, mehr Telefone gehen nicht mehr“, erklärt Martin Böhm, der auch selbst im Einsatz war.

Bei diesen Erfolgspreisen ist es wohl auch zu verkraften, dass Marc Quinns allzu harmlos-dekoratives Blumenbild und Jonas Burgerts in einer akademisch-rückwärtsgewandten, klischeefreudigen Bildsprache gemaltes Triptychon „Zyklus Potsdam“ keine Käufer fanden, jeweils geschätzt auf 90-120.000,- Euro. Offensichtlich ist der Auktionsmarkt doch nicht nur von Art-Rankings und auf schnellen Weiterverkauf zielenden Interessen dominiert, sondern sucht Qualität. Dafür sprechen die Ergebnisse von Maria Lassnigs Werken. Die 1919 geborene und heuer im März verstorbene österreichische Künstlerin kann man als eine der wichtigsten, europäischen Malerinnen des 20. Jahrhunderts einstufen. Zu ihrer Malerei sagte sie einmal: „Ich konzipiere nicht willentlich ein Bild, ich weiß vorher nie, was aufs Bild kommen soll. Die Absicht wäre der Gitterzaun, der verhindern würde, die ganze Tiefe, die Abgründe, die aufgehäuften Erkenntnisse, Wünsche und Verzweiflungen hereinzulassen.“ Am Mittwoch hatte das Auktionshaus im Kinsky für ihr Bild „Brettl vor dem Kopf“ (1967) mit 461.220,- Euro einen neuen Höchstpreis gemeldet, wenige Stunden später brach dieser Rekord in der Abendauktion des Dorotheum: Los für Los überstieg weit den oberen Schätzpreis und gipfelte in der Summe von 491.000,- für ihren „Wald“ von 1985: Eine Figur im Vordergrund trägt ein Stück Wald – sehr grün und doch ein Rekord!

Maria Lassnig,Der Wald, 1985, erzielter Preis € 491.000 – ebenfalls aus der Kika-Leiner-Sammlung

veröffentlicht: Die Presse, 30.11.2014