TBA21 – Wo will Francesca Habsburg mit ihrer Sammlung hin?

14. Dez. 2015 in Kunstmarkt

Francesca Habsburg // c Greg Gorman, USA 2012

Francesca Habsburg // c Greg Gorman, USA 2012

Zürich? Oder Venedig? Vielleicht auch Jamaika? Alle diese Orte bringt Francesca Habsburg ins Gespräch, wenn es um die Zukunft ihrer Kunstsammlung geht. Am wenigsten kann sie sich den Standort Wien vorstellen. Soll die Sammlung Wien denn wirklich verlassen?

TBA21 im Augarten // c Jakob Polacsek

TBA21 im Augarten // c Jakob Polacsek

So sicher ist das noch nicht. Eines aber weiß Habsburg bestimmt: Sie sucht neue Wege und ein privates Sammlermuseum gehört definitiv nicht dazu.
Der Grund ist dafür weder Geldmangel noch Desinteresse. Im Gegenteil: Habsburgs Kunstengagement expandiert gerade enorm, und es führt sie geradewegs aus der Welt der Galerien, Kunstmessen und Kunstinstitutionen heraus und stattdessen in die Tiefen des Pazifiks. Also eine schwimmende Ausstellung? Nein: Expeditionen! Tauchgänge.

Francesca Habsburg diving a B-17 World War II bomber called Black Jack in 47 meters of depth at Boga Boga Milne Bay, Papua New Guinea, October 2015. c Craig de Wit. Copyright TBA21

Francesca Habsburg diving a B-17 World War II bomber called Black Jack in 47 meters of depth at Boga Boga Milne Bay, Papua New Guinea, October 2015. c Craig de Wit. Copyright TBA21

Aber gehen wir kurz zurück: Als älteste Tochter von Hans-Heinrich Thyssen-Bornemisza geboren, begann Habsburg vor gut zehn Jahren als Kunstsammlerin. Das Kaufen allein war ihr bald zu wenig, sie gründete die TBA21-Stiftung und eröffnete 2004 in Wien in dem historischen Palais in der Himmelpfortgasse ihren ersten Ausstellungsraum. Bald spezialisierte sie sich auf die Finanzierung großer Produktionen wie Kutlug Atamans Filmprojekt „Küba“: Der türkische Künstler hatte vierzig Bewohner eines Slums in Istanbul zu ihrer sozialen Situation befragt, reiste 2006 mit dieser aus 40 Monitoren bestehenden Installation auf einem Frachtschiff die Donau vom Schwarzen Meer bis nach Wien und lud unterwegs sieben Künstler aus der Region zu Kooperationen ein. Abschließend waren sämtliche Werke in Wien zu sehen und gehören heute zur Sammlung.

Aatelier Augarten // c Jakob Polacsek

Aatelier Augarten // c Jakob Polacsek

2012 wechselte TBA21 in das ehemalige Ambrosi-Atelier im Augarten. Für diese schwierigen Räume mit der großen Fensterfront beauftragt sie seither zweimal im Jahr Künstler, eigens Installationen zu entwerfen wie im letzten Jahr das aufwendige Bett in Carsten Höllers Schau „Leben“: Man konnte sich eine Nacht einmieten und erleben, wie die Träume durch psychoaktive Zahnpasta und ein rotierendes Bett beeinflusst werden. carsten-hoeller-leben-9773-905x603Oder Ragnar Kjartanssons Darsteller-intensive, 9-Kanal-Videoinstallation „The Visitor“. Alle diese Produktionen sind Teil der TBA21 Sammlung, die mehr als 700 Werke umfasst und rund 60 Projekte beauftragte. Diese zu lagern, zu verleihen und immer wieder temporär aufzubauen, sei fast so kostspielig wie die Produktionskosten, erklärt Habsburg im Gespräch. Aber das ist nicht der Grund für den Wunsch nach einem permanenten Quartier für ihre Sammlung. Sie will, dass die Werke der Öffentlichkeit zugänglich sind, wirken können, zumal sie sich nicht als Besitzerin, sondern als „Wächterin der Sammlung“ sieht.
Vor allem aber sieht sie ihre Zukunft nicht im Kaufen und Bewahren von Kunst. Ihr neues Stichwort ist „Wissens-Austausch“. Und ihre Pläne dazu sind gewaltig: In Kroatien lässt sie ein Kloster aus dem 16. Jahrhundert zu einem Forschungs- und Tagungsort ausbauen. In Venedig wurde ihr gerade ein zehnjähriger, mietfreier Vertrag für den historischen San Lorenzo-Palast nahe des San Marco Platzes angeboten, einen „Pavillon der Meere“ kann sie sich hier vorstellen. Und der Pazifik? Dorthin führen ihre Expeditionen, die den Ozean und die küstennahen Lebensräume erforschen.

The Dardanella anchored at Dinah's beach at the village of Laudi, Milne Bay Province, Papua New Guinea, October 2015. Foto: Craig de Wit. c TBA21

The Dardanella anchored at Dinah’s beach at the village of Laudi, Milne Bay Province, Papua New Guinea, October 2015. Foto: Craig de Wit. c TBA21

Dafür hat Habsburg auf zehn Jahre ein Forschungsschiff angemietet, das bis zu vier Monate auf hoher See bleiben kann. Heuer waren sie bereits unterwegs nach Papua-Neuguinea, Tuamotu und zu den Marquesas-Inseln. Die nächste Fahrt führt zu den Fiji Inseln. „Wir laden verschiedene Kuratoren ein, uns Vorschläge zu machen, und wählen drei aus, die wir Expeditionsleiter nennen.“

Expedition leader Cesar Garcia and the participants of the second expediton to Papua New Guinea, October 2015. Copyright TBA21. From left to right: Participant Tuan Andrew Nguyen ( The Propeller Group), TBA21 documentary film team : Barney Broomfield, Participant Matt Lucero ( The Propeller Group), Participant Phunam ( The Propeller Group), Participant Christopher Myers, TBA21 The Current Director Markus Reymann, Expedition Leader Cesar Garcia, Participant Jamie Shi, TBA21 documentary film team: Lauren Matic. Papua New Guinea, October 2015. Copyright TBA21

Expedition leader Cesar Garcia and the participants of the second expediton to Papua New Guinea, October 2015. Copyright TBA21. From left to right: Participant Tuan Andrew Nguyen ( The Propeller Group), TBA21 documentary film team : Barney Broomfield, Participant Matt Lucero ( The Propeller Group), Participant Phunam ( The Propeller Group), Participant Christopher Myers, TBA21 The Current Director Markus Reymann, Expedition Leader Cesar Garcia, Participant Jamie Shi, TBA21 documentary film team: Lauren Matic. Papua New Guinea, October 2015. Copyright TBA21

An Bord sind Wissenschaftler, Meeresbiologen und Künstler: „In unserer Gesellschaft gilt das Motto ´ich zuerst´. Das möchte ich ändern: Wer auf unseren Schiffsexpeditionen mitfahren möchte, muss mit dem Tausch von Wissen und dem Teilen von Erfolgen einverstanden sein.“ Alles entstehende Material soll anschließend öffentlich sein. Habsburg will über das Vernetzen von Wissen und künstlerischen Ansätzen die Aufmerksamkeit auf den Klimawandel und dessen Folgen für die Meere lenken: „Es geht auch darum, die Menschen aus ihrer Komfortzone herauszuholen.“ Warum die Zusammenarbeit mit Künstlern? „Künstler können uns anders mit der Wirklichkeit verbinden und zu Veränderungen motivieren, denn Künstlern vertraut man – sie haben keine Hintergedanken.“

Artists Newell Harry and Armin Linke and Expedition Leader Ute Meta Bauer in Boga Boga Elementary School, Boga Boga, Cape Vogel, Papua New Guinea, October 2015. Photograph: Jegan Vincent de Paul. Copyright TBA21

Artists Newell Harry and Armin Linke and Expedition Leader Ute Meta Bauer in Boga Boga Elementary School, Boga Boga, Cape Vogel, Papua New Guinea, October 2015. Photograph: Jegan Vincent de Paul. Copyright TBA21

„The Current“ nennt sie dieses Projekt, das nicht in das Konzept eines herkömmlichen Museums passt. Darüber enträtseln sich auch die ins Gespräch gebrachten Orte für die Sammlung: In Zürich spricht sie bereits mit Kunststudenten und angehenden Kuratoren an der Universität über ihre interdisziplinären Ideen, um die gesammelten Erkenntnisse zurück in den Kunstdiskurs zu bringen – und jenen einen Weg vorzuschlagen, die nicht in den herkömmlichen Kunstmarkt passen wollen. Und Jamaika? Dort lernte sie als Teenager tauchen und beobachtet seither kontinuierlich die Veränderungen im und um das Meer. Dort könnten in einem alten Bahnhofsgelände Teile der Sammlung hinkommen, erwägt Habsburg.

wikipedai // Hans-Peter Schaefer

wikipedai // Hans-Peter Schaefer

Und Wien? Hier denkt sie über eine Partnerschaft mit einer bestehenden Institution nach, genau genommen mit dem Belvedere. Direktorin Agnes Husslein-Arco ist durchaus offen dafür: „Natürlich wäre ich sehr daran interessiert, wenn aus den bisherigen Projektkooperationen zwischen Francesca Habsburg bzw. ihrer TBA21 und dem Belvedere langfristig eine intensive Partnerschaft entstehen würde. Konkrete Details gilt es dann im Detail zu besprechen.“ Also doch Wien? Ja, denn auch hier hat Habsburg eine Mission: „Dank Wien konnte TBA21 eine glaubwürdige Reputation ausbilden“ und kaum ein Künstler aus ihrer Sammlung sei bisher in einem der Wiener Museen vertreten, deswegen sei es eine perfekte Ergänzung. „Wien ist sehr auf sich selbst fokussiert, man lebt hier wie in einer Blase. Wenn die Sammlung hier bleiben sollte, würde ich damit die Menschen anspornen wollen, über die Grenzen hinaus zu denken.“ 2017 läuft TBA21s Vertrag für den Ausstellungsraum im Augarten aus, bis dahin will sie eine Lösung gefunden haben.
veröffentlicht in: Die Presse, 13.12.2015