Triennale Linz 2010

09. Jun. 2010 in Biennalen

 Triennale Linz 1.0 – Nachhaltige Leistungsschau

 Seit Jahren bemüht sich Linz, sein Image aufzupolieren und sich vom staubigen Stahlort zur Kulturstadt zu wandeln. Letztes Jahr noch war das Zentrum Oberösterreichs neben Vilnius europäische Kulturhauptstadt. Dieses Jahr gilt die touristische und mediale Aufmerksamkeit schon wieder anderen Orten. Doch Linz lässt nicht locker und hat nun eine Triennale für junge österreichische Kunst ins Leben gerufen.

Der Zeitpunkt, so könnte man meinen, ist nicht besonders glücklich gewählt. Denn die Konkurrenz für Ausstellungen mit nationalem Schwerpunkt ist heuer so groß wie nie. So ging in der Kunsthalle Wien beispielsweise gerade die Schau „Lebt und arbeitet in Wien“ zu Ende. Dennoch gelingt den Organisatoren in Linz das Kunststück, sich von vergleichbaren Ausstellungsprojekten, besonders in Österreich, abzusetzen.

 Die Triennale Linz 1.0 unterscheidet sich von Wien schon dadurch, dass die Linzer Schau auf drei parallele, eigenständige Ausstellungen in drei unterschiedlichen Häusern aufgeteilt ist. Zusammengestellt wurden die Präsentationen von unterschiedlichen Teams, wodurch die Triennale auch zu einem Versuchslabor in Sachen kuratorischer Handschrift wird. Zumal hier, anders als in der Wiener Lokalschau, nicht kurzfristig eingeflogene Gastkuratoren aus fernen Landen die Arbeit übernahmen, sondern die Institutionsleiter gemeinsam mit ihren Teams.

Ausgewählt wurden nach gründlicher Recherche nicht weniger als 118 Künstler, von denen Ursula Hübner am prominentesten platziert wurde: Auf dem historischen Hauptplatz von Linz, in demonstrativer Nähe zur barocken Dreifaltigkeitssäule hat sie drei Hochseecontainer zu einem „Triumphbogen“ aufgestapelt. Unten fahren Straßenbahnen und Autos hindurch, oben darauf steht eine kleine Figurengruppe. Manche Stadtpolitiker sprachen bei diesem Zusammentreffen der unterschiedlichen Epochen und ihrer Signets sofort populistisch von einer Schande. Tatsächlich aber funktioniert die Gleichzeitigkeit dieser Wahrzeichen hervorragend. Zudem befinden sich die drei Veranstaltungsorte der Triennale in Fußnähe und werden so sichtbar und sinnbildlich an das städtische Leben angebunden – und umgekehrt.

Das OK Offenes Kulturhaus Oberösterreich widmet sich der erlebten und inszenierten Wirklichkeit. „Skurreale Brechungen“, also zugleich skurrile und reale Weltbilder sind das Thema in der Landesgalerie, und „Gewagte Skulpturen“ lautet das Motto im Lentos – drei recht vage Überschriften, die zwar eine große formale und inhaltliche Bandbreite zulassen, jedoch keine neue Tendenzen behaupten oder einen innovativen Blick auf die Kunst versprechen. Die Landesgalerie Linz bietet dabei mit ihrem Schwerpunkt auf Fotografie das schwächste Bild. Hier herrschen enorme Niveauunterschiede, etwa zwischen Caroline Heiders faszinierenden Falt-Fotografien, die zugleich deformieren und intensivieren, Markus Krottendorfers fotografisch präzisen Zusammenfassungen komplexer Weltbilder und den erschreckend banalen Selbstportraits von Sabine Jelinek mit blutender Nase. Viel zu viele Künstler kreisen hier um sich selbst und ihren Mikrokosmos. Im OK dagegen dominieren raumgreifende Installationen und Videos, wie die humorvoll-absurden Filme von Paul Horn und Harald Hund, in denen Möbel von der Decke fallen, Mäuse eine aus Lebensmitteln gebastelte Wohnung auffressen und ein Leben unter Wasser mit Frühstück und Disco-Besuch inszeniert ist. Ein Highlight ist die minimalistische Handschrift von Eva Grubinger, die aus einer Panzersperre ein ästhetisches Objekt machen kann und Tribünen so fotografiert, dass sie Gefängnisse suggerieren.

 Die Triennale will die ganze Stadt einladen, an der Ausstellung teilzunehmen, bietet Zeichen im Außenraum und lässt Kunst in ungewohnten Zusammenhängen erleben. So zieht das Lentos Kunstmuseum Linz schon von Weitem die Aufmerksamkeit auf sich, denn unter dem Dach zwischen Museum und Restaurant ist ein Heißluftballon eingeklemmt. Leider weht der Ballon eher schlapp hin und her – die Idee ist stärker als ihre bildhafte Umsetzung. Innen aber demonstriert das Lentos, zu welcher Qualität und Komplexität Skulptur heute in der Lage ist: Misha Stroj zeigt eine zugleich bedrohliche und verführerische weiße Kugel, die aus Beinen mit Eislaufschuhen besteht und wie ein unendlicher Sturz erscheint, eine Anspielung auf den tatsächlichen Sturz eines berühmten Eisschnellläufers. Davor behaupten Manfred Erjautz´ Figuren ein ganz anderes, hyperästhetisches, hybrides Menschenbild, zugleich Superheld, Modell und Sportler – oder maskierte Bösewichte? Hans Schabus´ liegende Wendeltreppe verwirrt das Orientierungsvermögen, und Sissa Michelis baut aus harmlosen Schreibtischlampen ein unheimliches Setting, wenn in seiner Mitte ein kurzes, krimi-ähnliches Video läuft: Sofort werden die Lampen zu Versatzstücken von Verhörszenarien. Die Werke im Lentos überzeugen, denn sie erzählen von Umdeutungen, präsentieren und erzeugen ein Gefühl der Desorientierung.

Die Triennale bietet wohl deshalb einen so gelungenen Überblick junger Kunst, weil sie auch einige ältere Positionen mit einbezieht. Damit wird der Eindruck eines Nachwuchsförderprogramms geschickt vermieden. Hier präsentiert sich die erwachsene Szene eines Landes – in aller Vielfalt, ohne kuratorische Ordnungswut oder den Drang zur Vereinheitlichung. Wenn es überhaupt so etwas wie ein künstlerisches Leitthema gibt, dann das der Umdeutung, womit die Kuratoren subtil auf die ökonomischen und kulturellen Veränderungen der Stadt anspielen. Ihre Triennale jedenfalls hat das Potenzial, hierzu einen Beitrag zu leisten.

Triennale Linz 1.0 – OK Offenes Kulturhaus Oberösterreich, Lentos Kunstmuseum Linz, Landesgalerie Linz. Vom 3. Juni bis 26. September 2010

Veröffentlicht in: www.artnet.de, 9. Juni 2010

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