32. ARCO Madrid 2013

18. Feb. 2013 in Kunstmesse

32. ARCO

Jeder Versuch, eine Information zu erhalten, scheitert. Ich werde ignoriert. Stattdessen schauen die drei Stand-Mitarbeiter gelangweilt in der Halle herum, knabbern auf ihren Fingernägeln oder plaudern verschwörerisch miteinander. Wer ist hier der Galerist?

Niemand antwortet – wie auch. Ansgar Lund ist eine fiktive Galerie. Und die drei Mitarbeiter sind Schauspieler, engagiert von Sander Breure & Witte van Hulzen. Die beiden Dänen filmten für ihre Performance auf Kunstmessen und entwarfen dann die Choreographie. Nur wenn zwischendurch einer der Schauspieler die Bewegungen der Standbesucher imitiert, wird die Situation deutlich – oder wenn jemand versucht, eines der beiden Bilder zu kaufen und partout keine Antwort erhält. Denn es sind nur leere Bildflächen, aber das hält hier trotzdem nicht von Kaufinteresse ab. Denn die Stimmung auf dieser 32. Ausgabe der ARCO ist so kauffreudig wie schon lange nicht mehr.

450.000,- habe sich die Messe das Marketing heuer kosten lassen, heißt es. 150 KuratorInnen wurden eingeladen und Mengen von neugierigen Sammlergruppen mit Kopfhörern füllen die Stände. Und es funktioniert: Eine Skulptur von Jaume Plensa für 240.000,-, ein Bild von Albert Oehlen von 340.000,-, Werke von Jonathan Meese, Alfredo Jaar oder auch von jungen, türkischen Künstlerinnen wechseln schon während der Voreröffnung die Besitzer. Gastland ist heuer die Türkei und auch wenn einige der zehn Galerien in ihren bedauerlich kleinen Ständen vor allem viele kleine Werke präsentieren, erhält diese noch junge Kunstszene eine erstaunliche Aufmerksamkeit. Das mag auch an den Preisen liegen: Tuschezeichnungen von Inci Eviner kosten ab 1.200,- Euro, Günes Terkols Stoff-Collagen ab 700,-. Immer wieder schauen sich Besucher Kataloge an, fragen nach Informationen und notieren sich die Namen.

Lange galt die ARCO als Messe, auf der vornehmlich spanische Sammler spanische Kunst kauften. Laut Claire McAndrews Analyse ist Spanien alles andere als ein Hochpreis-Markt, 2011 gingen 90 % der Auktionslose für weniger als 50.000,- weg, die teuren Werke spanischer Künstler werden fast ausnahmslos im Ausland verkauft – möglicherweise aufgrund des Mangels an international ausgerichteten Auktionshäusern. Zudem sind die zeitgenössischen Künstler Spaniens kaum über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Fragt man auf der ARCO nach den teuersten spanischen Künstlern, werden Antonio Lopez, Juan Munoz, allen vorab aber der außerhalb kaum bekannte Miquel Barcelo genannt, dessen 81×100 cm großes Bild auf der Messe 350.000,- Euro kostete und bald reserviert war.

Aber die spanischen scheinen immer mehr Interesse am globalen Kunstmarkt zu entwickeln, was heuer die lateinamerikanischen Galerien, vor allem aber auch die jungen Neulinge in der Opening Sektion spüren. Wenige Stände neben der fiktiven Galerie zeigt Running Horse aus Beirut die vielbeachteten, erschreckenden Fotografien von Emeric Lhuisset. Der Künstler lebte ein Jahr lang mit Kämpfern der Iranisch-Kurdischen Guerilla zusammen und inszenierte mit ihnen von kunsthistorischen Bildern inspirierte Kriegs-Szenen.

Überhaupt ist das Thema Gewalt und Bedrohung in vielen Werken auf der Messe präsent, spukhaft wie die lange Reihe zerstörter Fotokopierer von Susy Gomez, die irgendein Erdbeben erlebt zu haben scheinen, irritierend die Fotografien von Kindersoldaten, die Richard Mosse in einer surreal-rosafarbenen Umgebung überästhetisiert und am überzeugendsten in der Mailänder Galerie Prometeogallery Di Ida Pisani, die den ganzen Stand diesem Thema widmet. Da ordnet Santiago Sierra das Futter für Schweine in Form der Landkarte Italiens, Spaniens und Griechenlands an – und die Schweine fressen, wühlen und suhlen sich darin, bis alles zerstört ist. Das Video ist eine unverhohlene Kritik am kapitalistischen Wahnsinn und eines der wenigen Werke hier auf der Messe, das die Wirtschaftsprobleme dieser Länder thematisiert.

Gerade auf der ARCO wird mit solchen Werken ein großer Kontrast deutlich zwischen abstrakt-geometrischen Versuchen, mit künstlerischen Mitteln eine Ordnung herzustellen, und den konzeptuellen Wegen, den Ist-Zustand unserer Gesellschaften zu verarbeiten. Und dazwischen erinnert uns die fiktive Galerie des dänischen Duos daran, wie notwendig die Rolle der Galerien darin als Vermittler sind.

veröffentlicht in: Die Presse, 17.2.2013