5. Chart Art Fair + 2. Code Art Fair, Kopenhagen

04. Sep. 2017 in Kunstmarkt, Kunstmesse

Anna Reivila, Bond, 2016. From the series Bond Pigment print. Courtesy Gallery Taik Persons

Anna Reivila, Bond, 2016. From the series Bond Pigment print. Courtesy Gallery Taik Persons

Das Problem von Kunstmessen ist nicht das Prinzip des Handels. Händler tragen seit Jahrtausenden ihre Ware durch die Welt. Das Problem sind die dabei anfallenden Kosten. Mittlerweile hängen sich derartig viele Unternehmen an diesen Wirtschaftszweig, dass die Kunst das schlicht nicht mehr leisten kann. Nur ein Bruchteil der Werke kann so hohe Umsätze erzeugen, dass all die Transporteure, Versicherungen, Schreiner und vor allem Messefirmen daran verdienen können – zumal diese Kosten laufend steigen. Jeder Meter, Stuhl, jede Lampe auf einer Messe kosten extra Gebühren. Das können die Galerien kaum mehr erwirtschaften und die Freude am Kunsthandel geht zunehmend verloren.2017-09-02-13-58-52-kopie
In Kopenhagen praktiziert eine kleine Messe seit 5 Jahren ein anderes Modell, das diesem Kreislauf entkommen ist: die CHART Art Fair. Gegründet von 5 Galeristen dient diese Messe ausschließlich dem eigentlichen Zweck, nämlich Kunst zu zeigen, darüber zu reden, zu verkaufen und auch, um „einen Treffpunkt zu etablieren“, wie es Messedirektor Simon Friese betont.

Simon Friese, Direktor Chart Art Fair, Kopenhagen

Simon Friese, Direktor Chart Art Fair, Kopenhagen

„Wir veranstalten die Messe nicht, um Gewinn zu machen.“ Jeder Profit wird reinvestiert. Das Grundprinzip der Messe basiert auf dem „nordischen Stil“, wie es Friese nennt: auf Zusammenarbeit. Unter dem Motto „Das Beste aus dem Norden“ (Friese) können die Galerien nur auf Einladung teilnehmen, müssen aus den nordischen Ländern kommen oder nordische Kunst vertreten, dürfen während der Messe keine eigenen Veranstaltungen – auf keine Dinnerparties – abhalten und müssen bereit sein, auf engstem Raum zusammen auszustellen. Denn die Messe logiert in den Räumen der historischen Kunsthalle Charlottenborg. Friese nennt es „ideale Räume für eine Messe“: Tageslicht, perfekte Raumhöhe und professionelle Beleuchtung. Für die Messe müsse nur eine einzige Wand eingezogen werden. Das ist denn auch der zweite Punkt, dass die Kosten für die Messe gering bleiben können. Je nach Stand kostet die Teilnahme 5.300 bis 8.000 Euro.
chart4-kopieAber führt eine Messearchitektur ohne Trennwände nicht zu unliebsamen Konkurrenzsituationen unter den Galeristen? Anfangs hätten sich die Galerien gesorgt, dass sie ihre besten Käufer mit den Kollegen teilen, erzählt Friese. Schnell aber merkten sie, wie gut der ´nordische Stil´ als Messekonzept funktioniert, denn der Austausch geschieht in beide Richtungen. Heuer nehmen 33 Galerien teil. Das Niveau der Chart Art Fair ist hoch und funktioniert zugleich als Ausstellungsparcour und Messe.

Anna Reivila vor ihrer Serie Bond, 2017. Gallery Taik Persons // SBV

Anna Reivila vor ihrer Serie Bond, 2017. Gallery Taik Persons // SBV

Das beginnt bereits mit den beeindruckenden Fotografien der jungen, finnischen Künstlerin Anna Reivila (Galerie Taik Persons), die auf stundenlangen Wanderungen Bäume, Steine oder Eisbrocken sucht, mit Stricken fesselt und fotografiert. Das erinnert durch die Bondage-Technik an Araki, ist eng mit Land Art verbunden und steht zugleich in der Helsinki School-Tradition – eine Künstlerin, die man sich merken muss.

Chart Art Fair 2017 // SBV

Chart Art Fair 2017, (v.l.n.r.) Miriam Bäckström (Wandteppich), Lea Porsager, Franz West, Daido Moriyama // SBV

Immer wieder gibt es auch überzeugende Kombinationen, wenn etwa die vier massiven Stahlplatten von Lea Porsager (Galerie Nils Staerk) mit den pfeifenähnlichen Formen darauf auf die stillen Momentaufnahmen des urbanen Lebens der japanischen Fotografien Daido Moriyama (Galerie Peter Lund) treffen – zwei Ausschnitte der Alltagswirklichkeit, die konträrer kaum sein können. Oder wenn Hans Hamid Rasmussen auf Vesa-Pekka Rannikko trifft: Der in Algerien geborene Rasmussen fügt in seine Straßenfotografien Stoffe ein, was an klaffende Wunden erinnern (Galerie Martin Asbaek). Rannikko dagegen präsentiert abstrakte, farbintensiv-fröhliche Skulpturen auf podestähnlichen Tischen (Galerie Anhava).

5 Architekturentwürfe zum Thema "Lebendige Stadt", die als Restaurants und Bar fungieren // SBV

5 Architekturentwürfe zum Thema „Lebendige Stadt“, die als Restaurants und Bar fungieren // SBV

Die Idee der Zusammenarbeit geht aber noch weit über das Standkonzept der Chart Art Fair hinaus: Mit dem Königlichen Ballett wurden Künstler-Choreographie-Kooperationen erarbeitet, in der Kunstakademie eine Ausstellung junger nordischer Künstler präsentiert, mit Stiftungen Architekten zu neuartigen Raummodellen finanziert, die im Innenhof der Kunsthalle stehen; ein Designpfad ist durch die Stadt gelegt und mit der Stadt Basel eine Gruppenausstellung im CC kuratiert – die nichts mit MCH oder der Art Basel zu tun hat, versichert Friese. Bis hierher reichen die Arme des Schweizer Messeunternehmens (noch) nicht. Aber wer weiß, vielleicht ist ja die parallel stattfindende, am gleichen Tag eröffnende Code Art Fair ein Kandidat für die Schweizer?

Code Art Fair, Kopenhagen // SBV

Code Art Fair, Kopenhagen // SBV

Erst 2016 gegründet, gastiert die Code Art Fair im Messezentrum etwas außerhalb der Stadt. Nahmen an der ersten Ausgabe nur 48 Aussteller teil, sind es heuer bereits 74 Galerien.

Code Art Fair 2017 // SBV

Code Art Fair 2017 // SBV

Anders als Chart ist Code als internationale Messe im klassichen Kojen-System angelegt. Hier suchen die Galerien, darunter allein 12 aus Deutschland und drei aus Österreich (Galerie Krobath, Steinek, Raum Mit Licht), offenbar die Nähe zu den nordischen Käufern. Die Ausstellerliste reicht von Unbekannten bis zu Arrivierten wie Carlos/Ishikawa (London), Pilar Corrias (London), Continua, König Galerie, Neu und KOW aus Berlin. Die Code Art Fair ist nicht in der Stadt verwurzelt, dementsprechend mager war die Besucherzahl nicht nur am Eröffnungstag.

Chart Art Fair 2017 // SBV

Chart Art Fair 2017 // SBV

Rappelvoll dagegen war die Chart, und das trotz des eigenwilligen Voreröffnungssystems: Zuerst dürfen Künstler, Kuratoren und Presse die Messe besuchen. Am nächsten Tag dann erst Sammler, dann VIP, dann alle. Damit verteilt sich die Menge in den Räumen angenehm, es werden viele intensive Gespräche geführt, viele Käufe abgeschlossen, viele Informationen ausgetaucht. Zudem finden im Innenhof der Kunsthalle DJ Line Up Live Acts statt (u.a. Martin Creed, Charlie Roberts, Alex Da Corte) , die kostenlos besucht werden können und eine große Menge junger Menschen anziehen, von denen einige auch den Weg in die Messe finden. Letztes Jahr besuchten 18.900 Besucher die Chart Art Fair , ein Viertel davon internationale Gäste.

Vi Gallery at Chart Art Fair // SBV

V1 Gallery at Chart Art Fair // SBV

„Chart Art Fair hat eine ganz andere Stimmung als andere Kunstmessen, was uns auch unsere Gäste bestätigen – es macht mehr Spaß“, erklärt Friese den Erfolg. 2017-08-31-20-38-56-kopie-2

Chart Art Fair 1.-3.9.2017
Code Art Fair 31.8.-2.9.2017