6. Vienna Gallery Weekend

02. Jun. 2015 in Kunstmarkt

 

Anne Schneider, Christine König Galerie

Gerade erst stand Wien im Zeichen des Song Contests und schon kommt das nächste Ereignis: das Vienna Gallery Weekend. Jetzt dreht sich drei Tage lang alles um Kunst. Bis Sonntag Abend halten 21 Galerien ihre Türen weit offen.

Fritz Simak, Galerie Jünger

Es ist die sechste Ausgabe dieser Veranstaltung, die einmal im Jahr mit geführten Touren, Gesprächsrunden und einem spannenden Ausstellungsangebot in den Galerien stattfindet. 2014 kamen über 10.000 Besucher – und darunter viele aus dem Ausland. Denn Wien ist für seine zeitgenössische Kunstszene berühmt und die Galerien programmieren besondere Höhepunkte für diesen Termin.

Marko Lulic, Galerie Senn

Entstanden ist diese Idee eines gemeinsamen Galerie-Wochenendes vor elf Jahren in Berlin. Einige Kunsthändler waren damals nicht zufrieden mit der Kunstmesse Art Forum. Zu niedrig schien ihnen die Qualität, zu wenig Sammler reisten an. Das erste Gallery Weekend Berlin war sofort ein Erfolg und ist mittlerweile ein fester Termin im Kalender internationaler Kuratoren und Kunstkäufer. Seither übernehmen immer mehr Städte wie Düsseldorf, München und Chicago dieses Konzept. Denn es ist die perfekte – und bisher einzige – Alternative zu den immer teurer und mühsamer werdenden Kunstmessen. Anders als auf den großen Kunstmärkten wird in den Galerieräumen keine schnell zu konsumierende Glanz- und Glitzerkunst geboten. Denn hier geht es um eine tiefere Auseinandersetzung, die Kunden lassen sich weitaus mehr Zeit für die Betrachtung der Werke. Das ist auch deshalb möglich, weil die Galerien ihre Künstler in den eigenen Räumen mit umfassenden Einzelpräsentationen oder in einem konzentrierten, thematischen Zusammenhang vorstellen können.

Christine König Galerie

 

Ferdinand Penker, 1995, Nächst St. Stephan

Dafür legen die Wiener Galerien heuer einen Schwerpunkt auf Klassiker: Die Galerie Heike Curtze Petra Seiser zeigt aus Anlass ihres vierzigjährigen Jubiläums Werke von Christian Ludwig Attersee über Günter Brus bis Arnulf Rainer. Ein Best-Off hat auch die Christine König Galerie zusammengestellt. Hier treffen der großartige Maler Leon Golub auf Pierre Klosowski und Ricardo Brey – durchwegs Künstler, die den bisherigen Weg der Galeristin prägten. Die Galerie Nächst St. Stephan richtet Ferdinand Penker erstmals in Wien eine große Personale ein.

Ferdinand Penker, 2004, Nächst St. Stephan

Der österreichische Maler gilt als Geheimtipp. Er lebte lange zurückgezogen auf Schloss Hornegg in der Steiermark und war kaum im Kunstmarkt präsent. Seine Suche nach dem „idealen Strich“, wie er es einmal formulierte, fand letztes Jahr im Juni ein jähes Ende, er starb 64jährig überraschend an Herzversagen. Sein Vorbild sei Josef Albers, hatte er häufiger betont. Albers malte Zeit seines Lebens ineinander geschachtelte Quadrate mit gleichmäßig aufgetragenen, ungemischten Farben. Ihn faszinierte es, wie Farben wahrgenommen werden. Man spricht von ´factual fact´ und ´actual fact´, denn je nach Umgebung wirken die identischen Farben (factual) an den Rändern deutlich dunkler (actual). Penker besuchte Albers 1971 in New York, offenbar hatte ihn diese akribische Malerei beeindruckt. Penkers Werk ist ähnlich angelegt, auch er sucht Strukturen. Manche Bilder wirken wie schnelle, stark gestische Malerei. Tatsächlich sind es aber in einem langen, langsamen Prozess entwickelte Untersuchungen zur Linie in der Malerei. Jeder Farbverlauf, jeder Schwung darin ist eine kontrollierte Entscheidung (von 7700,- für die Zeichnungen bis 40.000,- für die Bilder).

Martha Jungwirth, Galerie Krinzinger

Geradezu konträr legt die 1940 in Wien geborene Malerin Martha Jungwirth ihre abstrakten, gestisch-expressiven Bilder an. Anders als Penker sucht Jungwirth keine Strukturen, sondern vertraut auf Emotionen und Spontanität. Ihr Ausgangspunkt sind Erinnerungen, „Vorwände“, wie sie es nennt – etwa Formen wie Balkone, die sie in Spanien sah. In ihrem ersten Auftritt jetzt der Galerie Krinzinger ist auch ihre Serie „Aridane“ ausgestellt. Beim genauen Hinsehen erkennt man darauf Schuhabdrücke. Jungwirths Bilder liegen während des Malprozesses auf dem Boden, manchmal geht sie halt darüber – eine wunderbar spannungsvolle Ergänzung zu den malerischen Bildpartien, ein Einbruch in die Bild-Illusion. Jungwirths Werk ist eine Wiederentdeckung, auf den Auktionen letztes Jahr erzielten ihre Bilder bereits Höchstpreise. In der Galerie kosten ihre Werke von 3500,- bis 40.000,- Euro.

Arman, Galerie Ernst Hilger

Gänzlich anders als die beiden österreichischen Maler legte Arman sein Werk an. Der französischen Künstler, der 77jährig 2005 in New York verstarb, wurde berühmt für seine „Akkumulationen“. So nannte er seine Anhäufungen von Dingen, die er Anfang der 1960er Jahre zerschnitt und sogar in die Luft sprengte, um die Reste dann auszustellen. Bald goss er gefundene Objekte in Polyester ein, Musikinstrumente, Besteck, Uhren – jeweils Dinge mit gleicher Funktion. Arman war Gründungsmitglied des „Nouveau Réalisme“. Diese Bewegung hatte das Ziel, das tägliche Leben in die Kunst zu holen. Aber Arman sah in seinen Objekten auch eine Kritik an der Konsumgesellschaft, und die Musikinstrumente galten ihm als Inbegriff einer Bürgerlichkeit, die er ablehnte. In der Galerie Ernst Hilger sind jetzt einige der zerschnittenen und neu zusammengefügten Geigen ausgestellt (ab 83.600,-), dazu Armans Tuschezeichnungen auf Notenblättern (22.000,-), die eindrucksvoll zeigen, wie experimentierfreudig er in den 1990er Jahren zur Malerei zurückkehrte.

Anca Munteanu Rimnic, Charim Galerie

Aber nicht alle setzen heuer auf Klassiker. In der Schleifmühlgasse bei Charim Events zeigt Anca Munteanu Rimnic in ihrer kleinen, feinen Ausstellung brisante Arbeiten. In ihren Videos und Objekten spielt die 1974 in Rumänien geborene, in Berlin lebende Künstlerin mit Referenzen zu ihrem Heimatland. In der Performance „Ursu“ setzte sie sich als Bär verkleidet auf Kristallvasen. Dieser brachiale Akt basiert auf einer kleinen Geschichte: In ihrer Heimat musste eine Kristallglas-Fabrik die hochwertigen Erzeugnisse zugunsten kitschiger Produkte umstellen. Als sie die Fabrik besuchte, sah sie auf der Straße überall die Achtung-Bären-Schilder – und stellte sich vor, dass sich die Bären auf die „Scheußlichkeiten“, wie die Künstlerin es formuliert, einfach draufsetzen würden. Ihre Ausstellung beginnt mit der Fotografie dieser Performance (3000,-), und endet mit einem beeindruckenden Teppich: Die Muster eines Kelimteppichs ließ sie in weißer Keramik nachfertigen (28.000,-). Das Isolieren der traditionellen Muster ist eine Betonung des Erinnerns, die Materialtransformation ein Akt des Bewahrens, der Prozess des Ausbleichens wie eine Reinigung.

Dazu zeigt Munteanu Rimnic ein Video rumänischer Klageweiber. Die besingen allerdings keine verstorbenen Verwandten, sondern murmeln die Worte ´Kurator, Museum, Collector´ vor sich hin. Das Vienna Gallery Weekend muss einen solchen Abgesang auf das Kunstsystems aber nicht fürchten. Denn mit dem hochkarätigen Programm wird heuer ein deutliches Zeichen für die hohe Qualität der Wiener Galerien gesetzt.