9. Art Austria 2016

14. Mrz. 2016 in Kunstmesse

Angelika Krinzinger

Vor 49 Jahre eröffnete die allererste Kunstmesse in Köln. Ein halbes Jahrzehnt später gibt es weltweit über 200 dieser Veranstaltungen, von Kolumbien über die Philippinen bis Indien. Denn neben den großen, internationalen Formaten etablieren sich zusehends kleinere, regionale Formate. Eines davon ist die Art Austria.

Courtesy Art Austria 2016

Courtesy Art Austria 2016

Gegründet 2008, fand die Messe zunächst in einem Zelt vor dem Museumsquartier statt und konnte 2011 ins Leopold Museum wechseln. Drei Stockwerke werden dafür jedes Jahr im März freigeräumt, rund 24.000 Besucher strömen dann fünf Tage durch die Gänge. Zur 9. Ausgabe heuer zeigen 50 Galerien und Kunsthändler 1500 Werke aus dem 20. und 21. Jahrhundert.

Bertha Tarnay. Courtesy Galerie An Der Oper,Wien

Bertha Tarnay. Courtesy Galerie An Der Oper,Wien

Von Beginn an galt der klare Fokus auf österreichische Kunst, der auch etwas weiter angelegt sein kann wie am Stand der Galerie bei der Oper, Wien. Hier findet man Lithographien von Bertha Tarnay. 1891 in Wien geboren, lebte sie ab 1921 in Brünn, Paris, traf sich in den 1920er Jahren in Berlin mit Käthe Kollwitz und Heinrich Zille, zog 1929 nach London, nahm die britische Staatsbürgerschaft an und starb 1973 in New York. Ob ein gutbürgerliches Musikkonzert, eine mondäne Vernissage, Werftarbeiter oder das traurige Bild einer ärmlichen Essensausgabe – in ihren schwarz-weißen Werken skizziert sie fast ein ganzes Jahrhundert.
Brausewetter. Courtesy Galerie An der Oper, Wien

Gertraud Reinberger Brausewetter. Courtesy Galerie An der Oper, Wien

„Vertrieben, vergessen, verkannt“ ist das Motto des Standes und so ist Tarnays Werk kombiniert mit Holzschnitten von Gertraud Reinberger Brausewetter. Von ihrem Leben ist nicht viel überliefert, geboren 1903 als Tochter eines reichen Bauunternehmers, schon früh Schülerin von Franz Cizek, gestorben 1992. Ihre für die 1920er Jahre erstaunlich großen Holzschnitte leben von starken schwarz-weiß-Kontrasten, ein Blatt ist nahezu abstrakt, andere fast expressionistisch. Sei es aufgrund der damals fehlenden Akzeptanz von Künstlerinnen oder der fehlenden Notwendigkeit durch ihre finanzielle Sicherheit, jedenfalls wurde ihr Werk zeit ihres Lebens kaum ausgestellt.

Reininger Brausewetter

Gertraud Reininger Brausewetter

Überhaupt sind es vor allem die historischen Werke, die auf der Art Austria überzeugen.

Herbert Gurschner, Kunsthandel Widder, Wien

Herbert Gurschner, Kunsthandel Widder, Wien

Der Wiener Kunsthandel Widder zeigt kleine Farbholzschnitte von Herbert Gurschner, 1901 in Innsbruck geboren und 1975 in London gestorben. Seine Werke gehören sogar zur Sammlung der Londoner Tate, die kleinen Tiroler Szenen kosten trotzdem nur 1900,- Euro.

Carry Hauser, Kunsthandel Widder, Wien

Carry Hauser, Kunsthandel Widder, Wien

Noch günstiger sind die wunderbar expressionistischen Holzschnitte von Carry Hauser für lediglich 550,- Euro. Hauser, dem das Wien Museum zusammen mit O. R. Schatz bis 16. Mai eine spannende Ausstellung widmet, erhielt 1939 von den Nationalsozialisten ein Berufsverbot, ging in die Schweiz ins Exil, kehrte 1947 zurück nach Wien und wurde 1985 in einem Ehrengrab auf dem Hietzinger Friedhof beerdigt. Bei der Innsbrucker Galerie Maier beeindruckt das Werk des bei einem Autounfall viel zu früh verstorbenen Malers Kurt Absolon (1925-´58). Seine Tusche- und Aquarellbilder kosten 7000,- bis 27.000,- Euro, eines seiner seltenen, farbenkräftigen Ölbilder kommt auf 39.00,- Euro – die teure Ölfarbe konnte sich Absolon kaum leisten, er malte mit Farbresten seiner Kollegen. In seinem Pamphlet „Über den Avantgardismus“ spricht er sich erstaunlich radikal gegen die Abstraktion aus, die er als Folge eines „hochgradigen Realitätsverlustes“ sieht und die zu einer „verkümmernden optischen Erlebnisfähigkeit“ führe: „Mit mangelnder optischer Aufnahmefähigkeit verschwinden gewisse Bereiche der Darstellung aus der Kunst und am Ende die Darstellung selbst.“

Kurt Absolon. Galerie Maier, Innsbruck

Kurt Absolon. Galerie Maier, Innsbruck

Beim Rundgang über die Art Austria stellt sich diese Sorge als völlig unbegründet heraus, an vielen Ständen dominiert ganz klar eine derart gegenständliche Malerei, dass Absolon als Abstrakter gelten könnte. In viel zu vielen Werken dient die Farbe ausschließlich dekorativen Zwecken, andere begnügen sich mit der reinen Abbildung – als wäre die Fotografie nie erfunden worden. Gerne werden auch noch in die letzten Ecken und bevorzugt auf die kleinen Türen zu den Lagern Bilder gequetscht, was jede Idee einer großzügigen Präsentation vernichtet. Aber dazwischen gibt immer wieder überzeugende Präsentationen, die „Frauengeschichten“ bei Krinzinger und „Elemente der Sprache“ bei Nächst St. Stephan. Beide Galerien werden von der Art Austria als „Leitgalerien der Szene“ bezeichnet, womit die teils gravierenden Qualitätsunterschiede zwischen den fünfzig Messeteilnehmern erstaunlich deutlich formuliert sind.

Natasa S

Natasa Siencnik. Courtesy Galerie 3/flux23

Und ab und an gibt es auch überraschende Werke junger Künstler zu entdecken wie Natasa Siencnik bei der Klagenfurter Galerie 3/flux23. Siencnik benutzt eine Maschine mit Faltblattanzeige, um aus dem Fragenkatalog des Hypo-U-Ausschuss 2015 zu zitieren. Wie auf den alten Bahnhofsanzeigen drehen sich Plättchen und schreiben immer neue Sätze: „Wann ist der Zustand Kärntens besorgniserregend geworden“, „Wie oft haben Sie mit Haider zu Abend gegessen“ und als letzte Frage: „Wieviel Heimat brauchen Sie?“ Diese Frage könnte über jeder regionalen Messe stehen.

Art Austria, Wien, 10.-13.3.2016
veröffentlicht in: Die Presse, 13.3.2016