Die Kunst der Frau

21. Dez. 2015 in Ausstellungen

Büro Bauer, Ausstellungsgestaltung

Büro Bauer, Ausstellungsgestaltung

In bester Innenstadtlage und doch versteckt liegt das Vereinslokal der bildenden Künstlerinnen Österreichs (NBKÖ).Eine rein weibliche Vereinigung? Ja, denn die Kunst war jahrhundertelang eine derartig streng behütete Männerdomäne, dass den Malerinnen dieser Weg notwendig schien.

Sie gründeten 1910 den VBKÖ, um auszustellen und darüber wirtschaftlich unabhängig zu werden. Ihren ersten Auftritt betitelten sie „Die Kunst der Frau“. Gerade die grobe Verallgemeinerung half ihnen, ihre Existenz selbstbewusst und trotzig zu behaupten. Der Verkaufserfolg gab ihnen zwar recht, an der schwierigen Situation von Künstlerinnen änderte das aber lange nichts. Jetzt hat die Kuratorin Barbara Steiner diesen Titel aufgegriffen und zeigt eine Ausstellung an der „Nahtstelle zwischen künstlerischem Anspruch und ökonomischen Abhängigkeiten“ (bis 20, März 2016).

Anna Meyer, Dr Death, 2015

Anna Meyer, Dr Death, 2015

Aber nicht das Schicksal einzelner Künstlerinnen, sondern das Modell der Vereinigungen steht dabei im Zentrum. „Die Kunst der Frau“ ist Teil ihrer Ausstellungsreihe „Freund_innen und Kompliz_innen“. Steiner begann das Projekt 2014 im Künstlerhaus Wien, recherchierte heuer in den Archiven des VBKÖ und plant die Fortsetzung in der Wiener Secession. Allen drei Vereinigungen ist gemeinsam, dass Künstler und Künstlerinnen in selbstverwalteten Lokalitäten wirtschaftlich agieren müssen. Sie tun dies allerdings nicht wie ein Unternehmer im Dienste der Gewinnmaximierung, sondern für eine Gemeinschaft: ideele und kommerzielle Anliegen müssen parallel laufen. „Das Künstlerhaus und die VBKÖ wurden unter der Prämisse gegründet, sich vom Mäzenatentum und damit dem Wohlwollen einzelner durch selbsttätiges und selbstorganisiertes gemeinschaftliches Wirtschaften zu befreien,“ erklärt Steiner. „Es lohnt sich, solche Vereinigungen anzuschauen, weil man dort viel früher einem wirtschaftlichen Druck ausgesetzt war. Heute gilt das für alle Institutionen.“
Im ersten Teil ihrer Reihe fand sie in der gut 150jährigen Geschichte des Künstlerhauses „geradezu kühne Konzepte, die erfolgreich zwischen künstlerischen, gesellschaftlichen und kommerziellen Agenden balancierten“, aber auch „Perioden der Fortwurstelei“, wie sie einen ehemaligen Präsident zitiert. Für das Künstlerhaus ist diese Herausforderung jetzt ja beendet, denn was als Genossenschaft begann, gehört heute mehrheitlich der privaten Stiftung Haselsteiner und wird zukünftig zum größten Teil als Filiale der Albertina bespielt werden. Dafür ist Renovierung, Modernisierung, Erweiterung und der Betrieb des Künstlerhauses garantiert. Wie der VBKÖ das Überleben des Vereins sicherte, kann man jetzt in der „Kunst der Frau“ studieren.

Büro Bauer

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Merkwürdigerweise fand Steiner dazu in dem Archiv des VBKÖs nur wenige Unterlagen. Von einigen Mitgliedern sind sogar Bilder verschwunden. So gehörte die heute wiederentdeckte Malerin Helene Funke lange zum VBKÖ. 1869 in Chemniz geboren, 1913 nach Wien übersiedelt, starb Helene Funke 1957 in Wien völlig verarmt. Ihr Leben ist kaum dokumentiert, der Großteil ihrer Werke verbrannt, zerstört oder verschollen. Auch im VBKÖ sind ihre Spuren kaum zu finden. Das mag daran liegen, dass die Malerinnen nie ein eigenes Haus erhielten. Schon für ihre erste Ausstellung mussten sie sich in der Wiener Secession einmieten. Während die beiden damals ausschließlich Männern vorgehaltenen Vereine Wiener Secession und Künstlerhaus erfolgreich in ihren eigenen kleinen Palästen agieren konnten, blieb dies dem VBKÖ verwehrt. Also mieteten sie 1912 kleine Räume an. Immer wieder versprach die Stadt Wien ihnen den Bau eines eigenen Heims, Ende der 1930er Jahre schlugen die Malerinnen dann fünf konkrete Orte für ein einstöckiges Haus vor. Es waren kleine Restgrundstücke, hinter der Secession, eine Gartenanlage bei der Akademie oder im Burggarten. Erfolglos. Noch heute ist der VBKÖ Mieter in der Maysedergasse 2 gleich hinter dem Hotel Sacher.
Wie aber konnte der Verein mehr als einhundert Jahre gehalten werden? Eine Quelle waren die „Regiebeiträge“ für die Teilnahme an Jahresausstellungen, dazu die 10 Prozent Gewinnbeteiligung an den Verkäufen. Dafür mussten die Malerinnen größere Räume anmieten, mit ihren männlichen Kollegen über überhöhte Forderungen verhandeln und um günstige Termine kämpfen, um am Ende doch nur kurze zwei Wochen im Sommerloch zu erhalten. Das Geld dazu kam von Förderern, staatlichen Subventionen, auch aus Vermietungen in der Maysedergasse, 1923/24 an Jacob Levy Moreno für sein „Stegreifspiele“, von 1924 bis 1928 an das Modeatelier Schürmann. Gab es im VBKÖ auch erfolgreiche Künstlerinnen? „Erfolg im Sinne von Anerkennung und finanziell war hochgradig ambivalent“, erklärt Steiner – am ehesten trifft das in der Phase des Nationalsozialismus zu, etwa für Stephanie Hollenstein, die sich für den Faschismus begeisterte. In den Jahren entstanden auffällig üppig produzierte Kataloge, aber die Unterstützung hatte ihren Preis in den propagandanahen Sujets.
Eine andere Einnahmequelle des NBKÖ waren „Weihnachtsschauen“, in denen man den Erwartungen der Käufer entgegenkam mit Kunsthandwerk und besonders gefragten Motiven wie Kinder, Blumen, Tiere. „Am erfolgreichsten waren die Künstlerinnen dann, wenn sie Weiblichkeitsklischees bedienten“, fasst es Steiner zusammen.

Büro Bauer

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Diese Weihnachtsschauen wurden in den 1980er Jahren eingestellt, aber Steiner greift das Format jetzt für „Die Kunst der Frau“ wieder auf – um es stark zu verändern. In der Mitte des kleinen Hauptraumes veranschaulichen Archivmaterialien und Erklärungstexte die Geschichte des Vereins, gestaltet von dem Wiener Büro Bauer. Rundherum stellen Künstler und Künstlerinnen Kleinformatiges und Projekte aus, die als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart angelegt sind. Da malt sich Christian Helbrock in einem Video erst seine Lippen, dann das Gesicht und den gesamten Kopf mit Lippenstift an. Helbock und Markus Lobner orientieren sich für ihren Film an einer bösen Kritik der Secessionisten. Zur ersten VBKÖ-Ausstellung 1910 hieß es, Schminken sei die einzig originäre künstlerische Aussage, zu der ein weiblicher Künstler fähig sei, ihre Weltsicht kreise deshalb nur um sie selbst. Hilde Fuchs zeigt eine Performance, in der sie „Ortsbesetzungen“ auf den damals vorgeschlagenen Grundstücken inszeniert. Anna Meyers dagegen wählte Bilder aus, die „virtuelle Wirklichkeiten und harte Realität“ vermischen, wenn etwa „Dr. Death“ „ein apokalyptisches Szenario“ zeigt, „das leicht verschoben in der Realität wohnt“, wie sie erklärt. Damit demonstriert Meyer deutlich, dass Künstlerinnen in den Sujets die Repräsentationsfalle überwunden haben. Am Kunstmarkt allerdings haben sich die Weiblichkeitsklischees gehalten: Kunst von Frauen ist noch immer weitaus preisgünstiger.