Offensiver Optimismus auf der 12. Art Dubai 2018

12. Apr. 2018 in Ausstellungen

Art Dubai im Hotel Madinat Jumeirah

Art Dubai im Hotel Madinat Jumeirah

Als die Art Dubai 2007 das erste Mal stattfand, war die Welt in den Ländern ringsherum noch in Ordnung. Mittlerweile herrschen Chaos und Krieg in Syrien und Jemen, die Zahl der Toten im Irak ist auf über zwei Millionen gestiegen. Das spiegelt sich auch auf der 12. Art Dubai wider, wo man düstere Bilder sieht, die von dieser Lage geprägt sind. So zeigt der britische Galerist und Gründer der Messe John Martin die dystopischen Holzdruck-Visionen von Ade Adesina, wo Wale durch die Luft fliegen und die Zeit gefroren zu sein scheint – eine Welt, in der alles verkehrt ist (ab 2500 Dollar).

Tammam Azzam, Place, Paper series, 2017, paper collage on canvas, Ayyam Gallery

Tammam Azzam, Place, Paper series, 2017, paper collage on canvas, Ayyam Gallery

Intensive Bilder für das Leid Syrien schafft Tammam Azzam am Stand der Galerie Ayyam auf der 12. Art Dubai. Mit farbigen Papierfetzen collagiert er Bilder von zerstörten Städten und zerrissenen Figuren (ab 30.000 Dollar). Azzam sieht seine Werke als Hoffnungsträger: „Wenn ich keine Hoffnung mehr habe, muss ich aufhören mit meiner Kunst“.

Diese Haltung mag der Grund sein, warum trotz der angespannten Situation im Nahen Osten an den meisten Ständen der 105 Galerien aus 48 Ländern auf der 12. Art Dubai ein erstaunlicher Optimismus zu beobachten ist. Davon zeugt auch die neue Kooperation der Messe mit dem MiSK Art Institute. Gegründet vom jungen saudi-arabischen Kronprinz, ist die Stiftung der jüngste Coup des Thronfolgers, der nicht nur den Frauen seines Königreichs das Autofahren erlaubt, den Zwang zur Verschleierung kippt, Kinos zulässt, sondern jetzt auch die Künste fördert. Geleitet wird das MISK Art Institute von Ahmed Mater. Während Mater den Kronprinzen auf seiner 20tägigen Reise durch die USA begleitet, werden seine Gursky-ähnlichen, durchaus kritischen Fotografien von den massiven Neubauten in Mekka am Stand von Continua für 35.000 Dollar angeboten. Was genau MISK plant, ist noch nicht zu erfahren, aber es ist definitiv ein wichtiger Baustein in den gesellschaftlichen Umbauplänen des Kronprinzen, wovon auch das Engagement auf der Art Dubai zeugt. Denn dort unterstützt MiSK heuer die Moderne-Sektion. Das ist überraschend, weil hier eine eindeutig westlich orientierte Zeit aufgewertet wird, in der der Islam die Region noch nicht dominierte. Bei den 16 Galerien können Modernisten entdeckt werden wie Hamed Abdalla (Galerie Mark Hachem, ab 8000 Dollar), dessen Holzdrucke von Sexszenen daran erinnert, wie liberal Kairo in den 1950er Jahren war. Vertieft wird die kunsthistorische Aufarbeitung mit einer beeindruckenden Sonderausstellung zu fünf wichtigen Kunstschulen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts im Sudan, in Casablanca, Kairo, Bagdad und Riad. Wunderbar das psychodelische Kamel in matschgrünen Farben von Abdulhalim Radwi aus Riad von 1978 – hier wird Saudi-Arabien als Ort innovativer Kunstentwicklungen in die Kunstgeschichte eingeschrieben.

Latf Al Ani, Sharjah Art Foundation

Latf Al Ani, Sharjah Art Foundation

Diese zentrale Tendenz der 12. Art Dubai ist auch über die Messe hinaus zu beobachten: Der Blick ist nicht mehr nur in die Zukunft, sondern gleichermaßen in die Vergangenheit gerichtet. Im jüngst eröffneten Louvre Abu Dhabi wird mit den historischen Objekten der permanenten Sammlung eine alle Kulturen verbindende, hierarchiefreie Menschheitsgeschichte erzählt. Im Nachbaremirat Sharjah sehen wir Fotografien des Irakers Latif Al Ani von 1953 bis 1979. Wie im Zeitraffer erleben wir Momente aus dem Alltag vom traditionellen Leben über Hippie-Portraits bis zum mondänen Styling der Irakerinnen in den späten 1970er Jahren. Und im Werk mancher Künstler finden die Zeiten zusammen, wenn Khaled Zaki in der Galerie Tabari Artspace in Dubai seine Skulpturen in der Formensprache der Moderne zeigt. Aber es sind keine kontextfreien Figuren a la Henry Moore. Mit dem Puzzle aus sechs einzelnen, kleinen Teilen assoziiert der 1964 geborene Ägypter die Erfahrung einer Zersplitterung durch politische Ereignisse, mit dem strahlenden Weiß des Marmors weist er auf „eine hoffnungsvolle Zukunft“, wie er erklärt – eine Zukunft, die sich auf der Art Dubai als eine selbstwusste, facettenreiche Positionierung des Nahen Ostens präsentiert.

veröffentlicht in: Welt, 24.3.2018