Kunst & Kommerz: Biennale Venedig

08. Mai. 2015 in Biennalen, Kunstmarkt

Venedig // SBV

Die Regeln waren streng: Die Gemälde sollten maximal drei Meter hoch und breit sein, Plastiken nicht mehr als 4000 Kilo wiegen, dafür durften aber Kunsthandwerk, Möbel und selbst Pflanzen dazu gestellt werden. Denn die Biennale Venedig startete als ein Modell für Kunst & Kommerz.

Pavillon der Hauptausstellung // SBV

Der Grund für diese Regeln war einfach: Die Mutter aller Biennalen war  1895 als Benefizveranstaltung konzipiert. Es ging um Verkäufe. Die erste Edition war daher auch ohne Eintrittsgelder, 224.000 Besucher kamen. Es war der Start einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte. Vieles änderte sich in den mehr als einhundert Jahren seit der Gründung, nach Anfangs nur einem einzigen Pavillon für sämtliche Künstler bauten immer mehr Länder ihre eigenen Häuser – 29 Pavillons stehen heute auf dem Giardini-Gelände, dazu wird das Arsenale und angemietete Palazzi genutzt: 89 Nationen nehmen heuer zur 56. Ausgabe teil. Eine halbe Millionen Besucher kamen zur letzten Ausgabe.

Blick auf das Dach des Hauptpavillons // SBV

Aber noch bis in die 1960er Jahre dominierte Kunst & Kommerz: Es galt der klare Auftrag, die Verkaufbarkeit der ausgestellten Werke im Blick zu halten. Denn die Biennale war zugleich eine Kunstmesse. Das änderte sich zum einen durch die schnell wachsende Galerienszene und die ersten Kunstmessen Ende der 1960er Jahre. Zum anderen traten in den Pavillons anstelle der Verkaufsidee zunehmend inhaltliche Motive, seit 1968 die thematisch ausgerichtete Gruppenausstellung, vor allem aber die immer ambitionierteren Beiträge in den Länderpavillons. Seit den späten 1960er Jahren will sich kein Künstler mehr auf Malerei und Skulptur festlegen lassen, meist reagieren sie mit raumgreifenden Installationen, die eigens für die Pavillons entworfen werden.

// SBV

Heute ist Kunst & Kommerz auf einer anderen Ebene angekommen. Direkt verkauft wird zwar nicht mehr. Aber ohne die Galerien könnte keine Biennale Venedig eröffnen. Heimo Zobernigs Beitrag im Österreichischen Pavillon wird mitfinanziert von seinen sechs internationalen Galerien, erklärt die Wiener Meyer Kainer Galerie. Sein Beitrag für Venedig ist zwar ebenfalls direkt auf den Ort hin entworfen, wird aber anschließend im Kunsthaus Bregenz ausgestellt – wie verändert der Kontextwechsel die Wahrnehmung der Kunst? Eine spannende Frage, die ja auch bei jedem Verkauf mitschwingt.

Heimo Zobernig, Biennale Venedig // c Petermichl

Nicht nur Zobernigs Auftritt, ein Großteil der Länderpavillons käme ohne die Unterstützung der Galerien nicht zustande, darunter die Bildserie „Darwin´s Room“ des Kunstmarktstars Adrian Ghenie für den Rumänischen Pavillon und Sarah Lucas im Britischen Pavillon. Aber nicht nur die Länderpavillons, auch die zentrale Gruppenausstellung nimmt die Galerien in die Pflicht: Unmissverständlich wurden die Kunsthändler im Vorfeld aufgefordert, Transporte und Reisen ihrer Künstler mitzufinanzieren. „All The Worlds Futures“ nennt Kurator Okwui Enwesor seine Schau, zu der er 136 KünstlerInnen aus 53 Ländern eingeladen hat.

 

Adrian Ghenie, Study for Darwin and the Satyr

Adrian Ghenie, Darwin and the Satyr

Finanzhilfen geben Galerien übrigens nicht nur der Biennale, sondern auch Museen. The Art Newspaper publizierte im April eine Liste: Ein Drittel aller Einzelausstellungen in 68 US-amerikanischen Museen zwischen 2007 bis 2013 gingen an Künstler, die von genau fünf Galerien vertreten werden. In New York ist das Verhältnis noch krasser: 75 Prozent der Ausstellungen sind dort eng mit den Galerien verbunden, im Guggenheim sind es sogar 11 von 12 Künstlern. David Zwirner, Hauser & Wirth, Marian Goodman, Pace und Gagosian sind diese finanzstarken Riesen. Umso erstaunlicher ist es, dass heuer im USA Pavillon eine alles andere als marktgängige Außenseiterin ausstellt: Joan Jonas, eine Pionierin der Performance- und Videokunst.

Irak: Akam Shex Hadi, 2014-15

Spannend wird es auch im Irakischen Pavillon, in dem der belgische Museumleiter Philippe Van Cauteren fünf KünstlerInnen aus drei Generationen zeigt. Finanziert wird der Auftritt von der Ruya Foundation, die von drei Exil-Irakerinnen gegründet wurde – der irakische Staat stellt keinerlei Gelder zur Verfügung. Abgesehen von dem Auftritt in Italien ist die Kunst dieses Landes aus politischen und wirtschaftlichen Gründen national und international inexistent, wodurch der Ausstellung umso größere Bedeutung auch für den lokalen Kunstmarkt zukommt. Der kurioseste Pavillon ist jener von Kenia – mit italienischen und chinesischen Künstlern. Eine Italienerin ohne jegliche Beziehung zu Kenia ist Kuratorin, finanziert wird der Beitrag von einem in Kenia lebenden, italienischen Maler und Immobilienmagnaten. Und die Chinesen darin? Die sind bereit, ihren Auftritt in Venedig zu bezahlen, um ihre Bedeutung im chinesischen Kunstmarkt zu steigern – eine klare Trennung zwischen Institution und Investition, zwischen Kunst und Kommerz ist auf der Biennale Venedig seit der ersten Ausgabe nicht zu ziehen.

56. Biennale Venedig, Mai – November 2015
veröffentlicht in: Die Presse, 3.5.2015