Sara Rahbar: Skulpturen + das US-Reiseverbot

20. Apr. 2017 in Interview

Sara Rahbar, Refuge, Bronze, 2016. Courtesy Gallery Carbon 12

Sara Rahbar, Refuge, Bronze, 2016. Courtesy Gallery Carbon 12

Die 1976 in Teheran geborene, in New York lebende Künstlerin Sara Rahbar ist bekannt  für ihre Flaggen. Rahbar verließ mit ihrer Familie den Iran 1979 nach der Iranischen Revolution und zog in die USA. In der Werkgruppe der Flaggen kommen beide kulturellen Identitäten zusammen. Aus verschiedenen Materialien formt Rabar die meist US-amerikanische Fahne, kombiniert verschiedene Stoffe, Objekte, oft auch Waffen. Titel wie „Dust and Ash“ (2015) oder „Shelter Me“ (2016) geben deutliche Hinweise auf eine emotionale Aufladung der Flaggen. Jetzt zeigte sie während der 11. Art Dubai im März 2017 in der Galerie Carbon 12 erstmals ihre neueste Werkserie von Bronzeskulpturen.

Sara Rahbar, Land of Opportunity, 2008, Flag #12. Courtesy Gallery Carbon 12

Sara Rahbar, Land of Opportunity, 2008, Flag #12. Courtesy Gallery Carbon 12

SBV: Sie sind bekannt für Ihre Flaggen und zeigen jetzt Bronzeskulpturen im Raum – wie ist dieser Schritt entstanden?

Sara Rahbar bei Caron 12, Dubai 2017

Sara Rahbar bei Caron 12, Dubai 2017

SARA RAHBAR: Ich habe immer Skulpturen gemacht, auch mit den Flaggen. Die verschiedenen Objekte sind ja mit den Flaggen verbunden, aber irgendwann konnte ich die Materialien nicht mehr zusammennähen, die Stoffe und Objekte wurden zu groß, zu schwer, zu massiv. Da war der Moment für mich gekommen, die Skulpturen von der Wand zu nehmen.
SBV: Warum haben Sie sich für Abgüsse von Händen entschieden?
SARA RAHBAR: Mich interessieren Hände und auch Füße schon länger und ich habe einige Zeit nach passenden Formen gesucht. Aber die Vorgefertigten sind so trocken, so leblos. Also beschloss ich, meine eigenen Hände in ausdrucksvollen Gesten zu nehmen – es ist eine so starke Geste, wenn jemand sein Gesicht mit den Händen schützt, so hilflos, fragil. Es schützt doch gar nicht!
SBV: Der Ausdruck der Hände ist sehr intensiv, mal helfend, mal aggressiv oder verkrampft – sind es die Emotionen, die Sie interessieren?

Sara Rahbar, Carry me home, 2016. Courtesy Gallery Carbon 12

Sara Rahbar, Carry me home, 2016. Courtesy Gallery Carbon 12

SARA RAHBAR: Ja, die ersten Hände waren noch mit einem Körper verbunden und weniger eigen. Dann habe ich die Glieder isoliert und diese deutlichen Gesten gesucht. Die neuen Hände jetzt sind aber offen, fast wie bei Jesus. Die Titel sagen viel dazu, „I Won´t Let You Go“ heißen die Hände, die sich gegenseitig festhalten, „Carry Me Home“ die Hände und Füße, „Refuge“ die Hand auf dem Kopf. Da kommen auch Themen wie Flüchtlinge und Migration hinein. In der neuesten Arbeit kombiniere ich die Glieder mit Objekten, mit Dingen aus dem 2. Weltkrieg, mit Helmen. Die sind eigentlich grün, aber das funktionierte überhaupt nicht. Also habe ich die abgegossen und schwarz gefärbt …
SBV: … das gibt dem Ensemble eine sehr bedrückende Atmosphäre …
SARA RAHBAR: …ja, das ist mir wichtig. Es ist ein Ausdruck unserer Zeit. In der USA, in so vielen Ländern, ist alles so stark unter Kontrolle. Man meint nur, Freiheit zu haben, durch die Wahlen. Aber das ist limitiert.
SBV: Betrifft Sie die aktuelle Einreisebeschränkung der USA, die für Bürger einiger moslemischer Länder gilt?

Sara Rahbar, Shelter Me, 2ß16. Courtesy Carbon 12

Sara Rahbar, Shelter Me, 2ß16. Courtesy Carbon 12

SARA RAHBAR: Ich habe einen amerikanische Pass, aber darin steht, dass ich im Iran geboren bin. Das wird bei der Einreise immer betont, ich werde befragt, mein Telefon gecheckt. Noch kann ich nach New York zurück, aber bei der Einreise wird einem vermittelt, dass es nicht unsere Heimat ist. Aber 9/11 hat uns weit mehr beeinflusst, unser Alltagsleben, unsere Lebenssituation. Die Steuern gingen hoch, ich kann es mir nicht leisten, Eigentum zu kaufen. Es gibt keine Sicherheit mehr und alles ändert sich permanent.
SBV: Haben Sie überlegt, die USA zu verlassen?

Sarah Rahbar, Salvation. Courtesy Carbon 12

Sarah Rahbar, Salvation. Courtesy Carbon 12

SARA RAHBAR: Ich habe darüber nachgedacht. Aber meine Mutter fragte mich, wie oft wir denn noch wegrennen wollen. Und sie hat Recht. Wir haben den Iran verlassen und leben seit 38 Jahre in New York. Und ich glaube, dass die Republikaner genau das wollen, dass wir gehen. Uns mit Angst zu paralysieren. Dabei ist es nicht einmal deren Land, sie haben es den Indianern weggenommen. Die aktuelle Situation ist auch der Grund, warum ich die Flagge #53, „Shelter Me“ (2016), in der Ausstellung habe. Da sind viele persönliche Dinge aus dem Iran verarbeitet, private Objekte. Es thematisiert Krieg, den Verlust von allem, was man an persönlichen Dingen gesammelt hat. Es thematisiert den Verlust von Identität.
SBV: Herzlichen Dank für das Gespräch!