Universalmuseum Louvre Abu Dhabi

30. Dez. 2017 in Ausstellungen

Louvre Abu Dhabi, Foto Mohamed Somji. Courtesy TDIC

Universalmuseum Louvre Abu Dhabi, Foto Mohamed Somji. Courtesy TDIC

Abu Dhabi bekommt ein Universalmuseum: das Louvre Abu Dhabi.
Es ist genau zehn Jahre her, dass in Abu Dhabi im Namen des damaligen Herrschers Sheikh Khalifa Bin Zayed Al Nahyan gewaltige Museumspläne verkündet wurden: fünf Museen sollten in nur sechs Jahren gebaut und die damals noch unberührte Wüste der Insel Saadiyat Island in ein „global cultural hub“ verwandelt werden. Aber 2008 kam die Wirtschaftskrise und damit ein Baustopp. Zwar entstanden auf der Insel bald Mengen neuer Wohnsiedlungen, Schulen und Hotels, die Museumspläne allerdings wurden in der Zwischenzeit revidiert. Die Anfangs geplanten 19 „Biennale Pavillons“ sind gestrichen, das Meeresmuseum von Tadeo Ando und das Performing Arts Centre von Zaha Hadid in eine ungewisse „Phase 2“ verschoben, wie auf Anfrage geantwortet wurde. Wann das von Frank Gehry gestaltete Guggenheim Abu Dhabi kommt, ist ungewiss. Fix geplant sind momentan lediglich das von Norman Foster entworfene Zayed National Museum. Und das Louvre Abu Dhabi, das als einziges Projekt bereits fertig ist. Denn dieses Projekt wurde durch einen Staatsvertrag mit Frankreich gesichert.

Saadiyat Cultural District, Copyright TDIC 2017

Saadiyat Cultural District, Copyright TDIC 2017

In einem Gespräch erzählte mir der ehemalige französischen Kulturminister Renaud Donnedieu de Vabres, dass dieses Projekt auf eine Idee von Jacques Chirac, Frankreichs Ex-Staatspräsidenten, zurückgehe, der das Museum während eines UNESCO-Treffens in Paris 2005 zum Thema ´kulturelle Diversität´ zusammen mit dem damaligen Scheich Zayed bin Sultan al Nahyan entwarf. „Ökonomische Entwicklung durch kulturelle Dialoge“ (Vabres) wollte Chirac initiieren – was für Frankreich ganz sicher aufgegangen ist. Während der Scheich die Insel zu einer der weltweit wichtigsten Kulturdestination und zu einem „beacon for cultural experience and exchange“ machen wollte, wie es in einer Pressseaussendung hieß, bringt das Projekt dem europäischen Staat mächtig Geld ein: Rund 500 Millionen Euro kostet die Verwendung des Namens Louvre für das neue Universalmuseum. Weitere rund 700 Millionen Euro müssen für Leihgaben, Ausstellungen und Beratung bezahlt werden, allein 190 Mio. für das Recht, 10 Jahre lang Werke aus Paris auszuleihen.

Eröffnung von „Birth of a Museum“, Abu Dhabi 2013. Im Hintergrund René Magrittes „Submissive Reader“ (1928) und Picassos „Portrait of a Lady“ (1928)

Eröffnung von „Birth of a Museum“, Abu Dhabi 2013. Im Hintergrund René Magrittes „Submissive Reader“ (1928) und Picassos „Portrait of a Lady“ (1928)

Museumskooperationen haben sich in den letzten Jahren zu einem neuen Geschäftsfeld entwickelt. Bekannte Institutionen verkaufen die Rechte an ihrem Namen und eröffnen Filialen wie etwa das Guggenheim oder die Hermitage St. Petersburg. Anders als diese Beispielen ist das Louvre Abu Dhabi aber weder ein Ableger noch eine Kooperation – im Gegenteil: Es ist ein neues Museumskonzept, das nicht westliche Vorbilder imitiert, sondern mit der Kunstsammlung ein anderes Modell vorschlägt: Es ist ein Universalmusum. Hier wird eine universelle Menschheitsgeschichte erzählt. „Viel zu lange gab es nur westliche Museen mit Trophäen. Wir dagegen wollen die vielfältigen Verbindungen aufzeigen“, erklärte Zaki Nusseibeh (Berater des Scheichs in Abu Dhabi) in einem Gespräch. Daher wird hier nicht von Eroberungen, Differenzen und Vorherrschaft erzählt, sondern von Austausch und Ähnlichkeiten. So sieht es auch de Vabres: Das Louvre Abu Dhabi sei ein “Zeichen für Frieden durch Kultur.“

Jenny Holzer, Rendering: in Stein eingravierte Auszüge aus „Creation Myth“ aus dem Vorderasiatischen Museum in Berlin. _© 2015 Jenny Holzer, Mitglied Artists Rights Society (ARS), NY. Rendering: Factum Arte

Jenny Holzer, Rendering: in Stein eingravierte Auszüge aus „Creation Myth“ aus dem Vorderasiatischen Museum in Berlin. _© 2015 Jenny Holzer, Mitglied Artists Rights Society (ARS), NY. Rendering: Factum Arte

Die Einzigartigkeit dieses Konzepts als verbindendes Universalmuseum spiegelt sich bereits in der Architektur. Statt eines massiven Kubus besteht das Louvre Abu Dhabi aus 23 unterschiedlich großen Häusern, die am und im Wasser wie eine kleine Stadt rund um einen großartigen, offenen Platz im Freien angeordnet sind. Dazu Restaurants, ein Kindermuseum und eine 2000 qm große Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst. Im Wasser stehen drei Podeste, für Skulpturen, vielleicht für Performances, die Nutzung ist bei meiner Begehung im Dezember 2016 noch nicht definiert. Alles ist überspannt von einer gewaltigen Kuppel. 12.000 Tonnen Stahl wurden verbaut, 8000 Tonnen wiegt das 30 Meter hohe, 180 Meter weite Dach, für das sich Architekt Jean Nouvel von schattenspendenden Palmzweigen inspirieren ließ. Unter der Kuppel bilden sich wunderbare „wilde Winde“, wie das natürlich Klima mitten im Museum genannt wird. Hier werden auch die beiden permanenten Installationen von Jenny Holzer und Giuseppe Penone stehen.
In den einzelnen Kuben wechselt diffuses Innenlicht mit natürlichem Licht für die chronologisch angeordnete Universalmuseum -Sammlung. Anhand von 650 Objekten wird hier eine verbindende Geschichte der Menschheit erzählt. Entscheidend sei die „universelle“ Perspektive, wie es Museumsdirektor Manuel Rabaté in einem Gespräch erklärte. Ein Leitmotiv dieser Kreuzung vieler Zivilisationen sei „der Aspekt der Schönheit“. Die zeitgenössischen Künstler dagegen werden nach der heutigen Identität fragen, denn „die Besucher sollen ihre eigene, lokal verwurzelte Identität reflektieren“, betont Hissa Al Dhaheri. Die 12 Hauptgalerien plus 8 „Annexgalleries“ mit Bronzewänden für Drucke, Graphiken, heilige Bücher, Textilien stehen unter 12 Schlagworten wie „Universelle Religionen“,„Östliche Routen des Austauschs“ bis zu „A Global Stage“. In Kabinetten sind auch Landkarten, Münzen und Bücher ausgestellt, ein Raum ist Auguste Rodin als Sammler gewidmet. Zur Sammlung gehören Bilder von Giovanni Bellini, Edouard Manet, Pablo Picasso, René Magritte bis zu Piet Mondrian, Yves Klein und Cy Twombly, aber auch Miniaturmalerei, chinesische Kalligraphie und die erste Aufnahme einer verschleierten Frau in Ägypten 1843 von Joseph-Philbert Girault de Prangey. Alle drei Monate soll es Rotationen in der Sammlung geben. Zur Eröffnung werden 50 Prozent der Universalmuseum -Exponate als Leihgabe aus französischen Museen stammen, die jeweils drei Monate bis zu einem Jahr in Abu Dhabi bleiben. In zehn Jahren läuft der Leihvertrag mit Frankreich aus. Bis dahin wird die eigene Sammlung ausgebaut sein, zur Verfügung steht ein jährliches Ankaufsbudget von 40 Mio. Dollar. In 15 Jahren läuft der Vertrag für gemeinsame Projekte aus, in dreißig Jahren endet der Vertrag für den Namen – ob das Haus dann umbenannt werden wird? Darüber will Direktor Rabaté nicht spekulieren, jetzt steht erst noch die festliche Eröffnung bevor.

veröffentlicht in: Kunstforum, Bd. 251, Dez.2017/Jan. 2018