Die erste Gulf Art Fair in Dubai – Duell der Emirate
„Dubai braucht eine Kunstmesse“ sagte der britische Banker Benedict Floyd zu seinem Freund, dem Londoner Galeristen John Martin. Sechzehn Monate später eröffnete die erste DIFC Gulf Art Fair. Aber da das Finanzzentrum DIFC noch nicht fertig gebaut ist, findet diese jüngste und auch bislang teuerste Messe der Kunstwelt in der Hotelanlage „Madinat Arena“ gleich neben dem Burj Al Arab, Dubais Wahrzeichen, statt. Wenn im nächsten Jahr die Bauarbeiten abgeschlossen sind, soll die Kunstmesse dann in das „Dubai International Financial Centre“ einziehen, gleich gegenüber des Emirates Towers mitten in der Stadt.
John Martin 2007
Aber wieso braucht der Wüstenstaat Dubai eine Kunstmesse? Ein kurzer Blick zurück: 1968 ziehen sich die Briten von der arabischen Halbinsel als „Schutzmacht“ zurück, drei Jahre dauern die folgenden Verhandlungen, bis die Förderation „Vereinigte Arabische Emirate“ 1971 entsteht. In den ersten zwanzig Jahren entwickeln sich die sieben Emirate nur langsam. Noch 1990 zum Beispiel stehen in Dubai an der einen einzigen, schnurgeraden Straße gerade sieben Hochhäuser. Rundherum ist Sand. Seither haben die ehemaligen Beduinen, Fischer und Perlentaucher ihre Wüste vor allem in den Regionen Abu Dhabi und Dubai in rasendem Tempo bebaut. Heute leben im Emirat Dubai ca. 1,3 Millionen Einwohner, davon über 80 Prozent fremdländische Arbeiter. Dubai City ist weltberühmt für seine künstlichen Siedlungsinseln in Palmenform, als internationaler Finanzmarktplatz, als Shoppingzentrum und Touristenmekka – ein arabisches Las Vegas mit sechsspurigem Verkehrsstau, nächtlichen Ferrari-Rennen der Scheich-Söhne und Bürotürmen rundherum.
Da wird es dann wohl auch Zeit für die schönen Künste, zumal das weniger reiche Nachbar-Emirat Sharjah sich bereits seit 1993 mit einer Kunstbiennale als Kulturhauptstadt positioniert und der superreiche Nachbar Abu Dhabi seit mehr als einem Jahr den gigantischen Kulturbezirk auf der „Saadiyat Island“ konzipiert: ein Guggenheim, ein Louvre, ein Performance-, ein Meeres- und ein Nationalmuseum sollen entstehen und dazu 19 Biennale-Pavillons entlang eines künstlichen Kanals. Einen Tag vor Eröffnung der Kunstmesse in Dubai wurde in Abu Dhabi der Vertrag mit dem Louvre Paris unterzeichnet.
Jetzt jedenfalls hat in Dubai die erste Kunstmesse der Emirate eröffnet – wohl in Konkurrenz zu Abu Dhabi, das zum Auftakt des neuen Kulturbezirks im November diesen Jahres seinerseits eine Kunstmesse (im pompösen Luxus-Hotel „Emirates Palace“) veranstalten wird, oder auch als Konsequenz von Dubai als Standort für Finanzen und Konsum. Möglicherweise hat sich die Gattin des Scheichs zur Schirmherrschaft über die Messe – und damit Erfolgsgarantie – auch entschlossen, damit das i-Tüpfelchen auf die Identität ihres Landes als moderne Nation zu setzen. Wie auch immer: Eine Kunstmesse passt perfekt in das schillernde Dubai.
Zudem entsteht gerade eine kleine, optimistische Galerienszene – etwa die B21 Gallery, gerade gegründet von dem in Palästina geborenen Maler Jeffar Khaldi, oder die Galerie Total Arts, die zur Kunstmesse eine von der aus Ägypten stammenden Künstlerin Nadine Hamman unter dem Titel „Dubai Dubai“ kuratierte Gruppenausstellung zeigt. Die bekannteste Galerie Dubais ist The Third Line, die auch als einzige aus den Emiraten die hohen Standmieten der Gulf Art Fair von 600,- US-Dollar pro Quadratmeter in Kauf nimmt. Zum Vergleich: Das Art Forum in Berlin kostet 180,-, die Art Basel 360,- Euro, nicht mitgerechnet die Extras wie Licht und ähnliches. So hoch wie die Preise ist übrigens auch der Anspruch der Gulf Art Fair, denn die Messe will nichts weniger als „den Mittleren Osten als geistiges Zuhause für zeitgenössische Kunst verstärken“ (John Martin) und zur zentralen Messe für russische, arabische und indische Sammler werden.
Yves Klein
Angelegt als „globale Kunstmesse mit Betonung auf zeitgenössischer Kunst aus dem Mittleren Osten und Südasien“ (J. Martin), tasten sich 41 internationale Galerien vorsichtig an den neuen Markt heran: Die einen entscheiden sich für lokale Vorlieben und bieten goldfarbene Werke oder Bilder mit Pferde-, Vogel- und Kamel-Motiven an. Die anderen setzen auf große Namen wie Yves Klein (zwei Tische zu 50.000,- US-Dollar bei Ben Brown Fine Arts, London), Alexander Calder (Maquette für 320.000,- US-Dollar bei MAM Mario Mauroner Contemporary Art, Wien) und vor allem Mengen von – eher kleinformatigen – Werken von Keith Haring (Vase für 275.000,- US-Dollar bei Max Lang, New York), Andy Warhol und Damien Hirst.
International Bekanntes gab es auch bei der Londoner Galerie White Cube mit Mona Hatoums Marble Slicer, in der Galerie Krinzinger aus Wien mit Chris Burdens Pistolenmunition für 45.000,- US-Dollar, bei Continua aus Peking mit einer großen Monitorinstallation von Nam June Paik für 480.000,- US-Dollar, in der Galerie Sfeir-Semler, Hamburg/Beirut, mit einer fünfteiligen Fotoserie der Atlas Group für 38.000,- US-Dollar oder der Münchner Galerie Thomas, die mit einem großen Gemälde von Sam Francis für 1,25 Millionen US-Dollar angereist war. Der allgemeine Tenor lautete Abstraktion. Alle Galerien mussten ihre Auswahl im Vorfeld der Messe zur Begutachtung einreichen, denn das islamische Abbildungsverbot galt auch hier. Die meisten Überraschungen zeigte Albion aus London mit Fotografien von unter anderen Shilpa Gupta und Simry Gill, zwei bisher nur von Biennalen bekannten Künstlerinnen. Ebenso sehenswert Kader Attias Video mit Zuckerwürfeln, die langsam von Öl zerfressen werden: „white cube of sugar drinking to much oil „erklärt es der Franzose mit knappen Worten.
Nach den ersten beiden Tagen entsprachen die Verkäufe noch nicht den hohen Kosten und Erwartungen und auch die wohlhabenden Russen und Inder wollten sich nicht einstellen – zumindest nicht in auffälliger Zahl. Doch die Stimmung war hochoptimistisch, das Wetter und der Strand großartig, die vielen Gespräche mit Otto Piene, Wim Delvoye, Jan Fabre, Jack Persekian, Mon Mullerschoen oder auch Judith Greer im „Global Art Forum“-Zelt unterhaltsam, die Skulpturen im Außenbereich der Messe verbesserungswürdig und das Interesse des lokalen Publikums mit 9000 Besuchern für Dubai durchaus beachtlich.
Und dann war da noch der „Think Tank“ mit internationalen Künstlerinnen, Künstlern, Kuratorinnen und Kuratoren, die einen Vormittag lang Konzepte für das Projekt „Dubai als Kulturhauptstadt“ entwickelten – die Gulf Art Fair ist also offensichtlich nur der Anfang eines weiteren ehrgeizigen Schritts im Ping-Pong-Spiel mit Abu Dhabi. Auf Abu Dhabis „Saadiyat Island“ sollen ab 2012 neben den bereits genannten hochkarätigen Museen auch eine Kunst- und eine Architekturbiennale sowie eine Kunstmesse stattfinden, Kunst im öffentlichen Raum geboten und Möglichkeiten für „Artists in Residence“ geschaffen werden. Das Duell der Emirate hat gerade erst begonnen.
DIFC (Dubai International Financial Centre) Gulf Art Fair, Dubai. Vom 8. bis 10. März 2007
veröffentlicht in: www.artnet.de, 19.3.2007