1. Vienna Biennale: Ideas for Chance

13. Jun. 2015 in Biennalen

Wollen wir eine nachhaltige, lebenswerte Zukunft, dann brauchen wir einen radikalen Wandel unserer Einstellung! Diese klare Ansage steht am Beginn der 1. Vienna Biennale, die uns im Titel „Ideen für Veränderungen“ verspricht

 

Grapik: büro bauer, Wien

Anders als in der Moderne herrscht heute kein Vertrauen mehr in die Zukunft: Statt Fortschrittgläubigkeit dominieren Schlagworte wie Klimawandel, Ressourcenmangel, Überbevölkerung, Verstädterung die Diskussionen. Das Morgen schaut düster aus. Diese Weltlage ist zwar schon lange bekannt, aber an Taten folgt kaum etwas. Politik und Wirtschaft agieren hilflos bis verschlimmernd. Mit der Vienna Biennale werden jetzt also die Kreativen ins Spiel gebraucht, um die Welt zu retten – oder uns zumindest zeigen, wie wir leben wollen und sollen. Dafür treffen Kunst, Architektur, Graphik- und Produktdesign in acht Einzelprojekten aufeinander, die über die Stadt verteilt sind: im Franz-Josefs-Kai 3, Kunsthalle Wien, im Architekturzentrum Wien (AzW) und fünf Ausstellungen im Museum für Angewandte Kunst (MAK). Diese Kooperationen der Institutionen funktionieren einwandfrei, aber wird das Versprechen der ´Ideen für Veränderungen´ auch eingelöst?

Uneven Growth. Foto Georg Mayer

Tatsächlich birgt diese Biennale ein Feuerwerk an Ideen, auch wenn die nur selten visionär sind. Zudem ist es schwierig, die freizuschaufeln. Denn die Menge des Ausgestellten ist erschlagend. Das beginnt im MAK mit „Uneven Growth: Tactical Urbanism for expanding megacities“ (kuratiert in Kooperation mit dem MOMA, NY). Überladen wie der Titel ist auch die Präsentation, deren reichhaltiges Material zu neuen architektonischen Möglichkeiten für Megacities in einem Buch faszinieren könnte.

Uneven Growth. Foto Georg Mayer

Aber plakatiert auf Wänden ist es eine Zumutung. Die Idee, dass sich nicht alles für Ausstellungen eignet, wäre da eine willkommene Änderung.

2051. Kuratoren Harald Gruendl u. Thomas Geisler. Foto Peter Kainz

Weitaus raumgerechter ist „2051: Smart Life in the City“. Tafeln mit plakativen Fragen hängen wie thematische Anker von der Decke: „Was wäre wenn der Bankensektor ohne Finanzspekulationen auskommen müsste?“ Ja, das wäre eine gewaltige Veränderung! Aber das liegt leider außerhalb der Macht dieser Biennale, die sich mit Symbolischem begnügen muss. Das zentrale und ganz zeitgeistige Schlagwort in „2051“ ist das „Gemeingut “ – ein großartiges Konzept, die Basis unserer bürgerlichen Gesellschaft in Europa. „Eigentum ist Diebstahl an der Gemeinschaft“ schrieb Alfred Sohn-Rethel einmal sehr weise – man denke nur an die Privatstrände von Seen.

Aber darauf läuft „2051“ nicht hinaus, es werden Bereiche wie Schule, Fabrik, Krankenhaus, Einkaufszentrum, Straße, Stadion herausgegriffen und Optimierungen vorgeschlagen: Ressourcen sollen geschont, das Zauberwort Partizipation wird genannt, Nachbarschaft und Gemeinschaft betont. All das gab es lange und es verschwindet zunehmend in der neoliberalen Wirtschaft, in der Gemeingut wie Wasser, Pflanzen, Sonnenlicht zur Ware wird. Wer zahlt, dankt nicht. Wer Geld hat, nimmt keine Rücksicht. Reichen da gut gemeinte, ´kreative´ Ideen, um diese verheerende Spirale aufzulösen?

Future Light, Kuratorin Maria Lind. Foto Peter Kainz

Aber vielleicht steuern ja die Künstler bisher verborgene Ideen und Lösungswege vor?

24/7: the human condition, Kuratorin Marlies Wirth. Foto Aslan Kudrnofsky

Unten im Untergeschoß des MAK wird in „24/7: the human condition“ mit den Werken von 18 KünstlerInnen eher diffus nach den „Bedingungen von Menschsein, Arbeit und Selbstbestimmung“ gefragt.

24/7: human condition

Oben versammelt „Future Light“ siebzehn KünstlerInnen und krakt aus in die Kunsthalle Wien als zweitem Ort mit weiteren Künstlern (Pauline Boudry, Renate Lorenz) – Desorientierung und Verzettelung scheint eine den Projekten gemeinsame Idee für Veränderungen zu sein. Verwirrung statt Klarheit – ein interessanter Vorschlag!

Future Light

Diese Methode ist tatsächlich das Thema von „Future Light“, wo von „nicht-durchdringendem Licht“ die Rede ist – statt der Transparenz der Aufklärung also „Undurchsichtigkeit, Abstraktion und Schatten“ (Pressetext). Wenn die Künstler wirklich „Spürhunde“ und „Seismographen“ sind, wie es die Kuratorin sagt, dann sieht die Zukunft wohl noch düsterer aus als angenommen. Bebildert werden diese Ideen mit Faltobjekten (Rana Begum), geometrischer Malerei (Doug Ashford) und den wunderschönen Spiegelmosaiken der Iranerin Monir Shahroudy Farmanfarmaian, die darin Tradition und Moderne verbindet.

 

Shezad Dawood, Why depend on space and time, 2014

Ohne die große Installation von Haegue Yang würden diese Werke völlig unzusammenhängend erscheinen.

Haegue Yang, Escaping Transparency, 2011

Ihre Formation aus Ventilatoren, Wäscheständern und Jalousien nennt Yang „Escaping Transparency“ – das klingt weitaus klüger als die Idee des opaken Lichts. Darin könnte tatsächlich ein wichtiger Impuls für Veränderungen liegen, denn die manische Suche nach Transparenz führt deutlich nicht zu einer besseren Gesellschaft, sondern zu Überregulierungen.

Und die Architekten im AzW? Auch dort herrscht Visionsfreiheit. Die sieben Büros sind bei ihren Einreichungen für die Seestadt Aspern zu verblüffend identischen Lösungen gekommen. Die geforderte Nutzungsneutralität für offene Adaptionsmöglichkeiten tötet wohl die Experimentierfreudigkeit.

 

Atelier Kempe Thill

 

Hild und K Architekten

Einzig die Ergebnisse des „Vienna Biennale Circle“, die oben in der Säulenhalle des MAK abseits der Ausstellungsräume präsentiert sind, nähern sich dem Versprechen auf ´Ideen für Veränderungen´.

Foto Georg Mayer

In dem gemeinschaftlich erarbeiteten Manifest wird die Zukunft der Arbeit untersucht und zwölf Forderungen gestellt: Konsum soll „als Richtungsentscheidung für oder gegen den Fortbestand menschlicher Arbeit“ gewertet, „Handwerk nicht als Luxus für einige wenige akzeptiert“ werden und vor allem sollen Architektur, Design und Kunst auch politisch wirken. Hier, und nur hier, wird die Biennale endlich so politisch, wie es das Thema dringend erfordert.

veröffentlicht in: Die Presse, 12.6.2015

Vienna Biennale, 11.6.-4.10.2015

Graphik Design Vienna Biennale: büro bauer, Wien