10. Art Dubai 2016

28. Mrz. 2016 in Kunstmesse

Archana Hande, The Golden Feral Trail. Chemould Gallery,Mumbai

Archana Hande, The Golden Feral Trail. Chemould Gallery,Mumbai

Der Ölpreis kletterte Richtung Rekordhoch und der Kunstmarkt folgte dem Trend. In dieser Situation beschloss der Londoner Banker Benedict Floydl: „Dubai braucht eine Kunstmesse.“ Zusammen mit dem Galeristen John Martin gründete er 2007 die Art Dubai. Heuer feiert die Messe ihr zehnjähriges Jubiläum.
dubaiMittlerweile ist der Ölpreis im Keller, die Region von Kriegen und religiösen Grabenkämpfen zerrüttet, Gewalt und Tod allgegenwärtig. In Dubai aber ist davon nichts zu spüren – im Gegenteil: Gerade wurde ein Ministerium für Glück eingerichtet. Und auch die Art Dubai scheint in dem luxuriösen Ambiente des Madinat Jumeirah Hotels von den Umbrüchen fast unberührt zu bleiben – wären da nicht die vielen Kunstwerke, die drastische bis humorvolle Bilder für eine Welt finden, die aus den Fugen geraten ist.
eröffn2Der spannendste Trend dabei: der Blick zurück nach vorne. Denn einerseits wird die Kunst der Moderne des Nahen Ostens wiederentdeckt. Andererseits bedient sich die junge Generation der Geschichte, wenn Historisches mit Gegenwärtigem verknüpft wird.

Murat Palta, Filmplakat Scarface

Murat Palta, Filmplakat Scarface

Besonders beliebt sind dafür Ornamente und die persische Miniaturmalerei: Im traditionellem Stil gemalt, kämpfen die Helden heutiger Computerspiele mit persischen Soldaten (Murat Palta bei X-ist Gallery), im Ornament rund um harmlose Bildszenen kreisen Panzer (Farah Ossouli bei Dastan) und Flugzeugbomben sind mit Ornamenten überzogen, die jeweils für einzelne Länder spezifisch sind (Katya Trabulsi bei Agial Art Gallery).

Katya Trabulsi

Katya Trabulsi

Man mag manche dieser Werke kitschig finden, verkennt dann allerdings, das in der Kunst des Nahen Ostens eine neue Bildsprache gesucht wird – und das ist nirgendwo so deutlich zu beobachten wie auf der Art Dubai, die in nur zehn Jahren als maßgeblicher Entwicklungstreiber die Kunstszene der gesamten Region umkrempelte.

Yves Klein auf der Gulf Art Fair, die 2008 in Art Dubai umbenannt wurde

Yves Klein auf der Gulf Art Fair, die 2008 in Art Dubai umbenannt wurde

Dabei war der Anfang alles andere als erfolgsversprechend. Zur ersten Ausgabe 2007 kamen vor allem westliche Galerien ohne jegliche Idee, was sie eigentlich wem in dem Wüstenstaat anbieten sollten. Damals gab es in den Emiraten kaum eine Galerien, keine Künstler, in der Region kaum Sammler, keine Museen. Also entschieden sich die angereisten Galeristen ganz Klischeefreudig für Bilder von Pferden, Falken, Kamelen für die Scheichs, dazu viel Teures von Yves Klein, Damien Hirst, Keith Haring.

Gulf Art Fair, Global Forum 2007 // SBV

Gulf Art Fair, Global Art Forum 2007, damals noch direkt am Strand  // SBV

Aber die Geschäfte liefen schlecht, auf Westkunst wartet hier niemand. 2008 konnten zwar die indischen Galerien ihre Stände schon am Eröffnungsabend ausverkaufen. Aber 2009 stürzte der Ölpreis dramatisch ab. In den Emiraten standen die Baukräne still, die indische Kundschaft blieb aus, die erwarteten Russen tauchten nie auf und der regionale Markt war kaum entwickelt. Doch durch die politischen Unruhen im Nahen Osten zogen bald immer mehr Künstler aus Syrien, Libanon, Pakistan und Saudi-Arabien in das partyfröhliche, liberale Emirat am Golf. Mit jeder neuen Ausgabe der Art Dubai reisten neue Sammler aus Kuwait, Jordanien, Irak und Indien an – eine Tendenz, die auch Sotheby´s bestätigt: 2015 verzeichnete das Auktionshaus einen Zuwachs von 16 % der Klienten aus dem Nahen Osten.

Omar

Omar E-Nagidi,Sarajevo, 1992

Und Christie´s, die heuer ebenfalls ihr zehnjähriges Jubiläum in Dubai feiern, meldeten für ihre „Now and ten – modern and contemporary art“-Auktion am 16. März den Rekordumsatz von 11.949,752 Dollar. Das Top-Los, „Sarajevo“ aus dem Jahr 1992 von dem 1931 in Ägypten geborenen Omar E-Nagidi, brachte 1.145.000,- Dollar – weit über dem Schätzpreis von 400.000-600.000 Dollar. Insgesamt konnten 18 Auktionsrekorde für Kunst aus der Region gebrochen werden.

Haupteingang zum Galerienzentrum Alserkal Avenue // SBV

Haupteingang zum Galerienzentrum Alserkal Avenue // SBV

Diese Aufbruchsstimmung lockt immer mehr Galerien nach Dubai. Manche bringen hier ihre Sammlungen in Sicherheit, andere wie Ayyam aus Beirut oder Dastan aus Teheran betreiben hier Filialen. Dadurch entstanden zwei starke Galeriezentren, eines mitten in Downtown, das andere in dem Industrieviertel Alserkal Avenue.

neue Gebäude in der Alserkal Avenue // SBV

neue Gebäude in der Alserkal Avenue // SBV

Zwischen lauter lausigen Autowerkstätten haben sich dort mittlerweile 15 Händler eingemietet.

Galerie Stephane Custot, Dubai // SBV

Galerie Stephane Custot, Dubai // SBV

Pünktlich zur Art Dubai eröffneten The Third Line, die New Yorker Leila Heller Gallery und als neuester Zugang der ehemals Paris, dann Londoner Nachkriegskunst-Händler Stephane Custot ihre neuen, Kunsthallen-ähnlichen Räume. Das schaut aus wie in New York, allerdings ist hier die Kunstsaison auf höchstens fünf Monate beschränkt – die übrige Zeit ist es mit Temperaturen über 50 Grad schlicht zu heiß.

// SBV

// SBV

Aber das Hauptgeschäft machen die Galerien eh im März, wenn die Art Dubai stattfindet. Heuer nehmen 95 Galerien aus 40 Ländern mit 500 Künstlern aus 70 Ländern teil. Fast gestürmt wurden zur Eröffnung die drei Galerien aus Teheran – offensichtlich eine Folge der Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran, die nach fast zehn Jahren wieder internationale Finanztransaktionen erlauben. Am Stand von Dastan (Teheran/Dubai) musste Galerist Hormoz Hematian immer wieder die Skulptur von M. H. Gholamzadeh erklären: Eine vom Absturz bedrohte Figur trägt einen knallorangen Ring um den Hals – die Farbe stehe für Gefahr, die Skulptur sei eine Metapher: Der Rettungsring helfe nicht beim Absturz, die gesellschaftliche Situation im Iran sei durch die Aufhebung der Sanktionen noch längst nicht entschärft.

M. Hossein Gholamzadeh // SBV

M. Hossein Gholamzadeh // SBV

Aber nicht alle Künstler finden so bedrohliche Bilder. Yay Gallery aus Aserbaidschan präsentiert die schwarzen Plexiglaswerke von Orkhan Huseynov: „Muslims in Space“ heißt die humorvolle Serie, auf der ein Astronaut auf dem Mond zum Beten niederkniet und die Weltraumrakete die Form einer Moschee hat. Für „Kufic Pacman“ hat Huseynov die kleinen Monster des Computerspiels in Symbole für verschleierte Frauen verwandelt, die durch das Labyrinth gejagt werden – trotz stolzer 8000,- Euro war die Dreieredition sofort ausverkauft.

Ok Kufic Pacman. Yay Gallery, Baku

Orkan Huseynov, Kufic Pacman. Yay Gallery, Baku

Denn gefragt ist alles, was zu der Region gehört. Und darauf lassen sich auch alle Teilnehmer ein, wenn die Berliner Galerie Carlier-Gebauer auch ein Objekt der gebürtigen Ägypterin Iman Issa und eines der tiefschwarzen „Brick“-Bilder von Maria Taniguchi zeigt, die aus den Philippinen stammt – dem diesjährigen Gastland der Messe. Die Wiener Galerie Krinzinger konnte gleich am Eröffnungsabend ein Werk des Libanesen Alfred Tarazi an einen Schweizer Sammler verkaufen – Tarazi thematisiert den Bürgerkrieg in Beirut. Bei Marianne Boesky aus New York ging eine der dekorativen, perforierten Papierarbeiten von Diana Al-Hadid für 55.000,- Dollar an einen ägyptischen Käufer.

Art Dubai, Modern Sector // Art Dubai

Art Dubai, Modern Sector // Art Dubai

Und auch in der Sektion Modern Art, die Antonia Carver als neue Messedirektorin 2014 eingeführte, verkauften die dreizehn Galerien schon am ersten Abend bestens, Grosvenor Gallery (London) etwa die Lithographieserie von Syed Sadequain, die der 1923 geborene, pakistanische Maler für Albert Camus´ Novelle „Der Fremde“ schuf (20.000,- Dollar) – die Geschichte der arabischen Moderne, das ist in dieser Sektion unübersehbar, ist eng verbunden mit Paris in den 1950er Jahren.

Zelt des Vortragsprogramms Global Forum, Art Dubai 2016 // SBV

Zelt des Vortragsprogramms Global Art Forum, Art Dubai 2016 // SBV

Die erstaunliche Erfolgsgeschichte der Art Dubai erfreut aber nicht nur die Galerien, sondern erweckt offensichtlich auch das Interesse der Schweizer Messespezialisten. Schon letztes Jahr wurde erzählt, dass die Art Basel diesen Markt einfangen will, denn bisher reisen nur wenige Sammler dieser Region an den Rhein. Jetzt heißt es sogar, dass die MCH-Gruppe mit ihrem Wunsch, regionale Kunstmessen einzukaufen, die Art Dubai schlucken will. Messegründer John Martin sieht das gelassen: Im ersten Jahr hieß die Messe noch Gulf Art Fair, denn sie hätten lange dafür kämpfen müssen, den Namen des Emirats zu verwenden. Bei einem Verkauf, so Martin, geben die Scheichs den Namen sicher nicht weiter. Denn hier zählt vor allem die enge Verbundenheit mit der Region – darin liegt das Erfolgsgeheimnis der Art Dubai.
veröffentlicht in: Welt, 19.3.2016

John Martin // SBV

John Martin // SBV