11. bzw. 1. Viennafair

13. Okt. 2015 in Kunstmesse

sonderschau

Das Wiener Kunstmarkt-Karussell dreht sich weiter: Gerade erst schloss die Vienna Contemporary erfolgreich mit 27.725 Besuchern, da eröffnet zwei Wochen später mit der Viennafair schon die nächste Kunstmesse. Während die eine große Begeisterung auslöste, macht die andere etwas ratlos.

Aber der Reihe nach: Im Dezember wurde bekannt gegeben, dass die Viennafair einen neuen Namen, neuen Termin und neuen Standort bekommt. Damit lag der alte Namen nach zehn Jahren herrenlos auf Eis und so schnappte sich das Ehepaar Pelz mit ihrer Art Port GmbH die gut eingeführte Marke. Mit ihrer 2008 gegründeten, rein österreichischen Art Austria sammeln sie schon einige Jahre Messe-Erfahrungen – und die brauchten sie jetzt auch für ihr neues Projekt. „Wir starteten nicht bei Null, sondern bei Minus Dreißig“, fasst Wolfgang Pelz die Situation zusammen. Die Vorbereitungszeit für die Viennafair war enorm kurz, erst im April unterzeichneten sie den Vertrag als neuer Lizenznehmer. Da war der Messekalender der meisten Galerien bereits durchgeplant. Keine der renommierten Wiener Galerien ließ sich zur Teilnahme überreden und auch die angestrebte internationale Ausrichtung erwies sich als weitaus schwieriger denn erwartet.

 

Cora Pongracz, Franz West, Werkgruppe „verwechslungen“, Wien, 1977 © Fotosammlung OstLicht

Cora Pongracz, Franz West, Werkgruppe „verwechslungen“, Wien, 1977 © Fotosammlung OstLicht

Aber der Standort und auch der Termin konnten beibehalten werden. So gelang jetzt pünktlich im Oktober der Start. 23000 Quadratmeter bespielt die Messe, insgesamt gäbe es heuer mehr Kunstflächen als je zuvor, durchschnittlich 50 Quadratmeter für jeden Stand, erklärt Pelz. (Anmerkung: Auch die von Pelz genannten u hier blauäugig zitierten 23.000 Quadramtmeter waren  gelogen – es waren nur 10.000!)  Tatsächlich beginnt die Messe sehr großzügig, gleich in der ersten Reihe zeigt die Galerie Ostlicht eine Soloschau der österreichischen Fotografin Cora Pongracz. Die Portraits von Franz West oder von Otto Muehl-Aktionen stammen aus dem Nachlass, Ostlicht kaufte gerade die 42.000 Negative und 1100 Originalabzüge aus der Zeit der österreichischen Avantgarde seit den 1970er Jahren an.

Ausstellungsansicht Kinesis, Foto S. Gutbrunner

Ausstellungsansicht Kinesis, Foto S. Gutbrunner

Aber nicht nur die Stände, auch die Sonderschau „Kinesis – eine Studie zur Bewegung im Bild“ ist mit über 60 KünstlerInnen auf 500 Quadratmetern großzügig angelegt. Die Irritation der Wahrnehmung durch optische Effekte oder bewegte Bildelemente ist ein spannendes Thema, dass Kuratorin Angela Stief überzeugend entfaltet. Sie seien stolz auf die vielen privaten und institutionellen Leihgeber für diese Schau, betont Pelz – einige davon zählt er auch als Aussteller mit.

Leihgeber als Aussteller? Mehr als 90 Galerien aus 12 Ländern kündigt der Pressetext an. Auf der Ausstellerliste sind jedoch nur 42 im zeitgenössischen und 16 in der neuen Sektion ´Masters´ zu finden, der Kunsthandel Kovacek teilt seinen Stand in beide Bereiche auf. Wie kommt dann die Zahl 90 zustande, wo sind die übrigen 33? Weitere Galerien „verbergen sich in der Gruppenschau Kinesis“, erklärte Pelz beim Messerundgang, denn die hätten für ihre Leihgaben bezahlt und werden also mitgezählt.

Noch flexibler werden die Kategorien in der zweiten, ebenfalls von Stief kuratierten Schau „Colores Uniti“ gehandbabt. Die Werke der neun KünstlerInnen sind zwar als Sonderschau gekennzeichnet, aber die ausliegende Preisliste inklusiv Kontakttelefonnummer betont die Verkäuflichkeit. Hier wird die Kuratorin Stief unter ihrem Pseudonym Lotte Sonnenstein zur Kunsthändlerin, die sich die Werke aus dem Atelier, vor allem aber von Galerien ausleiht – und deren Namen gleich unübersehbar dazuschreibt: weitere Kandidaten für die Gesamtzahl. Manche sahen diese Mogelei gelassen, sogar als „Kompliment an die Galerien, die die Messe gerne hätte“, wie es einer augenzwinkernd kommentierte. Andere waren verärgert. Noch am Eröffnungsabend mussten einige Galerie-Namen schnell entfernt werden.

Sonderschau Colores

Sonderschau Colores

Nahezu jede internationale Kunstmesse bietet ein Gesprächsprogramm an. Leider verzichtet die neue alte Viennafair darauf, obwohl sich vor allem die Praxis ´Kurator = Kunsthändler´ für eine hochspannende Diskussion anbietet: Was bedeutet es für die Galerien, wenn Kuratoren zugleich verkaufen? Kann das Modell einer kuratierten Verkaufsausstellung ohne Standgebühren auch von Galerien in Anspruch genommen werden? Ist dieses Modell innovativ – oder eher unprofessionell?

Aber nicht nur hier zeigt sich die Viennafair unkonventionell. Auch die beiden Bereiche ´Zeitgenössisch´ und ´Masters´ bieten Überraschungen: Architektonisch und farblich zwar klar voneinander abgegrenzt, treffen wir immer wieder auf dieselben Namen, Hubert Scheibl, Gunther Damisch, Hermann Nitsch, Max Weiler. Aber lassen wir die lästige Unterscheidung zwischen Leihgeber und Aussteller, Kurator und Kunsthändler, Master und alles andere einfach fallen und konzentrieren uns nur auf die Kunst. Da sehen wir auf der Viennafair vor allem figürliche Malerei und allerlei kleine Objekt mit Hang zum Kitsch. Während der Kontrast zur Vienna Contemporary damit größer kaum sein könnte, ist die gemeinsame Schnittmenge mit der Art Austria auffallend groß. Manche Aussteller präsentieren sich hier sehr ähnlich wie auf der Schwestermesse im Frühjahr im Leopold Museums – die auch definitiv weiterhin stattfinden soll, wie Pelz beteuert. Aber rechnen sich drei Kunstmessen in Wien, von denen zwei nahezu ident sind? Pelz sieht es zuversichtlich, er sieht noch „Platz nach oben“ und hat für die nächste Art Austria schon ein Gastland angekündigt: Australien.

Viennafair, Messe Wien, Halle A, 6.- 11.10., 11-19 Uhr