29. Art Brussels 2011

02. Mai. 2011 in Kunstmesse

29. Art Brussels 2011

Auf dem Boden liegt ein lebensgroßes Krokodil. Über seinen Körper sind lauter weiße Punkte verteilt. Dieser an Windpocken erinnerende Eingriff ist zwar eine Art Markenzeichen des Künstlers Capitaine Lonchamps. Aber hier auf der 29. Art Brussels kann sein Werk am Stand der Nadja Vilenne Gallery geradezu programmatisch gelesen werden: Windpocken sind eine harmlose Krankheit, aber hoch ansteckend. Genau das könnte auch die Diagnose für die Messe sein: hier kränkelt etwas. Und zwar nicht nur die Art Brussels, sondern das ganze Feld der viel zu vielen Kunstmessen.

Immer mehr Messen werden veranstaltet, nach London, Basel und Köln  gehören New York, Wien und Madrid, jetzt auch Singapur, Hong Kong und  Mexiko zur Landkarte des Handels mit zeitgenössischer Kunst. Der Kunstmarkt ist global geworden und besonders die europäischen Galerien nehmen weltweit teil. Auf der Art Brussels etwa kommt nur ein Viertel der 170 Aussteller aus Belgien, die übrigen großteils aus Frankreich und Deutschland, dieses Jahr dazu neun Galerien aus Österreich, aber auch aus Mexiko, Chile, Indien. Lokal ist nur das Publikum: 70% der gut 30.000 Besucher kommen aus Belgien.

Zudem finden all diese Messen in allzu kurzem Abstand hintereinander statt. Immer häufiger hört man die Überlegung, ob man nicht auf manche Messen, etwa auf die Artforum in Berlin, ganz verzichten sollte – was nicht zuletzt aufgrund des erfolgreichen Berliner Gallery Weekend plausibel erscheint. Dort wird nämlich in den Galerieräumen ausgestellt, in einer umfangreichen Ausstellung, und durchaus auch sperrige Positionen – also diametral entgegen gesetzt zu der Tendenz von Sparständen und Dekokunst auf Kunstmessen.

Denn das ist die Bilanz der letzten Messen: Ob vor zwei Wochen auf der Art Cologne oder jetzt in Brüssel, radikale, irritierende oder gar provokante Kunst ist kaum noch zu finden. Es dominieren nette Harmlosigkeiten. Das kann man den einzelnen Messen kaum zum Vorwurf machen, nicht einmal den Galerien. Es betrifft das gesamte System. Es ist die konsequente Entwicklung eines verwirrend globalen Kunstmarkts, der immer größer und kommerzieller wird, auf den immer mehr ungeschulte Sammler kommen, darunter auch Investoren, die nur schnelle Gewinne suchen. Da wundert es nicht, wenn die Galerien immer weniger komplexe inhaltliche Positionen und immer mehr dekorative Werke anbieten.

Aber auf der Art Brussels ist dies besonders schmerzhaft, denn diese Messe hat sich über die letzten Jahre als überzeugende Entdeckermesse für spannende, junge Positionen etabliert – und außerdem gibt es kaum ein anderes Land, in dem so viele so hervorragend informierte Kunstsammler leben. Die waren durchaus zahlreich zur Eröffnung gekommen. Auch wurde angemessen verkauft. Aber Enthusiasmus kam dieses Jahr keiner auf. Sicherlich konnte man auch hervorragende Werke entdecken. Aber dieses Jahr setzten so viele Galerien auf Kleinformatiges, auf wenig experimentierfreudige Malerei, figurative Zeichnungen und dekorative Skulpturen, das diese Hürde voller Harmlosigkeiten erst einmal überwunden werden musste. Verschärfend kam noch hinzu, dass in der Halle 1 unmittelbar nach dem Eingang viel zu viele, kleine Stände eine eher kleinkrämerische Stimmung erzeugten. Wie notwendig auf Kunstmessen große Kojen sind, zeigte die Halle 2, in der die arrivierten Galerien ihre Waren großzügig präsentierten.

Die zunehmenden Sparversionen störten schon auf der ARCO in Madrid, waren dort aber am Hallenrand aufgereiht. In Brüssel sind die kleinen Stände der „Young Talents“ aneinander gereiht und die 14 gesponserten und daher viel zu kleinen „First Call“-Kojen um einen Platz herum zusammengeballt. Das gibt eindeutig ein falsches Signal – denn zum Sparen kommt ja eigentlich niemand auf eine Kunstmesse.

29. Art Brussels, 28.April – 1.Mai 2011

Österreichische Galerien: Ernst Hilger, Grita Insam, Krinzinger, Krobath, Layr, Mario Mauroner, Meyer Kainer, Elisabeth & Klaus Thoman

Die Presse, 2.5.2011