Krise und Aufbruch am Persischen Golf – Art Dubai und Sharjah Biennale 2009
Die Baukräne stehen gespenstisch still. Ein Großteil der Arbeiter musste das Land verlassen. Der Wohnungsmarkt ist eingebrochen, die Mietpreise sinken drastisch. Der höchste Büroturm bleibt niedriger, die geplanten Kulturprojekte sind verschoben – Dubai steckt tief in der Finanzkrise. Das Erdöl reicht gerade für den Eigengebrauch. Ohne den reichen Nachbarn Abu Dhabi könnte weder die Metro noch der Flughafen weitergebaut werden.
In dieser angespannten Situation eröffnet die 3.Art Dubai. Initiiert von dem britischen Galeristen
Martin, will diese Kunstmesse am Persischen Golf ein russisches, indisches und arabisches Publikum ansprechen. Letztes Jahr konnten die indischen Galerien ihren Stand in Rekordzeit ausverkaufen – dieses Jahr musste die renommierte Chemould Gallery ihre gesamte Ware wieder nach Mumbai zurückführen. Rote Punkte sind an kaum einem Stand zu sehen, auch die russischen Sammler interessieren sich noch immer nicht für die Reise nach Dubai und die arabische Kundschaft muss wohl erst noch aufgebaut werden.
Verkaufsmäßig ist die Art Dubai dieses Jahr ein Desaster, was zum einen an der Verunsicherung durch die Krise liegt, denn alle warten auf fallende Preise. Zum anderen wissen vor allem die westlichen Galerien noch immer nicht, was hier eigentlich wem verkauft werden kann. Dominierten im ersten Jahr Bilder voller Falken und Kamele, viel Gold und Kitsch die Stände, waren es im letzten Jahr vor allem ornamentale Werke. Dieses Jahr setzen die Galerien auf kalligraphische Elemente in den Bildern und auf KünstlerInnen mit nicht-westlicher Biographie. Da gibt es Spannendes zu entdecken wie Sama Aishaibis verführerischen Fotografien oder Nazgol Ansarinias Spiel mit Traditionen. Aber der Kunstmarkt kann weder dem Kunstbetrieb noch der Politik vorauseilen. Erst wenn die KünstlerInnen aus der MENASA-Region (Middle East, North Africa, South Asia) auch in internationalen Museen und hochwertigen regionalen Sammlungen ausstellen, wird sich ein funktionierender Markt bilden. So ist die Art Dubai für Galerien noch ein Wagnis – für Kuratoren dagegen eine Schatzgrube.
9. Sharjah Biennale
Die Entdeckungsfreude wird dieses Jahr noch potenziert, denn zeitgleich eröffnet im Nachbaremirat die 9.Sharjah Biennale. Chefkurator Jack Persekian verzichtet diesmal nahezu vollständig auf Superstars und Westkünstler. Einzige Ausnahme ist Lawrence Wiener. Der Großteil der diesmal nur 58, weitgehend unbekannten KünstlerInnen stammt aus der MENASA-Region. Voraus ging eine offene Einreichung. Aus den 250 Vorschlägen für ortsspezifische Projekte wurden 29 ausgewählt, darunter Maider Lopez´ Fußballfeld rund um die Laternen auf dem Platz vor dem Museum, die temporäre Radiostation auf den Schiffen im Hafen von der indischen Gruppe CAMP oder auch Nida Sinnokrots „Westbank Butterfly“. Sinnokrot spiegelt die Landkarte der israelisch „verwalteten“, westjordanischen Westbank zu einem Schmetterling und lässt es als verletzliches Objekt im Wind eines Ventilators flattern.
Ob poetisch oder plakativ, dokumentarisch oder symbolisch – die Region steht im Zentrum der Biennale. Nicht als zentrales Thema, denn auch darauf hat Persekian verzichtet, sondern als Grundbedingung. Diese Edition soll nicht nur eine Ausstellung sein, sondern vor allem ein Forum, um miteinander zu reden, voneinander zu lernen – um die Bedingungen zum Leben und Arbeiten der KünstlerInnen zu verbessern.
Mit diesem Konzept einer Bestärkung der Region schafft es Persekian, nicht nur eine der spannendsten Biennalen der letzten Zeit, sondern auch Sharjahs Bedeutung in der gerade beginnenden Umpositionierung der Emirate zu festigen. Galt bisher Sharjah als Kulturhauptstadt, beansprucht jetzt Abu Dhabi diese Rolle. Noch bevor 2012 die vier spektakulären Museen auf der Saadiyat-Insel eröffnen, will das reiche Abu Dhabi dieses Jahr bereits auf dem Arsenale-Gelände der Biennale Venedig mit einem Nationalen Pavillon und einer zweiten, speziellen Abu Dhabi-Präsentation auftreten. In Dubai entsteht die Galerienszene mit der trotz Krise noch immer vielversprechenden Art Dubai, in Sharjah findet mit der Kunstakademie und der Biennale die Arbeit an der Basis statt, Abu Dhabi wird das kommende Touristenziel – und zusammen haben die Vereinigten Emirate den erklärten Anspruch, zum kulturellen Zentrum der MENASA-Region zu werden.
veröffentlicht in: Die Presse, 29.3.2009