30. ARCO 2011

27. Feb. 2011 in Kunstmesse

 Tod oder Sieg – die ARCO lebt wieder

Kurz vor dem endgültigen Abstieg der ARCOmadrid in die Bedeutungslosigkeit hat der neue Leiter Carlos Urroz die spanische Kunstmesse überzeugend wiederbelebt.

Nackter Hallenboden, dunkles PVC in den Ständen, breite Gänge und karge Plätze in der Mitte – die 30. ARCOmadrid tritt radikal reduziert auf. Nachdem die Messe nach der Jahrtausendwende stetig gewachsen war, 2008 auf 50.000 qm mit 295 Galerien kam, immer bunter und poppiger wurde und mit über 200.000 Besuchern zum Volksfest mutierte, ist jetzt Sparkurs und Gesundschrumpfen angesagt. Auf nur mehr zwei von vormals drei Hallen mit nur 38.550 qm beschränkt, stellen 197 Galerien aus. Damit reagiert der neue Direktor Carlos Urroz auf die scharfe Kritik der wichtigsten spanischen Galerien, die in den letzten Jahren zunehmend wegen mangelnder Qualität ihre Teilnahme verweigerten.

Urroz, der in den 1990ern für die Messe und danach lange in der Galerie Helga de Alvear arbeitete, hat mit dieser Strategie die ARCO aus der Krise gezogen – und das führte in den beiden Eröffnungstagen zu bester Laune bis Euphorie. Manche Galerien konnten davon direkt profitieren, de Alvear etwa verkaufte gleich ein Bild von Katharina Grosse um 35.150,- Euro, die Galerie Krinzinger eine Arbeit von Angela de la Cruz für 17.000,- Euro. Doch bei aller Kauflust wurde nur selten die magische Grenze von 60.000,- Euro überschritten – eine Tendenz, die auf den Messen weltweit zu beobachten ist. Die Zeiten, als Sammler ohne zu zögern eine Viertel Millionen ausgaben, sind definitiv vorbei. Und daran kann auch das großzügige Sammler-Programm nichts ändern, zu dem die ARCOmadrid angeblich allein aus Lateinamerika 60 Paare eingeladen hat. Noch weniger übrigens kann auf russische Sammler gehofft werden. Eigentlich gäbe es höchstens zehn nennenswerte Sammler zeitgenössischer Kunst, erklärte einer, der ungenannt bleiben möchte.

Der Großteil des Ausgestellten sind natürlich spanische KünstlerInnen, allen voran Klassiker wie Antoni Tapies oder Antonio Muntadas, aber auch Georg Baselitz, Herbert Brandl, Imi Knoebel oder Jannis Kounellis. Manche Werke zogen die Blicke magnetisch an wie die kleinen Papier-Architekturen von Carlos Caraicoa bei den Solo-Projekten, oder der von der Decke hängende Regenschirm mit Soundinstallation von Bernhard Leiter bei Georg Kargl, für den sich sofort auch spanische Museumsleiter interessierten. Das zu Recht meist-fotografierte Motiv der Messe aber war der Dreier-Stand von Charim Ungar, Christine König und Gabriele Senn. Innen und außen mit einer Foto-Tapete von Elfie Semotans New Yorker Atelier beklebt, präsentierten die vier Galeristinnen darauf mutig-frech Werke von Dorothee Golz, Thomas Locher, Amelie von Wulffen und Michael Riedl.

Aber nicht nur Zeitgenossen waren gefragt. Viele Besucher suchten gezielt Künstler der Moderne. Davon profitierte die DAN Gallery aus Sao Paulo. Denn hier konnte man einige jener Künstler finden, die zeitgleich in der faszinierenden Ausstellung „Cold America“ in der Fundacion Juan March zu sehen sind. Mit über 300 Werken von über 60 Künstlern wird dort die geometrische Abstraktion in Lateinamerika von 1934 bis 1973 präsentiert – ein hoch spannendes Kapitel im immer umfangreicher werdenden Buch einer nicht mehr nur westlichen, sondern weltweiten Moderne. Die Ausstellung reagiert auf den diesjährigen lateinamerikanischen Schwerpunkt der ARCOmadrid – der allerdings sehr mager ausgefallen ist, wie auch das offizielle Gastland, Russland, mit nur acht Galerien enttäuschte. Diese Minimalversion eines Länderschwerpunktes mag eine Folge der radikal gekürzten Subventionen in Folge der Wirtschaftskrise sein – deren Auswirkungen übrigens auf der Messe allerorts abzulesen sind, wenn etwa führende Galerien immer weniger Quadratmeter mieten oder die portugiesischen Stände deutlich das Logo des portugiesischen Kulturministeriums tragen. Ohne die staatliche Unterstützung hätten diese Galerien gar nicht an der Messe teilnehmen können.

Mit mehr als 1 Mio. Euro unterstützt der spanische Staat und die Stadt Madrid die Kunstmesse – und das ist auch nötig. Die 250,- Euro Standmiete pro Quadratmeter alleine könnten das internationale Sammler-, Kuratoren- und Vortragsprogramm nicht finanzieren. Und erst dadurch wird die ARCO zu mehr als einem Kunstmarkt. In Spanien ist es ein Höhepunkt des Jahres, der von den Institutionen und Museen mit einem herausragendem Ausstellungsprogramm flankiert wird und wesentlich dazu beiträgt, dass die spanische Kunstszene international vernetzt wird. Und das ist mit dem Neustart jetzt wieder gesichert.

Die Presse, 27.2.2011