1955, mitten im Kalten Krieg, wurde eine der ältesten Biennalen in Europa im damaligen Jugoslawien gegründet. Bis heute wird das Format unter dem ursprünglichen Titel weitergeführt: Ljubljana Biennale of Graphic Arts . Heuer findet die 33. Ausgabe statt. Diese dezidierte Widmung, die damals nicht zuletzt aus Transport- und Kostengründen entstand, wird allerdings seit einigen Jahren zunehmend und fintenreich außer Kraft gesetzt. So folgte die 32. Ljubljana Biennale 2017 unter dem Titel „Birth As Criterion“ einem rhizomatischen Prinzip: Die Empfänger des Großen Preis der Biennale der letzten fünf Ausgaben (Jeon Joonho, 2007; Justseeds, 2009; Regina Jose Galindo, 2011; Maria Elena Gonzales, 2013; Istvan Ist Huzjan, 2015) wurden eingeladen, je einen Künstler ihrer Wahl zur Teilnahme zu nominieren, die wiederum insgesamt fünf weitere wählten. Zu den insgesamt 30 Teilnehmern gehörte auch das Künstlerduo Slavs and Tatars, die offenbar von der Biennale äußerst angetan waren. Laut der Internetseite Total Slovenia News brachten sie sich selbst als Kuratoren für die Ljubljana Biennale ins Gespräch: „Nevenka Šivavec, the director of the International Centre of Graphic Arts (MGLC), which organises the event, has told the STA that the collective has offered itself to curate this time after a successful appearance two years ago.“ (7.Juni 2019). Das in Berlin lebende „Kollektiv“, wie es sich nennt, um die Autorenschaft von Einzelpersonen abzulenken, suchte eine Verbindung zwischen Graphik und unserer Zeit. Sie fanden sie im Thema der Satire und luden zur 33. Ljubljana Biennale 34 KünstlerInnen ein, die in neun, über die historische Altstadt verteilten Räumen ausstellen.
Die Satire habe als bildsprachliche Methode etwas gemeinsam mit Druckgraphiken: einen „very democratic spirit, which painting and sculpture do not. It’s quite cheap and accessible“, erklären sie im Interview mit Artnet. Ein Herzstück der Biennale steht denn im Schweizerhaus. Dort haben der Buchhändler Arthur Fournier und Wissenschaftler Raphael Koenig einen Raum dem Kulturwissenschaftler Eduard Fuchs (1870-1940) gewidmet. Hier liegen Exemplare des satirischen „Süddeutschen Postillon“ (1882-1910) aus, dazu u.a. Lithographien von Honoré Daumier – Satiren in höchster Qualität.
Ganz anders werden die Mittel der Ironie und Übertreibung zur Verspottung mit oft kritischem Anspruch in den zeitgenössischen Beiträgen angewendet. Da versteckt Xiyadie in seinen traditionellen, Idyllen oder Ornamente zeigenden chinesischen Papierschnitten homoerotische Fellatio-Szenen. Nicole Wermers unterwandert den allgemeinen Anti-Raucher-Kurs und unsere Obsession mit Sauberkeit mit stinkenden Zigarettenstummeln, die in einer Sandlandschaft auf einem fast drei Meter langen Tisch stecken.
Honza Zamojski lässt seine von Bruegels „Blindensturz“ inspirierte Gruppe von sechs mit Waffen ausgestatteten, an Marionettenfäden hängenden Kopflosen dem Ende entgegenstürzen. Und Giorgi Xaniashvili schnitzt aus Holzstücken, die von seinen religiösen Skulpturen übrigbleiben, Reliefs voller erotischer Szenen.
Eine interessante Lesbarkeit erfährt Lawrence Abu Hamdan durch das kuratorische Konzept: In seinem Video inmitten einer Disco-ähnlichen Installation predigt ein Imam lautstark gegen die Lärmverschmutzung in muslimischen Gemeinschaften, gegen die Rücksichtslosigkeit von lauter Musik im privaten oder Straßenraum. Sollen wir Lärm hier ironisch-metaphorisch lesen?
Sehr oft enden wir allerdings auf dieser 33. Ljubljana Biennale auch ratlos bei der Suche des satirischen Gehalts der Beiträge, etwa bei Anna Uddenbergs über die Räume verteilten Skulpturen weiblicher Finger, die als „Verherrlichung des Körpers“ erklärt werden – wo ist darin das satirische Element? Aber vielleicht ist das Konzept selbst satirisch zu verstehen, als Übertreibung des kuratorischen Filters, der vor allem Biennalen für alle zugänglich machen soll?
33. Graphik Biennale Ljubljana, Crack Up – Crack Down
7.6.-29.9.2019
veröffentlicht in: Kunstforum online, 14.6.2019