Der Art Basel- und UBS-Kunstmarktreport rechnete gerade aus, dass die Galerien 2016 rund 13 Milliarden Euro auf Kunstmessen erwirtschafteten, was rund 41 Prozent der Galerie-Umsätze sei. Solche Umsätze erklären, warum jedes Frühjahr mit drei Tagen Abstand zwei Messen in nur 200 Kilometer Entfernung voneinander höchst erfolgreich stattfinden: Die Art Brussels 2017 und die Art Cologne. Die Kölner Messe beeindruckt mit über 200 Galerien und einem eigenen Segment für Klassische Moderne, die Art Brussels dagegen gilt als global ausgerichtete Entdeckermesse.
Lange fand die Art Brussels nahe des Atomiums statt, letztes Jahr wechselte die Veranstaltung in die Tour & Taxis-Hallen im Norden von Brüssel. Das machte ein Schrumpfen um 50 Teilnehmer notwendig – und es bekommt der belgischen Kunstmesse bestens. Das heurige Angebot ist konzentrierte Qualität, viel Malerei, auf fast jedem Stand auch Skulpturen, und vor allem ein klarer Schwerpunkt auf junge Kunst. Herzstück ist denn auch heuer wieder die „Discovery“-Sektion. 156 Galerien hatten sich dafür angemeldet, nur 30 konnten genommen werden, die jetzt zwar nicht mehr unmittelbar im Eingang untergebracht sind, sondern in einen Seitenflügel der Tour & Taxi-Halle. Aber das sei ein perfekter Platz, sagte Josephine Wagner von der Wiener Galerie Raum mit Licht. Denn die Nähe zu den Prime-Galerien „saugt viele Sammler ab“, die separate Zone dagegen fördere die Verkäufe. Allein am Eröffnungstag der Art Brussels 2017 stürmten fast 10.000 ausgesuchte Gäste die luftdurchflutete Halle, insgesamt kamen 25.544 Besucher für die 145 Galerien aus 28 Ländern, darunter nur 26 Galerien aus Belgien und 6 aus Österreich. 21 Galerien sind langjährige Stammkunden, darunter Krinzinger und Mario Mauroner aus Wien.
Zu den 35 Neuzugängen der heurigen Art Brussels 2016 gehört die junge Wiener Galerie Nathalie Halgand, die obskure Objekte von Leander Schönweger zeigte, innen beleuchtete Schuhe oder ein Schrank, aus dem Wasser läuft. 15 Galerien entschieden sich für Solo-Präsentationen, darunter Ron Mandos aus Amsterdam mit Werken von Mohau Modisakeng, der auch auf der kommenden Biennale Venedig im Südafrika Pavillon zu finden sein wird.
Der 1986 in Südafrika geborene Künstler inszeniert seinen Körper als Sinnbilder der Post-Apartheid. Eines der düstersten Kapitel der belgischen Kolonialgeschichte greift der 1978 in Kongo geborene Sammy Baloji auf. Er kombiniert schwarz-weiß Fotografien und Aquarelle, die im Kongo entstanden. Das Land gehörte dem belgischen König Leopold II, der es sich mithilfe fadenscheiniger Kaufverträge angeeignete und die Bewohner zur Zwangsarbeitern machte. Die Haltung, die Mimik, vor allem aber die Hoffnungslosigkeiten in den Augen der Menschen vor der Kulisse harmloser Berglandschaften lassen enorm eindringliche Werke entstehen, die die Galerie Imane Farès (Paris) anbot und die gerade hier großes Interesse fanden. Ähnlich wie Modisakeng vermitteln auch Balojis Fotografien kritische Themen mit einer großen Schönheit, die uns emotional anspricht, ohne zu moralisieren.
Kunst aus Afrika, dem letzten weitgehend blinden Fleck auf der Landkarte der globalen Kunst, ist eine klare Tendenz auf dieser 35. Art Brussels 2017. Galerien aus Afrika allerdings sind hier noch selten, obwohl bereits 22 außereuropäische Teilnehmer die Art Brussels zu einer überzeugend globalen Messe machen.
Auch an der 51. Art Cologne nehmen Galerien aus 28 Ländern teil, der größte Teil kommt jedoch aus Deutschland. Wie Artfacts gerade in einem speziellen Report ausrechnete, sind heuer 40 Prozent der Künstler aus Deutschland, 38 Prozent aus Europa, 13 Prozent aus Nord-Amerika und kein einziger aus Afrika. Dem Eindruck einer allzu deutschen Messe steuert Messedirektor Daniel Hug aber gezielt entgegen, so konnte er heuer die Schwergewichte Gagosian und White Cube zur Teilnahme überzeugen. Zentrale Neuerung der 51. Art Cologne ist der Ausbau der kostengünstigen, kleinen Stände: zu New Positions, New Contemporaries und Collaborations kamen heuer geförderte Solo-Stände hinzu, alles ist unter dem Begriff ´Neumarkt´ zusammengefasst. Diese Entscheidung macht deutlich, dass auch die Art Cologne auf junge Galerien und junge Kunst setzt. Und genau da scheint jetzt eine unerwartete Konkurrenz auf: Die Schweizer Messegesellschaft MCH, Inhaber der Art Basel, ist Teilhaber der gerade gegründeten, für November geplanten Art Düsseldorf.
Der Termin sei perfekt weil konkurrenzlos, Düsseldorf reich an Kapital und die Kunst klar in der Gesellschaft verankert, wird argumentiert. Überraschend viele Galerien bekunden bereits Interesse. Ein Gefahr für Brüssel? „Man wird sehen, ich werde es mir auf jeden Fall ansehen“, bleibt Brüssel-Direktorin Anne Vierstraete gelassen. Daniel Hug von der Art Cologne dagegen nannte es eine „Form des Kolonialismus“ und reagierte bereits: Er kündigte an, Mitte September gemeinsam mit art berlin contemporary (ABC) eine neue Art Berlin auszurichten. Wahrscheinlich mit Schwerpunkt auf junger Kunst. Das kann zwar den Jahresumsatz der Galerien nicht so steil steigern wie hochpreisige, arrivierte Kunst, wirkt aber definitiv gegen die Messemüdigkeit der Sammler.
veröffentlicht in: Die Presse, 30. April 2017