Ihr Partner kümmere sich darum und sie vertrauen ihrem Partner. Mit diesem kurzen Statement wischte Richard Armstrong, Direktor des Guggenheim Museums, die Frage nach den aktuellen Arbeitsbedingungen beim Bau des Guggenheim Abu Dhabi weg. 2011 hatten einige Künstler zum Boykott des Museums aufgerufen, woraus sich die Gruppe „Gulf Labor“ entwickelte, die jüngst das „52 weeks“-Projekt startete: Jede Woche wird ein digitales Werk ins Netz gestellt, begonnen mit Thomas Hirschhorns Brief über sein Dilemma, sich als Künstler politisch zu engagieren, danach Hans Haackes Poster mit Zitaten indischer Arbeiter über ihre Anwerbungskosten: 1.747 $ mussten sie für ein Visum zahlen.
Aber darüber wollte Armstrong nicht sprechen. Er sass auf dem Podium der Abu Dhabi Art und plauderte mit Monika Sosnowska über deren Guggenheim-Ankauf.
Dabei hätte er darauf verweisen können, dass auf dem Saadiyat Island derweil allerhand gebaut wird, nur nicht das Guggenheim. Zwar sieht man von der Brücke aus lauter Baukräne in dem umzäunten Gebiet stehen. Dort jedoch entsteht das Louvre Abu Dhabi. Und auch das kommt nur langsam voran. 2007 laut als Teil des Museumszentrums in den Emiraten mit Eröffnungsdatum 2012 verkündet, ist es jetzt leise auf Dezember 2015 datiert worden. Der Formel ´Experten einkaufen, Bauunternehmen anheuern und fertig ist die Kultur´ folgt hier niemand mehr. Stattdessen hat ein Lern- und Dialogprozeß begonnen. Seit kurzem ist in Abu Dhabi eine französische Expertengruppe stationiert, um im regelmäßigen Austausch die aufzubauende Sammlung des Louvre zu besprechen. Zur Eröffnung der Abu Dhabi Art reiste der französische Kulturminister aus Paris an, im Gepäck eine Liste mit 300 Leihgaben aus französischen Museen zur Diskussionsgrundlage.
Auch auf der Kunstmesse spürt man diese Veränderungen. Die selbstbewußte Präsentation einiger ausgewählter westlicher Galerien mit hochpreisigen Klassikern von Sam Francis bis Andy Warhol, wie es auf der 1. Abu Dhabi Art 2010 (ADA) der Fall war, ist vorbei. Galt die ADA bisher als Einkaufsplatz einzig für das Guggenheim und die Scheichfamilie, so zeigt sich heuer zur 4. Ausgabe ein anderes Bild: In der MENASA-Region (Middle East, North Africa, South Asia) wird nach eigenen Wurzeln, einer eigenen Moderne und eigenen Zeitgenossen gesucht – und das hält mehr und mehr Einzug auch bei den westlichen Galerien, wenn Hauser & Wirth mit den indischen Künstlern Bharti Kher und Subodh Gupta anreist oder Lisson Gallery mit einer neuen, in den Emiraten aufgenommenen Fotografie von Marina Abramovic.
Vor allem aber steigt die Zahl regionaler Galerien stetig und damit eben auch das regionale Angebot.
Das führt auf der ADA zu einer Zweiteilung: In dem einen Pavillon Gagosian, Hauser & Wirth, Lisson und Ropac, der sich mit Erwin Wurms Porsche-Fat Car für die autobegeisterten Emiratis und einem Mekka-Diptychon von Robert Longo tief verbeugt.
Aber auch Ayyam aus Syrien und Athr aus Saudi-Arabien sind hier plaziert – zwei Galerien, die vor vier Jahren nur lokal bekannt waren und heute wie ein Magnet die immer größer werdende Zahl von neuen Sammlern anziehen. Gegenüber in der zweiten Halle dann viel Ornamentales, Orientalisches und Zuspät-Modernes.
Die Abu Dhabi Art ist eine „Boutique Messe“. Damit ist nicht nur die Größe umschrieben (43 Galerien), sondern auch das Angebot.
Provokantes, Radikales oder Kritisches hat hier keinen Platz. Die Werke sollen gefallen. Und die Rechnung geht auf: Nicht nur zur Eröffnung drängelten sich die Menschen, und dies vor allem in der durchmischten Halle. Die Bevölkerung von Abu Dhabi wächst im rasenden Tempo, der Reichtum und der Hunger nach Kunst offenbar auch. Bald schon klebten die ersten roten Punkte, und das bei unerwarteten Preisen: Modernistische Bilder von Farouk Hosny, auch bekannt als ägyptischer Kulturminister von 1987-2011.
Seine Werke kosten 100.000,- $. Daneben eine figurale Bronzeskulptur aus einer 8er Auflage für 350.000,- $ (Adam Henein, beide Artspace London/Dubai). Der 84jährige, ägyptische Künstler will im Januar sein eigenes Museum in Kairo eröffnen und laut Galerie diese letzte, verfügbare Auflage aus der Edition eigentlich gar nicht hergeben – so erklärt sich also der Preis? Verglichen mit 800.000,- $ für einen Frank Stella von 1984 sind das erstaunliche Summen (Galerie Navarro).
Diese Preise betonen das neue Selbstbewußtsein dieser Region. An dieser Veränderung wird die Abu Dhabi Guggenheim-Sammlung genauso wenig vorbeikommen wie an den Forderungen nach fairen Arbeitsbedingungen für die Arbeiter. Und hoffentlich wird auch die Messe einsehen, dass ein Schuß kritische Werke durchaus noch in die Boutique passen, vielleicht sogar das „52 Week“-Projekt der Gruppe Gulf Labor.
in gekürzter Form erschienen: Die Welt, 30.11.2013