41. Art Basel 2010: Ansturm auf Kunst

19. Jun. 2010 in Kunstmesse

Art Basel // SBV

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Die Menschen hasten hinein, schieben sich dicht aneinander durch die Gänge, drängeln und schubsen ohne Rücksicht auf Verluste. Mit lautem Krach fällt plötzlich etwas um. Eigentlich steht Marc Quinns lebensgroßer „Buck with Cigar“ sicher auf seinen Füßen, aber diesem Ansturm auf die 41. Art Basel ist selbst seine Bronzeskulptur nicht gewachsen.

Der Andrang auf die 41. Art Basel ist enorm. Und es herrscht wieder Kaufrausch. Nicht diese Gier, die Anfang des Jahrtausends die Preise unvernünftig hoch trieb, aber doch krass. Ob aus Europa, den USA, sogar aus China und Indien – die Sammler scheinen heuer ihr Geld möglichst vollständig anlegen zu wollen. Gekauft wird sehr viel und sehr schnell – zum Leidwesen der Museen. Die Wege der staatlichen Institutionen sind durch Ankaufskommissionen und Budgetknappheit zu langsam, um auf diesem erhitzten Markt mithalten zu können – ganz abgesehen von den Preisen, die hier herrschen. Denn die steigen trotz oder gerade wegen der Krise weiter und weiter. Antonia Hoerschelmann von der Albertina in Wien konnte nur staunen, wie teuer Papierarbeiten von Richard Serra auf der 41. Art Basel geworden sind. Gestiegen ist aber auch ganz deutlich die Qualität der ausgestellten Werke. Kaum mehr Kitschig-Buntes, sondern auffallend viel Minimal Art und Konzeptkunst dominieren, und dies überraschenderweise vor allem im unteren Geschoß. Eigentlich ist diese untere Etage der Art Basel ja bekannt für den Schwerpunkt Klassische Moderne, hier führte immer Picasso die Liste der Meistgezeigten an. Heuer ist er erstmals entthront – von Andy Warhol. Nur mehr wenig Kleinformatiges, Expressives und Goldgerahmtes ist zu sehen, dafür raum- und wandfüllende Werke von Christian Boltanski, Hanne Darboven, Mario Merz, Donald Judd. Ob die Räume der Sammler im Laufe der Jahrzehnte immer größer geworden sind oder liebäugeln immer mehr mit eigenen Museen? Die 1960er, das wird hier jedenfalls deutlich, beginnen sich als stabile Wertanlage durchzusetzen.

Offenbar macht diese Entwicklung die Messeleitung nervös, die einige Händler aufforderten, doch unbedingt weiterhin auch die – enorm hochpreisige – Klassische Moderne anzubieten, um diese Sammlerschicht nicht zu verlieren. Denn das Interesse an Im- bis Expressionisten ist nach wie vor groß. Davon scheint auch Neugerriemschneider profitieren zu wollen, wenn sie die Van Gogh-artigen Bilder von Billy Childish als Massenangebot auf den Markt werfen. „Good taste is fashism“, schreibt der Maler, Poet und Musiker in seinem Manifest von 1997, in dem er sich gegen Konzeptkunst ausspricht und fordert, dass jeder Künstler eine „Reihe von unakzeptabel schlechten Bildern“ malen muss. So steht´s im Internet, aber das klingt derartig ausgedacht, dass sich die Vermutung eines Fakes aufdrängt. Die Berliner Galerie jedenfalls wirft Bildermengen auf den Markt. Selbst Francesca Habsburg, bekannt für ihre hochqualitative Sammlung, hat sich da eingereiht. Sie wolle damit ihre Wohnung dekorieren – als schiefer Ton im Chor? Gleichzeitig interessiere sie sich aber auch für die sieben Meter hohe Installation von Massimo Bartolini, der eine elektrische Orgel mit einem Baugerüst kombiniert und John Cage abspielt – ein überzeugendes Bild für eine neue Kirche, die im Alltag verankert ist. Bartolinis Werk ist Teil von „Unlimited“, der Halle für überdimensionale Skulpturen, die dieses Jahr leider von viel zu vielen Videos dominiert wird.

Der Haupttrend der 41. Art Basel ist das Sichere und Bewährte. Reges Interesse erhielt die großartige Wandtapete von Cindy Sherman; sofort verkauft, das bedauerte Axa-Manager Stefan Horstthemke, war das abstrakte Bild von Tomma Abs, auch Pawel Althammer, den sich das Kunstmuseum Liechtenstein gerne in die Sammlung geholt hätte. Ihre Sammlung ergänzen dagegen kann das Ehepaar Essl mit unerwartet konzentrierten Arbeiten von Tim Eitel – Malerei, das ist nicht zu übersehen, führt das Feld an. Immer weniger Video und Fotografie ist zu finden, dafür immer mehr Skulpturen, die allerdings leicht Richtung purer Dekoration gehen wie die großen Pilze von Carsten Höller oder Liam Gillicks bunte Glasscheiben-Flächen. Herb enttäuscht hat vor allem Paul McCarthy mit seinen vier Riesenzwergen in vier Farben, je für 750.000,- Euro – ob sich da nicht jemand mit der Menge der Nullen vertan hat? Aber solche Werke, die deutlich eher das Interesse von Größe und Name bedienen als eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Welt bieten, sind dieses Jahr erfreulicherweise die Ausnahme. Am zweiten Tag kehrte Quinns Skulptur übrigens wieder zurück, noch nicht verkauft, aber auch nicht mehr gefährdet. Die erste Käuferwelle der 41. Art Basel war vorüber, die zweite wird am Wochenende erwartet.

veröffentlicht in: Die Presse, 19.6.2010