5. Art Stage Singapur 2015

30. Jan. 2015 in Kunstmesse

FX Harsono, Pilgrimage to History, 2013

 „Es gibt keine Freiheit, nirgendwo – wir müssen immer und überall dafür kämpfen.“ Mit diesen klaren Worten nahm der indonesische Künstler FX Harsono gerade als Auftakt der 5.Art Stage in Singapur den neu gegründeten Joseph Balestier-Preis entgegen. Gewidmet der „Freiheit der Kunst“, wird der mit nur 5000,- US-Dollar dotierte Preis von der Kunstmesse zusammen mit der US-amerikanischen Botschaft in Singapur vergeben – eine krasse Kombination!

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In Singapur ist die Meinungsfreiheit deutlich eingeschränkt, die Themen Rasse und Religion sind tabu, und Pressefreiheit existiert nicht. Auch die USA stehen seit 9/11 nicht mehr uneingeschränkt für Freiheit, erinnert sei nur an den Espionage Act: ein Gesetz, dass unter Präsident Obama stolze acht Mal angewandt wurde, um ´Verräter von Staatsgeheimnissen´ zu verurteilen. Es trifft besonders häufig Journalisten. Zudem ist der Name des Preises als Referenz auf den ersten US-Konsul in Singapur 1836 erstaunlich kolonialistisch – ist das nicht ein kurioses Zeichen für die erst vor fünf Jahren gegründete Kunstmesse, die sich mit dem Slogan „We are Asia“ positioniert?

Khim Ong, Kuratorin der Südostasien-Plattform, und Lorenzo Rudolf //SBV

Lorenzo Rudolf, Ex-Chef der Art Basel und Gründer der Art Stage, sieht das gelassen: „Sicher, der Preis hat auch eine politische Komponente, ist aber letztendlich ein Kunstpreis für die Region.“ US-Botschafter Kirk Wagar hatte die Idee zu dem Preis und die Messe unterstütze die Aufgabe, hier eine Diskussion über Meinungsfreiheit und die Rolle der Kunst zu führen. Es sei enorm wichtig in dieser Region klarzustellen, dass Kunst nicht nur ästhetische Dekoration oder perfektes Handwerk ist, erklärt Rudolf im Gespräch. „Mit dem Preis wollen wir jene Künstler auszeichnen, die eine Haltung beweisen, die einstehen für die Freiheit des Ausdrucks.“

 

Aye Ko, What is peace?

Und davon gibt es in der Region einige: Aye Ko saß für seine regierungskritischen Performances drei Jahre in Myanmar im Gefängnis und Manit Sriwanichpooms Film zur politischen Zukunft Thailands ist von der Thai-Regierung als Bedrohung der Sicherheit gebannt.

Manit Sriwanichpoom, Pink White & Blue #4 (The Future), 2005

Der Preisträger Harsono lebt zwar in Indonesien unbehelligt, wird aber mit dem Preisgeld ein höchst heikles Thema recherchieren: das anti-chinesische Massaker in Indonesien 1948. „Ich muss sehr vorsichtig sein“, betont Harsono.

 

FX Harsono, Rewriting the erased, 2009

Zwar ist in der Messehalle unten im Kongresszentrum des Marina Bay Sands leider keine Ausstellung der Nominierten zu sehen. Aber es gibt auf den Messeständen der 170 Aussteller immer wieder ähnlich politisch aufgeladene Kunst, besonders in der Plattform für Südostasien, die heuer unter dem Titel „Eagles fly, sheep flock – biographical imprints: artistic practices in southeast asia“ von Khim Ong kuratiert wurde. Rudolf führte diese Sektion letztes Jahr ein, um die Galerien und die Kunst im Kontext der Region zu zeigen. Zwar hat jedes Land eine reiche Kunstszene, aber man wisse kaum etwas voneinander – da will die Art Stage als Brücke fungieren und zugleich einen regionalen Markt aufbauen. Auf rund 1000 qm kommen 32 KünstlerInnen in dem kuratierten Gemeinschaftsstand zusammen.

Chris Chong (Malaysia), Heaven Hell, 2009. Galerie Our Artproject

Die Galeristen zeigen hier nur ein bis zwei Werke. Dieses Model bietet die Möglichkeit zu intensiven Gesprächen – die auch notwendig sind. Denn hinter vielen Werken steht konkrete Zeitgeschichte, wenn etwa Kiri Dalena in ihrer Installation „Erased Slogans“ das Regime des philippinischen Diktators Ferdinand Marcos aufarbeitet: Aus den Fotografien montiert sie die politische Propaganda heraus und fasst die Slogans in ihren kleinen, seitenstarken „Red Books“ zusammen, je einer pro Seite – ein konstanter Kampf gegen staatliche Repression, wie es die in Manila lebende, 1975 geborene Künstlerin beschreibt (Galerie 1335 Mabini).

Kiri Dalena, Erased Slogans, 2008-2014. Galerie 1335 Mabini

Die Frage nationaler Identität thematisiert Vincent Leong, wenn er ein Denkmal in Malaysien fotografiert, dessen klare Botschaft schon längst verloren gegangen ist (Galerie Silverlens).

Vincent Leong, Kenapamu, Malaysia?, 2014. Galerie Silverlens

Und Khvay Samnang aus Kambodscha fragt in seiner bildstarken 3-Kanal-Videoinstallation „Where is my land?“: Rund um Phnom Penh wird ein See mit Sand aus dem Mekong aufgefüllt, um Luxushäuser zu bauen. Der Tänzer Nget Rady übersetzt diese Entwicklung in langsame, fast qualvolle Bewegungen im Sand, in schmutzigen Wasserresten und in der Sand-Pipeline (Galerie Sa Sa Bassac).

Khvay Samnang, Where is my land, 2014. Galerie Sa Sa Bassac

In solchen Werken spiegeln sich die gewaltigen politischen und wirtschaftlichen Umbrüche dieser Region wider, in der überraschend viele Künstler mit ihren oft geschichtlich und bildlich intensiven Werken eine klare Rolle übernehmen.

 

Nadiah Bamadhaj, The Continued Siege of the Already Assimilated, 2014

Aber es gibt im Angebot der insgesamt 132 Galeriestände auch weniger Brisantes zu sehen, etwa Hotelkunst wie eine Chanel-Tüte aus Bronze (Yves Hayat) oder die überreich verzierten, heulenden Hunden aus Keramik (Jang Seughyo) – man ahnt da, wovon Rudolf Eingangs spricht. Gerne wird Joan Miro mitgebracht, immer wieder Andy Warhol, in der Modern Masters-Sektion ist der Franzose Andre Masson ausführlich präsent, aber auch Moderne aus dem Libanon und Indien.

Gilbert & George, Singapur 2015 // SBV

Nahezu 70 Prozent der Galerien stammen aus der Region, europäische und US-Galerien nehmen kaum teil – sie müssen ihren Platz in Südostasien wohl erst wieder finden. Für die Messe entschieden hat sich die Galerie Arndt (Berlin, Singapur) mit einer spektakulären Aktion: Unermüdlich signierten Gilbert & George den Katalog ihrer neuen, eigens für Arndt gefertigten Serie „Utopian Pictures“. Die 26 Fotografien sind rebellische Reaktionen auf Reglements, gesammelt in den Straßen Londons – eine bizarre Welt voller Regeln und Autorität. Der Kampf um Freiheit ist nicht auf Asien beschränkt.

 veröffentlicht in: Welt, 24.1.2015

 

S. Teddy Darmawan, Equator Art Projects

 

Jakkai Siributr, Yavuz Gallery